Ende von Null-Covid In China baut sich nun ein Corona-Tsunami auf

uri

19.12.2022

Covid-19: In China werden Medikamente gegen Fieber und Schmerzen knapp

Covid-19: In China werden Medikamente gegen Fieber und Schmerzen knapp

Auf dem Festland gilt die Corona-Lage als unübersichtlich. Die Behörden meldeten am Montag die ersten beiden Toten im Zusammenhang mit dem Virus seit knapp drei Wochen. Unterdessen versuchen Chinesen im Ausland, ihren Familien daheim Medikamente zu

19.12.2022

Rund drei Jahre lang hat China eine strikte Null-Covid-Strategie gefahren und diese erst nach Protesten schlagartig aufgegeben. Die befürchtete massive Krankheitswelle nimmt womöglich jetzt erst richtig Anlauf. 

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Seit dem 4. Dezember hörte man in China nichts mehr von Todesfällen im Zusammenhang mit Corona – und das obwohl Peking bereits am 7. Dezember die Abkehr von der Null-Covid-Strategie verkündet hat. Heute meldeten die in dieser Beziehung reichlich stillen Gesundheitsbehörden nun erstmals wieder zwei Corona-Tote in der chinesischen Hauptstadt.

Die nationale Gesundheitskommission erhöhte die Zahl der offiziellen Corona-Todesfälle seit Beginn der Pandemie damit auf insgesamt 5237. Die Zahl der Erkrankungen wurde mit insgesamt 380'453 angegeben. Die Zahlen, die bedeutend geringer als in anderen Ländern sind, werden jedoch vielfach in Zweifel gezogen – auch wegen der zugrundeliegenden Methodik bei der Zählung.

Schliesslich gilt in China nur als Corona-Todesfall, wenn eine Person direkt an Covid-19 gestorben ist. Menschen mit weiteren Erkrankungen, die sich durch die Virusinfektion verschlimmerten, etwa Diabetes oder Herzerkrankungen, fallen so aus der Statistik heraus.

Nach ausländischen Medienberichten ist derzeit zudem in den Krematorien Pekings ein starker Anstieg von Toten zu verzeichnen, der teilweise vier- bis fünfmal so hoch wie normalerweise sein soll.

Ebenfalls sind nach einem massiven Corona-Ausbruch in Shanghai nun wieder die Mittelschulen und Kindergärten geschlossen. Die betroffenen Schüler*innen wurden komplett in den Online-Unterricht geschickt. In den höheren Schulen können die Schüler unterdessen noch wählen, ob sie weiter in der Schule oder von zu Hause lernen wollen.

Den «ersten Schock einer gigantischen Welle von Infektionen und einen Mangel an Gesundheitspersonal» meldete bereits vor einer Woche das renommierte Wirtschaftsmagazin «Caixin» aus Metropolen wie Peking, Guangzhou, Chengdu oder Shijiazhuang . Das Magazin sprach von «Covid-Chaos», die Notaufnahmen seien hier schon überfüllt.

Drei Wellen bis Mitte März erwartet

Epidemiologen erwarten nun, dass bis Mitte März gleich drei Infektionswellen durch das bevölkerungsreichste Land der Erde rauschen werden. Die jetzige und erste Welle soll bis Mitte Januar dauern und vor allem die städtischen Gebiete betreffen, wie der Chef-Epidemiologe des Gesundheitsamtes, Wu Zunyou, laut den Staatsmedien sagte.

Ein Covid-19-Patient wird am 19. Dezember 2022 in Peking in ein Spital gebracht: Erstmals seit zwei Wochen meldet China wieder Todesopfer im Zusammenhang mit Corona.
Ein Covid-19-Patient wird am 19. Dezember 2022 in Peking in ein Spital gebracht: Erstmals seit zwei Wochen meldet China wieder Todesopfer im Zusammenhang mit Corona.
Bild: Keystone

Die zweite Welle erwartet der Experte dann bis Mitte Februar mit der Reisezeit um das chinesische Neujahrsfest am 22. Januar, wenn viele Millionen Chinesen traditionell in ihre Heimatdörfer reisen. Mit der Rückkehr der Reisenden sei dann die dritte Welle von Ende Februar bis Mitte März zu erwarten.

