Showdown der Grossmächte China und die USA messen sich im Pazifik – und heute in Zürich

Von Philipp Dahm/dor

6.10.2021

US-Propaganda vom April 2021: Commander Robert J. Briggs und Commander Richard D. Slye von der USS Mustin observieren in der Philippinensee den Verband des chinesischen Flugzeugträgers Liaoning – betont lässig mit hochgelegten Beinen.
US-Propaganda vom April 2021: Commander Robert J. Briggs und Commander Richard D. Slye von der USS Mustin observieren in der Philippinensee den Verband des chinesischen Flugzeugträgers Liaoning – betont lässig mit hochgelegten Beinen.
Bild: U.S. Navy

Heute treffen sich in Zürich führende Köpfe aus China und den USA. Es gibt viel zu bereden: Washingtons und Pekings Interessen im Indopazifik prallen offen aufeinander.

Von Philipp Dahm/dor

Vor den Emissären aus Washington und Peking wartet viel Arbeit. Die Probleme zwischen den USA und China sind gross und zahlreich. Und das nicht erst seit Donald Trump.

Der Ex-Präsident hat das Reich der Mitte nach seinem Amtsantritt im Weissen Haus 2016 ins Visier genommen: Der Handelskrieg, den der New Yorker angezettelt hat, ist auch heute noch nicht vom Tisch. Trumps Nachfolger Joe Biden will an den verhängten Strafzöllen festhalten, aber mehr Ausnahmen zugunsten der US-Wirtschaft zulassen.

Doch eigentlich ist die Wirtschaft dieser Tage nur Nebenkriegsschauplatz. Der Fokus liegt klar auf dem Militärischen, wie zuletzt Taiwan am eigenen Leib erfahren musste. China setzt die vermeintlich abtrünnige Provinz aus der Luft schwer unter Druck. 

Thumbs up: Seit Tsai Ing-wen (Zweite von rechts vorn) Präsidentin von Taiwan ist, sind die Beziehungen zwischen Taipeh und Peking weiter abgekühlt. Die Politikerin posiert vor einer amerikanischen F-16: Die USA haben Taiwan diverse Waffen verkauft. 
Thumbs up: Seit Tsai Ing-wen (Zweite von rechts vorn) Präsidentin von Taiwan ist, sind die Beziehungen zwischen Taipeh und Peking weiter abgekühlt. Die Politikerin posiert vor einer amerikanischen F-16: Die USA haben Taiwan diverse Waffen verkauft. 
Bild: Keystone

Das Schema ist immer dasselbe: Chinesische Jets steigen auf und fliegen in die Air Defence Identification Zone (ADIZ) der Insel. Das Katz- und Maus-Spiel ist alles andere als neu, doch zuletzt hat Peking den Einsatz massiv erhöht. Während sonst eine Handvoll Flugzeuge die Alarmbereitschaft Taiwans getestet haben, waren es am 5. September 19 Flugzeuge, die auf die Insel zusteuerten.

Wenn 52 chinesische Jets auf dem Radar erscheinen

Das Aufkreuzen chinesischer Jets setzt sich im September beinahe täglich fort. Am 17. September sind es dann wieder zehn Flugzeuge, am 23. September erneut 19 und am 1. Oktober schliesslich 38 Jäger und Bomber. Am 2. Oktober sind es insgesamt 39 und am Montag ist es schliesslich eine ganze Armada von 52 Jets, die Taiwans Fluglotsen einen deftigen Schrecken eingejagt haben dürften.

Peking geht es dabei zum einen darum, zu testen, wie der Gegner auf eine solche Bedrohung antwortet. Doch viel wichtiger ist der psychische Druck, der auf diesem Weg aufgebaut wird: Er soll die chinesische Republik daran erinnern, wo ihre Freiheit endet. Nicht zuletzt kosten die Aktionen Taiwan Nerven – die eigene Luftwaffe ist deutlich kleiner –, und Geld – es gibt deutlich Günstigeres als Flugstunden in Überschall-Flugzeugen.

Was soll der Terror? Peking will klare Zeichen setzen – nachdem es die USA vorgemacht haben. Washington hat seine aussenpolitischen Prioritäten nach Osten verschoben: Auch der Abzug aus Afghanistan ist dieser neuen Realität geschuldet. Der Fokus liegt nun klar auf dem Indopazifik, wie die neuen Allianzen zeigen, die US-Präsident Biden geschmiedet hat.

Japan will Raketen-Schirm aufziehen

Da ist zum einen der Schulterschluss mit Indien und Japan. Indien hat spätestens seit den blutigen Zusammenstössen im Himalaya im Jahr 2020 ein gespanntes Verhältnis zum grossen Nachbarn. Japan hat gar eine Abkehr von seiner pazifistischen Aussenpolitik eingeleitet, als führende Politiker laut darüber nachgedacht haben, dass eine Invasion Taiwans auch die Sicherheit von Japan infrage stellt. 

