UNRWA-Chef von Israel-Unterstützern ausgebuht «Gaza ist zu einer Hölle auf Erden geworden»

gsi, sda

3.8.2024 - 19:22

An der 1.-August-Feier in Lausanne ist am Donnerstagabend der Krieg in Nahost zum Thema geworden. Die Rede von Philippe Lazzarini, dem Chef des Uno-Palästinenserhilfswerks UNRWA, wurde durch Zwischenrufe von pro-israelischen Demonstrierenden gestört.

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  • Der UNRWA-Chef äusserte Enttäuschung über die Schweiz, die ihre Hilfsgelder für die UNRWA drastisch gekürzt hat.
  • Lazzarini sprach von globalen Krisenherden und der zunehmenden Intoleranz, die das Leid der Menschen unsichtbar mache.
  • Die UNRWA geriet im Mai 2024 in die Kritik, als Israel ihr vorwarf, von der Hamas unterwandert zu sein, was zu Kündigungen und gekürzten Hilfszahlungen führte.
  • Lazzarini wurde von einem Teil des Publikums gefeiert, während andere ihn als Terroristen beschimpften und ausbuhten.

Die Ankündigung der Ansprache von Philippe Lazzarini, dem Chef des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), hatte bereits Ende Juni für Kritik gesorgt.

Diese kritischen Stimmen waren auch am Donnerstagabend im Hafen von Ouchy in Lausanne zu hören. Während des ersten Teils der offiziellen Feier ertönten bei jeder Erwähnung des Namens Lazzarini Buhrufe aus der Menge.

Der Schweizer UNRWA-Direktor Philippe Lazzarini wirft Israel Folter von verhafteten UNRWA-Angestellten vor: «Wir haben Zeugenaussagen aus erster Hand, die Israel systematische Misshandlung und Folter vorwerfen.» (Archivbild)
Der Schweizer UNRWA-Direktor Philippe Lazzarini wirft Israel Folter von verhafteten UNRWA-Angestellten vor: «Wir haben Zeugenaussagen aus erster Hand, die Israel systematische Misshandlung und Folter vorwerfen.» (Archivbild)
sda

Als Lazzarini für seine Ansprache die Bühne betrat, wurden etwa 50 Schilder hochgehalten. Einige zeigten Fotos von israelischen Geiseln, andere prangerten die Arbeit des UNRWA an und beschuldigten es beispielsweise, den Friedensprozess zu behindern oder Hamas-Terroristen zu finanzieren.

Enttäuschung über humanitäre Schweiz

Lazzarini liess sich nicht aus der Ruhe bringen und hielt seine Rede in voller Länge. Ein Teil des Publikums applaudierte dem schweizerisch-italienischen Doppelbürger. Der Stadtpräsident von Lausanne, Gregoire Junod, lobte Lazzarini als eine bedeutende Schweizer Persönlichkeit in der UNO, die die humanitäre Tradition der Schweiz und die Genfer Konvention verkörpere.

Eine bei israelischen Angriffen verletzte Palästinenserin wartet im Schifa-Krankenhaus auf ihre Behandlung.
Eine bei israelischen Angriffen verletzte Palästinenserin wartet im Schifa-Krankenhaus auf ihre Behandlung.
Mohammad Abu Elsebah/dpa

Lazzarini selbst zeigte sich schwer enttäuscht darüber, dass die Schweiz ihre Hilfsgelder für die UNRWA in den letzten Jahren halbiert hat, eine Massnahme, die neben den USA nur von der Schweiz ergriffen wurde.

Angesichts der sich verschlechternden humanitären Lage hatte er auf das Gegenteil gehofft. Die Reaktionen im Publikum waren geteilt. Die Pro-israelische Demonstranten buhten ihn aus, nannten ihn einen Terroristen und Antisemiten und hielten erneut die Schilder mit Bildern israelischer Geiseln hoch. Wie die «NZZ» berichtete, rief einer der Protestierenden: «Du hast Blut an deinen Händen.»

Andere Teilnehmende versuchen, die Buhrufe mit Applaus zu übertönen. Sie hatten ihrerseits Plakate mitgebracht, die Israel vorwerfen, im Gazastreifen einen Genozid zu verüben.

Kein Krieg ohne Gesetze

Lazzarini bemühte sich in seiner Rede, die israelische Perspektive zu berücksichtigen. Er nannte den 7. Oktober eine Tragödie, die tiefe Traumata hinterlassen habe.

Die humanitäre Lage im Gazastreifen verschlimmert sich täglich.
Die humanitäre Lage im Gazastreifen verschlimmert sich täglich.
Mahmoud Issa/dpa

Aber diese Tragödie könne nicht jene des palästinensischen Volkes entschuldigen. Sie könne keinen Krieg ohne Gesetze und der Superlative rechtfertigen – was den Tod von Zivilist*innen, das Leid von Kindern und das Ausmass der Zerstörung angehe.

UNRWA bietet Nothilfe

Die UNRWA, ein temporäres Hilfsprogramm der Vereinten Nationen, existiert de facto seit 1949 und betreibt Einrichtungen in Jordanien, Syrien, Libanon, Westjordanland und Gaza. Die Organisation bietet Nothilfe in Form von Lebensmitteln, medizinischen Gütern, Kleidung und Unterkünften an.

Lazzarini sprach von einem «Krieg ohne Gesetze» und sagte: «Gaza ist zu einer Hölle auf Erden geworden.»

Im Mai 2024 geriet die UNRWA in die Kritik, als Israel ihr vorwarf, von der Terrororganisation Hamas unterwandert zu sein, was zu zahlreichen Entlassungen und der Aussetzung von Hilfszahlungen durch die USA und die Schweiz führte. Israel konnte jedoch keine Belege für seine UNRWA-Vorwürfe vorlegen.

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