Der Kreml in AngstDarum kam der Wagner-Chef fast ungestraft davon
gbi
26.7.2023
Obwohl er mit seinen Wagner-Truppen zum Sturm auf Moskau geblasen hatte, bleibt Jewgeni Prigoschin auf freiem Fuss. Einen anderen Kritiker zog der Kreml aber aus dem Verkehr. Wie geht das zusammen?
gbi
26.07.2023, 12:29
26.07.2023, 13:06
gbi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Söldnertruppe Wagner hatte im Juni versucht, die russische Hauptstadt Moskau einzunehmen. Bekanntlich ohne Erfolg.
Die Vorgänge und die Folgen dieser Meuterei bleiben bis heute rätselhaft. Etwa, warum Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin nicht inhaftiert wurde.
Ein anderer prominenter Kritiker der Armeeführung, der Nationalist Igor Girkin, wurde dagegen verhaftet.
Was das soll, analysiert Russland-Experte Mark Galeotti in einem Interview. Seine Erklärung: Wagner sei für den Kreml nach wie vor nützlich, und schwer zu ersetzen.
Der Sturm der russischen Privatarmee Wagner auf Moskau ist zwar gescheitert – doch auch gut einen Monat danach bleiben noch viele Fragen offen. Schwer zu begreifen ist für Laien etwa, wieso Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ungestraft davonkam. Er befindet sich – soweit bekannt – weiterhin auf freiem Fuss, auch sein Vermögen durfte er behalten. Dabei ist Kremlchef Wladimir Putin nicht gerade für Nachsicht mit politischen Widersachern bekannt. Wie geht das also zusammen?
Dazu befragte das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» den britischen Historiker und Russland-Kenner Mark Galeotti, der am University College London lehrt. Er findet: Prigoschin sei durchaus bestraft worden, weil seine Wagner-Truppe nicht mehr in Russland und der Ukraine operieren dürfe.
Anders sehe das aber in diversen Ländern Afrikas aus, wo die Wagner-Truppe Einsätze im Auftrag des Kreml durchführt. Und darauf wolle Putin nicht verzichten.
Ein «neuer Prigoschin» ist nicht leicht zu finden
«Es wäre sehr schwierig, einfach einen neuen Prigoschin zu finden, der diese Operationen übernimmt», erklärt Galeotti in dem Interview. Immerhin habe Prigoschin anfänglich gar nicht in Afrika aktiv werden wollen, sondern sei vom Kreml dazu gedrängt worden.
Dass Afrika für Russland seit Beginn des Krieges an Bedeutung gewonnen hat, ist unter Beobachter*innen unbestritten. Wagner sei in über einem Dutzend Länder aktiv und mache einerseits gegen den Westen Stimmung, andererseits hole es für Russland wirtschaftlichen Nutzen heraus, heisst es etwa in einem Bericht der Organisation Global Initiative. Afrikas Bodenschätze und der Energiebedarf vieler Regierungen ermöglichen es dem Kreml, westliche Sanktionen zu umgehen, hält auch das Institut für Sicherheitsstudien (ISS) fest. Die Söldner würden dabei auch grossen politischen Druck ausüben, um das lokale Geschehen zu beeinflussen.
Prigoschin habe nicht versucht, Putin zu stürzen
Prigoschin gilt seit jeher als enger Vertrauter von Wladimir Putin. Und dieses Band sei trotz des versuchten Aufstands nicht zerschnitten, glaubt Experte Galeotti: «Seine Meuterei war kein Versuch, Putin zu stürzen», analysiert er im Gespräch mit dem «Spiegel».
Wagner-Chef Prigoschin in Belarus: Kämpfen weiter – auch in Afrika
Der russische Söldnerchef Jewgeni Prigoschin hat sich knapp einen Monat nach seinem kurzen Aufstand gegen Moskaus Militärführung erstmals wieder persönlich mit einer Kampfansage zu Wort gemeldet. Demnach äusserte er sich in Russlands Nachbarland Belarus vor seinen Kämpern und kündigte an, etwa auch in Afrika weiter im Einsatz zu sein.
21.07.2023
Vielmehr habe der Wagner-Chef seinen Willen und seine Stärke unter Beweis stellen wollen, um sich weiterhin Putins Rückhalt zu sichern. «Das war natürlich Illoyalität vonseiten Prigoschins, aber nicht die schlimmste Art von Illoyalität.» Gleichzeitig dürfe man nicht vergessen: Söldnertruppen hätten auf genau diese Weise in früheren Zeiten oft ihre Verträge neu ausgehandelt.
Andere Kritiker werden mundtot gemacht
Durchgegriffen hat der Kreml dagegen gegen einen anderen Kritiker der Armeeführung: gegen den einflussreichen Blogger und Nationalisten Igor Girkin. Er wurde festgenommen und damit mundtot gemacht, ihm droht ein Prozess wegen Anstiftung zum Extremismus.
Das russische Regime habe Girkin und andere ultranationalistische Kritiker bisher gewähren lassen, erklärt Galeotti: Sie hätten als zwar unbequem und lästig gegolten, aber letztlich kontrollierbar. Und sie hätten als Ventil für den Unmut in der Bevölkerung gegenüber dem Krieg in der Ukraine gedient. «Das hat sich nun geändert. Durch die Meuterei von Prigoschin hat man gemerkt, dass so scharfe Kritik zu Taten anstacheln kann. Ich glaube, der Kreml hat jetzt Angst. Das Regime ist viel nervöser geworden und deshalb viel weniger bereit, Risiken einzugehen.»