Neujahrsfest könnte zu Super-Spreader-Event werden

Gerade das Neujahrsfest weckt bei Expert*innen böse Erinnerungen. Schliesslich trug das Grossereignis bereits 2019/2020 stark dazu bei, dass sich das Virus schnell über die ganze Welt verbreiten konnte. Auch in diesem Winter könnte es zu einem gigantischen und weltweit wirkungsmächtigen Spreader-Event kommen.

Dass in China der Geist aus der Flasche beziehungsweise das Virus endgültig im Umlauf ist, darüber sind sich viele Fachleute ohnehin einig. «Es ist klar, dass die Übertragung des Virus nicht mehr eingedämmt werden kann», zitiert das Nachrichtenmagazin «Spiegel» den an der La Trobe University im australischen Melbourne forschenden Professor für öffentliche Gesundheit George Liu.

Während fast überall auf der Welt inzwischen eine Grundimmunität in der Bevölkerung bestehe, klafften im chinesischen Schutznetz aufgrund der bisher ergriffenen Massnahmen erhebliche Lücken, so Liu.

Problematisch seien in China dabei nicht zuletzt die Impfungen, so der «Spiegel». Gerade von den Älteren ab 60 Jahren – die das höchste Risiko für schwere oder tödliche Covid-19-Verläufe tragen – hätten seit September lediglich zwei Drittel entsprechende Booster-Impfungen erhalten. Zudem zeigten die in China eingesetzten Impfungen einen schlechteren Schutz als die im Westen eingesetzten mRNA-Impfsftoffe.

Bei den Älteren Chinesen sind zu wenige geboostert

Liu rechnet vor diesem Hintergrund denn auch damit, dass sich «ein Grossteil der Bevölkerung» nun infizieren werde – und die meisten Toten unter den Älteren erwartet werden müssen.

«Die Lage in China ist vergleichbar mit der in Europa im Frühjahr 2021, als ein Grossteil der Bevölkerungen noch nicht geimpft war», schätzte auch Björn Meyer, Leiter der Arbeitsgruppe Virusevolution an der Universität Magdeburg, die Situation kürzlich bei der Nachrichtenagentur dpa ein. Laut seinen Befürchtungen wird es sehr schwierig, «einen Schwelbrand, wie er jetzt bereits vorliegt, wieder zu ersticken».

Wie Mayer laut dem Nachrichtenportal RND zudem sagte, bieten gerade die chinesischen Millionenmetropolen ideale Bedingungen für das Coronavirus, weil hier so viele Menschen dicht beieinander leben.

Positiv für das Virus wirkt sich hier nicht zuletzt die neue Freiheit der Chinesen aus, dass sich Infizierte inzwischen zu Hause isolieren dürfen und nicht mehr in spezielle Einrichtungen müssen, wie der Melbourner Forschende Liu laut dem «Spiegel» sagt: «In Hochhäusern teilen sich die Menschen viele öffentliche Räume, sodass es sehr schwierig ist, die Übertragung des Virus einzudämmen.»

Bis zu 800'000 Tote

Einen Hinweis darauf, was auf China nun zukommen dürfte, gibt laut dem Nachrichtenmagazin dabei ein Omikron-Ausbruch in der ersten Jahreshälfte in Shanghai. Damals seien 0,27 Prozent der Infizierten schwer erkrankt und 0,09 Prozent gestorben. Nehme man wie einige Fachleute an, dass sich 60 Prozent der Bevölkerung in den kommenden Wochen und Monaten anstecken würden, komme man auf mehr als zwei Millionen Schwerkranke und rund 800'000 Tote.

Bei solchen Zahlen dürfte die Entwicklung dann auch nicht nur in ökonomischer Hinsicht – etwa durch grosse Produktionsausfälle der «Werkband der Welt» und damit verbundene gestörte Lieferketten – für den Rest der Welt wieder besonders interessant werden.

Auch in epidemiologischer Hinsicht droht aus China wieder Gefahr, wie etwa der deutsche Virologe Christian Drosten schon im November anmerkte: Aufgrund der drohenden hohen Infektionszahlen in China steige hier die Wahrscheinlichkeit, dass das Coronavirus erneut problematisch mutiere.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und AP