Tokio hat deshalb angekündigt, Raketen auf seinen südlichen Inseln stationieren zu wollen: Die Flugkörper auf den Ryukyu-Inseln würden auch die südlich gelegenen Senkaku-Inseln abdecken, die China Diayu-Inseln nennt und ebenfalls beansprucht. Auch der Kauf weiterer Raketen wird offenbar erwogen.

Die Geografie im Ostchinesischen Meer.
Die Geografie im Ostchinesischen Meer.
Karte: Commons/Jackopoid

Australien rundet das gegen China aufgestellte Quartett ab. Der fünfte Kontinent ist nicht nur Teil jenes «Quads», sondern gehört auch zur neuen Aukus-Allianz mit den USA und Grossbritannien, die wenig rühmlich bekannt geworden ist, als Australien vom geplanten Kauf französischer U-Boote Abstand genommen hatte.

Warum Washingtons Atom-U-Boote besser sind

Der Vorgang hat zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Paris auf der einen und London, Washington und Canberra auf der anderen Seite geführt. Frankreich hatte sogar zwischenzeitlich seinen Botschafter aus den USA zurückgerufen – zum ersten Mal in der bilateralen Geschichte der beiden Staaten.

Blick auf das Limmatquai und das Grossmünster: Ausnahmsweise ist Zürich und nicht Genf der Ort der Wahl für ein hochrangiges internationales Treffen. (Archivbild)
Blick auf das Limmatquai und das Grossmünster: Ausnahmsweise ist Zürich und nicht Genf der Ort der Wahl für ein hochrangiges internationales Treffen. (Archivbild)
Bild: Keystone/elanie Duchene

Dabei ist der Schritt aus australischer Sicht nur logisch. Elektro-U-Boote französischer Bauart mögen zwar sehr leise und effektiv sein, wenn man in heimischen Gewässern auf einen Feind wartet. Doch Atom-Taucher können deutlich länger unter Wasser bleiben – und Macht dadurch auch in die Ferne projizieren.

Das Land steigt auf diesem Weg in die Atom-Technik ein – mit einem Partner, auf den sich Australien verlassen kann. Wer weiss, ob Paris Canberra mit Ersatzteilen versorgen könnte oder wollte, wenn es zum Konflikt mit China käme? Und würde sich Frankreich im Ernstfall wirklich gegen Peking stellen?

USA als verlässlicherer Partner

Das ist schwer zu sagen: Fakt ist, dass Washington am wenigsten Angst vor dem Reich der Mitte zeigt. Ganz abgesehen davon beschränkt sich die neue Kooperation nicht nur auf die Marine, sondern umfasst auch Bereiche wie die Cyber-Kriegsführung oder die Lieferung von Raketen. Dabei ist sowohl vom Verkauf von Marschflugkörpern als auch von Anti-Schiffs-Raketen die Rede.

Die USA als der verlässlichere Partner mit Blick auf China: Hier fährt das Atom-U-Boot USS Oklahoma City am 19. August in den Hafen der Pazifikinsel Guam ein, die US-Territorium ist.
Die USA als der verlässlichere Partner mit Blick auf China: Hier fährt das Atom-U-Boot USS Oklahoma City am 19. August in den Hafen der Pazifikinsel Guam ein, die US-Territorium ist.
Bild: Keystone

Weil sich das neue Aukus-Bündnis explizit gegen Chinas Expansionspolitik wendet, ist die Stimmung gereizt. China hat den drei Staaten vorgeworfen, durch die Weitergabe von Atom-Technologie ein Wettrüsten in Asien zu riskieren, was jedoch angesichts des Anschwellens der Marine der Volksbefreiungsarmee ein fadenscheiniges Argument ist.

Sie haben wirklich viel zu besprechen, die Vertreter der USA und Chinas. Washington hat Jake Sullivan in die Schweiz geschickt: Der 44-Jährige ist einer von Joe Bidens nationalen Sicherheitsberatern und seit 20. Januar im Amt. Peking hat Yang Jiechi entsandt: Der 71-Jährige ist Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, war einst Botschafter in den USA und ist seit 2013 Emissär der zentralen Kommission für Aussenpolitik.

In der Regel finden solche Treffen in der Uno-Stadt Genf statt. Am Dienstag gab das Weisse Haus jedoch kurzfristig bekannt, dass sich Jake Sullivan und Yang Jiechi in Zürich treffen werden. Ein Grund für den Ortswechsel wurde nicht genannt.