Kampf um InselstaatDarum ist Taiwan so wichtig für die Welt
Von Gerd Hilber
12.4.2023
Taiwans Präsidentin Tsai – Chinas Militärübungen sind «unverantwortlich»
China hatte die umfangreichen Militärmanöver am Samstag begonnen – einen Tag nachdem Tsai von einem Treffen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, in Los Angeles nach Taipeh zurückgekehrt war.
12.04.2023
Taiwan gilt als weltweit einer der grössten Hersteller von Halbleitern und Computerchips. Würde China die Insel angreifen, wären die Folgen für die globale Wirtschaft und den Alltag der Menschen massiv.
Von Gerd Hilber
12.04.2023, 19:57
Gerd Hilber
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Eine Annektierung Taiwans durch China hätte massive Folgen für die Weltwirtschaft.
Taiwan ist der grösste Hersteller von Halbleitern.
Die weltweite Produktion von Autos, Smartphones, Spülmaschinen oder anderen Elektronikartikeln würde einbrechen.
Unlängst hielt China mehrtägige Militärmanöver in der Taiwanstrasse ab – als Reaktion auf eine Stippvisite der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA und eine Art Abmahnung für die Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes.
Die Spannungen in der Region steigen, aus dem diplomatischen Konflikt droht ein Krieg zu werden. Nach Angaben von US-Geheimdiensten sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis China den Nachbarinselstaat Taiwan annektiere. Ein solcher Überfall hätte aber nicht nur drastische Folgen für die Bevölkerung vor Ort, sondern auch für die Weltwirtschaft, schreibt der «Spiegel».
Warum ist Taiwan so wichtig für die Welt?
Flächenmässig ist Taiwan etwas kleiner als die Schweiz, die Bedeutung der Insel für die Weltwirtschaft ist aber enorm. Der Grund dafür sind Halbleiter – die Hauptbestandteile von Computerchips. Und die stecken in allem, was das moderne Leben ausmacht: Smartphones, Laptops, Autos, Kühlschränke.
Taiwan zählt zu den weltweit wichtigsten Produzenten von Halbleitern. Auf mindestens 70 Prozent bezifferte US-Aussenminister Antony Blinken unlängst Taiwans Anteil am Weltmarkt – im Hightech-Bereich sollen es sogar 90 Prozent sein.
Nahezu die Hälfte aller eingebauten Halbleiter stammen allein von Taiwan Semiconductors Manufacturing Company (kurz: TSMC), nach Intel und Samsung der drittgrösste Mikrochip-Hersteller der Welt. Mit United Microelectronics Corporation (UMC) gibt es noch einen weiteren großen Produzenten auf der Insel.
Was wären die Folgen eines Überfalls auf Taiwan?
«Wenn eine Krise im Zuge einer unilateralen Aktion Chinas ausbrechen würde, wäre wahrscheinlich die ganze Welt betroffen», warnte Blinken jüngst im Interview mit der Funke Mediengruppe. Oder drastischer formuliert: «Es würde zu einer schweren Wirtschaftskrise kommen.»
Der globale Chipmarkt dürfte im Fall einer Invasion kurz- bis mittelfristig zusammenbrechen. In der bereits an Chipmangel leidenden Autoindustrie, aber auch bei Herstellern von Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik würden die Bänder weitestgehend still stehen.
Allerdings wäre auch Chinas Industrie aufgrund der Abhängigkeit bei Halbleiterimporten aus Taiwan stark betroffen, was viele Expertinnen und Experten als eine Art Versicherung deuten, um einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden.
Könnte China nicht einfach Taiwans Chipproduktion übernehmen?
Nach Ansicht von Experten wäre das nicht so einfach. China fehle schlicht das Fachpersonal, um Firmen wie TMSC zu managen. Zudem geht es bei der Chipproduktion weniger um Rohstoffe als vielmehr um das nötige Know-how, um die Halbleiter weiterzuentwickeln.
Wie würden die USA und Europa reagieren?
Von einer militärischen Eskalation abgesehen, müssten sich die USA und EU wohl entscheiden, ob sie mit China und einem besetzten Taiwan weiter Handel treiben oder die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt mit Sanktionen belegen würden. Wohlwissend, dass man bei zahllosen Produkten abhängig ist und die Schäden an der eigenen Wirtschaft enorm wären – zumal China mit Gegensanktionen reagieren dürfte.
Gibt es Alternativen zur Halbleiterproduktion in Taiwan?
Zwar plant die EU, für neue Chipfabriken rund 43 Milliarden Euro zu mobilisieren, um die Abhängigkeit zu reduzieren. Doch das wird mindestens drei bis vier Jahre dauern. In den USA dürfte es etwas schneller gehen. Dort wurde im August 2022 das Chips-and-Science-Gesetz verabschiedet, das Investitionen und Subventionen in Höhe von rund 280 Milliarden US-Dollar vorsieht.
50 Milliarden US-Dollar davon sollen direkt in die Halbleiterproduktion fliessen. So kündigte TMSC an, für 40 Milliarden Dollar ein Werk für modernste Chips in Arizona zu bauen. Auch in Europa und in Japan sind Fabriken geplant. Selbst Indien will rund zehn Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen.