Plötzlich ein heisses Pflaster Grönland? Das sollten Sie wissen

tali

22.8.2019

Seit US-Präsident Donald Trump ein Kaufinteresse an Grönland angemeldet hast, ist die grösste Insel der Welt plötzlich in aller Munde. Wenn Sie über Grönland mitreden wollen, müssen Sie das wissen.

Warum will Trump Grönland?

Die meisten Menschen haben wohl Bilder von kahlen Felsen, Eismassen und Schlittenhunde vor Augen, wenn von Grönland die Rede ist – und zwar nicht zu Unrecht, immerhin sind 80 Prozent der 2,2 Millionen Quadratkilometer grossen Insel mit Eis bedeckt. Warum also ist Grönland für den US-Präsidenten plötzlich interessant?

Tatsächlich ist er nicht das erste US-Staatsoberhaupt, das sich Grönland einverleiben will: Harry Truman bot Dänemark 1946 100 Millionen Dollar dafür. Die Dänen, denen Grönland 1814 zugefallen war, lehnten dankend ab, erlaubten den US-Amerikanern aber 1952 wenigstens, in Thule einen Luftwaffenstützpunkt aufzubauen.

Auch nach Ende des Kalten Krieges bleibt Grönland für die USA strategisch wichtig. Vor allem, seit Russland und China verstärktes Interesse an der Arktis zeigen, vorrangig aufgrund der Rohstoffvorkommen, die dort erschlossen werden könnten: Öl, Gold, Uran und Edelsteine etwa, aber auch Eisenerz, Kupfer und Seltene Erden. Ein Schatz, der sich auch in Grönland heben liesse.

Warum ist Grönland dann keine Wirtschaftsmacht?

Wasser, Eis, Felsen – und was gibt es sonst so in Grönland?
Wasser, Eis, Felsen – und was gibt es sonst so in Grönland?
Getty Images

Grönland mag über viele Bodenschätze verfügen, nur kommt man an diese (noch) nicht heran – wir erinnern uns, 80 Prozent des Landes liegen unter einer bis zu drei Kilometer dicken Eisdecke. Aufgrund des Klimawandels mag diese inzwischen zurückgehen, doch die Risiken und Kosten, die die Rohstoffförderung mit sich bringen würde, sind in vielen der relevanten Gebieten noch zu gross. Im Süden der Insel werden immerhin Rubine und Saphire gefördert, im Norden Zink und Blei.

Bisher jedoch ist Grönland jedoch fast ausschliesslich vom Fischfang abhängig: 90 Prozent seiner Exporte bestreitet die Insel mit Fischen und Krustentieren. Die lokale Regierung hofft jedoch, die Bereiche Bergbau und Tourismus in den nächsten Jahren stärken zu können.

Tourismus? In Grönland?

Ja, Tourismus. Allerdings sprach das Grönländische Aussenministerium in seinem Absage-Tweet an Donald Trump nicht ohne Grund von «Abenteuertourismus»: Die offizielle Tourismus-Webseite versucht gar nicht erst, das unvorhersagbare Wetter schön zu reden, die Versorgungslage kann aufgrund der grossen Importabhängigkeit manchmal schwierig werden, und ohne vernünftige Outdoorausrüstung muss man gar nicht erst anreisen.

Besonders abenteuerlich wird es für Individualtouristen: Die wenigen Städte und Siedlungen, in denen die rund 56'000 Grönländer leben, sind oft Hunderte Kilometer voneinander entfernt. Verbindungsstrassen oder Eisenbahnlinien dazwischen gibt es nicht – Hauptverkehrsmittel sind hier Boote oder Hubschrauber.

Wer sich aber auf das Abenteuer Grönland einlässt, darf sich auf kristallklare Seen, eine beeindruckende Gletscherwelt und die Wildnis der arktischen Tundra freuen. Und mit etwas Glück auch auf Wal-, Robben- und Eisbärsichtungen.

Wie ticken die Einheimischen?

Sie trotzen Temperaturen von bis zu minus 30 Grad, einem widrigen Verkehrsnetz und seit Kurzem auch kaufwütigen US-Präsidenten: Was sind die Grönländer für Leute? Definitiv welche mit dickem Fell und Pioniergeist, leider aber auch die mit der höchsten Suizidrate der Welt: «Es liegt daran, dass du hier als junger Mensch wenig mit dir anfangen kannst», erklärte eine Grönländerin jüngst im «Tagesanzeiger». «Zwei Drittel scheitern im Bildungssystem, und dann kannst du nur noch Fischer werden.»

Dennoch sind die Grönländer kein verschlossenes Volk, sondern Besuchern zufolge eines mit einer sehr freundlichen und herzlichen Art. Man solle nicht überrascht sein, wenn sie auf der Strasse das Gespräch mit einem suchen, rät die offizielle Tourismusseite.

Gut möglich aber, dass man dann ausser «Kajak» und «Iglu» kein Wort versteht: Hauptsprache ist dort Grönländisch, es wird auch Kalaallisut genannt und ist eine Inuitsprache – immerhin machen die Inuit 88 Prozent der grönländischen Bevölkerung aus. Zweite Amtssprache und damit ebenfalls sehr verbreitet ist Dänisch, in Tourismuszentren wie Ilulissat (Bevölkerung: 4'400 Menschen und über 6'000 Schlittenhunde) oder der Hauptstadt Nuuk kommt man aber auch mit Englisch weiter.

Ilulissat gilt als Grönlands Touristenhochburg.
Ilulissat gilt als Grönlands Touristenhochburg.

Wie eigenständig ist Grönland?

Obwohl Grönland offiziell zu Dänemark gehört, ist die Insel innenpolitisch seit 1979 weitestgehend autonom – mit dem Abkommen zur erweiterten Autonomie, das im Juni 2009 in Kraft getreten ist, ist Dänemark nur noch für Aussen- und Verteidigungspolitik verantwortlich. Allerdings bekommt Grönland aus Kopenhagen jährlich eine Finanzspritze von rund 470 Millionen Euro, also rund 512,5 Millionen Franken.

«Grönland hat eine Selbstverwaltungsordnung erhalten, nach der es ein selbstständiger Staat werden kann, wenn die Bevölkerung sich das wünscht», zitiert der «Spiegel» den Kopenhagener Politikwissenschaftler Mikkel Vedby. Und für die meisten Grönländer und ihre politischen Vertreter sei das auch das Ziel, wenn auch eher für die nächsten 30 als fünf Jahre.

Wie viel Wert die Grönländer auf ihre Eigenständigkeit legen, zeigte sich bereits 1985, als sie sich entschlossen, die Europäische Union zu verlassen – übrigens ohne langes Hin und Her. Dass man auf der Insel nun wenig Lust verspürt, US-Provinz zu werden, sollte da nicht überraschen.

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