Unter DauerbeschussAus Mariupol Gerettete nach wochenlanger Todesangst in Sicherheit
AP/tpfi
4.5.2022
Ukraine: Gerettete berichten von Evakuierung aus dem Asow-Stahlwerk
Mit Bussen kommen die Menschen in der ukrainischen Stadt Saporischschja an, die kurz zuvor aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol in Sicherheit gebracht wurden. Russland begann derweil einen Grossangriff auf die letzte Bastion ukrainischer Kämpfer in
04.05.2022
Wochenlang haben sie im Stahlwerk von Mariupol unter Raketenbeschuss und Bombenhagel in Todesangst ausgeharrt, nun sind sie in Sicherheit. Die Menschen berichten über traumatische Zustände.
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04.05.2022, 00:00
04.05.2022, 11:29
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Nach einer wochenlangen Tortur in den Bunkern des von Russlands Armee belagerten ukrainischen Stahlwerks Azovstal und in der Umgebung sind mehr als 150 Kinder, Frauen, Kranke und Ältere in die Freiheit gelangt. Ein von humanitären Helfern organisierter Konvoi, dem das russische Militär freies Geleit zugesagt hatte, erreichte aus Mariupol kommend am Dienstag die Stadt Saporischschja rund 230 Kilometer weiter nordwestlich. Viele Menschen hätten nach zwei Monaten in den Bunkern erstmals wieder Tageslicht gesehen, teilte die Ukraine-Beauftragte des UN-Nothilfebüros (OCHA), Osnat Lubrani, mit.
Lubrani berichtete von emotionalen Momenten während der gefährlichen Reise. Ein sechs Monate altes Baby habe mit einem Grashalm gespielt, «das erste Mal in seinem Leben», wie dessen Mutter ihr gesagt habe. Aus dem Stahlwerk Gerettete hätten vor Freude geweint, als sie Verwandte wiedersahen, die in einem anderen Bunker Zuflucht gefunden hatten und von denen sie wochenlang nicht wussten, ob sie die verheerenden Bombardierungen überlebt hatten.
Kaum Wasser oder Nahrungsmittel
«Mütter, Kinder und Grosseltern haben von dem Trauma erzählt, Tag für Tag unter unerbittlichem Beschuss und mit Todesangst zu leben», berichtete Lubrani. Es habe im Stahlwerk kaum Wasser oder Nahrungsmittel und völlig unzureichende Sanitäranlagen gegeben. Die Menschen seien durch die Hölle gegangen. Das russische Militär bombardiert die ukrainische Hafenstadt Mariupol seit Wochen und hat sie weitgehend in Schutt und Asche gelegt.
Unter den Geretteten waren nach Angaben von OCHA auch 58 Menschen aus der Ortschaft Manhusch. Insgesamt seien 127 Menschen in Saporischschja angekommen. Nicht alle seit Freitag aus dem Stahlwerk Geretteten hätten sich dem Konvoi angeschlossen.
Noch rund200 Zivilisten im Stahlwerk
Einige der Ankommenden seien verletzt, berichtete das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das den Konvoi mit Autos mit weissen Fahnen und rotem Kreuz darauf begleitet hatte. «Es ist eine riesige Erleichterung, dass einige Zivilisten, die wochenlang gelitten haben, nun draußen sind», sagte IKRK-Präsident Peter Maurer.
Die Menschen, die dort festsassen, haben Unvorstellbares durchlebt.
Wir werden all diejenigen, die noch dort sind, nicht vergessen und weiter daran arbeiten, den Menschen eine sichere Passage zu ermöglichen.https://t.co/NIWJcSTF89
Lubrani zeigte sich besorgt, dass Menschen anderswo in den von Russland angegriffenen Gebieten in einer ähnlich schwierigen Lage seien. Die Vereinten Nationen täten alles, um weitere Konvois zu organisieren. Zahlreiche Rettungsversuche waren in den vergangenen Wochen gescheitert, weil es keine Sicherheitszusagen gab. Auch müssten die weiterhin in den zerbombten Gebäuden in Mariupol ausharrenden Menschen dringend mit Wasser, Nahrung und anderen lebenswichtigen Gütern versorgt werden.
«Viele haben geweint»
In Saporischschja waren die ukrainischen Gesundheitsbehörden sowie freiwillige Helferinnen und Helfer, Ärzte ohne Grenzen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für alle medizinischen Notfälle der Ankommenden gewappnet, sagte die WHO-Koordinatorin vor Ort, Dorit Nitzan, am Dienstag per Video zu Reportern in Genf. «Wir sind eingestellt auf Verbrennungen, Knochenbrüche, Wunden, Infektionen, Durchfall, Atemwegsinfektionen, Unterernährung und die Bedürfnisse schwangerer Frauen - wir sind gut vorbereitet», sagte Nitzan.
Schon in den vergangenen Tagen waren in der Stadt Menschen aus der Umgebung von Mariupol eingetroffen. Sie hatten keine grösseren Verletzungen oder Krankheiten, waren aber traumatisiert. «Viele haben geweint», sagte Nitzan. Spezialisten hätten mit den Menschen erste Gespräche geführt. Viele seien von Verwandten abgeholt worden.