Bedeutungsvolle Abstimmung im US-Kongress: Der US-Präsident muss sich wegen Machtmissbrauchs in einem Impeachment-Verfahren im Senat verantworten. Donald Trump sieht darin nichts als Lügen.
Als dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss sich Donald Trump einem Amtsenthebungsverfahren im US-Senat stellen. Das US-Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) für die offizielle Eröffnung eines solchen Impeachment-Verfahrens.
Mit der Mehrheit der Demokraten votierte die Kammer in zwei Abstimmungen dafür, dass sich Trump sowohl wegen Machtmissbrauchs als auch wegen Behinderung der Kongress-Ermittlungen im Senat verantworten muss. Dank der Mehrheit der Demokraten stimmte die Kammer mit 230 zu 197 Stimmen für das Impeachment-Verfahren.
Dem historischen Votum war eine mehr als elfstündige Sitzung vorausgegangen, in der sich demokratische und republikanische Abgeordnete einen heftigen Schlagabtausch lieferten. Die Demokraten begründeten die Eröffnung des Verfahrens gegen Trump mit der Verpflichtung, die Verfassung zu schützen. Trump sei eine Gefahr für die Demokratie, die nächste Wahl und die nationale Sicherheit des Landes.
Die Republikaner dagegen warfen den Demokraten vor, sie handelten allein aus parteipolitischem Kalkül und seien seit Beginn der Präsidentschaft Trumps besessen davon gewesen, ein Impeachment-Verfahren gegen diesen anzustrengen.
Weiterer Zeitplan offen
Nach dem Impeachment-Votum ist unklar, wann genau ein Amtsenthebungsverfahren im Senat beginnen wird. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, sagte am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington, die Kammer werde die dort beschlossenen Anklagepunkte nicht unmittelbar an den Senat übermitteln, sondern zunächst abwarten, wie das genaue Prozedere in der anderen Kongresskammer aussehen solle.
Zum weiteren Zeitplan und zu der Frage, wie sie sich ein Verfahren im Senat vorstellt, äusserte sich Pelosi nicht näher.
Über den Ablauf des eigentlichen Amtsenthebungsverfahrens im Senat – ob es kurz und knapp gehalten wird oder zum Beispiel neue Zeugen gehört werden – gibt es Streit zwischen Demokraten und Republikanern. Bislang wurde damit gerechnet, dass das Verfahren Anfang Januar im Senat stattfinden würde.
Trump: «Grausame Lügen»
Trump meldete sich während der Debatte auf Twitter zu Wort und warf den Demokraten vor, sie verbreiteten «grausame Lügen». Der Präsident weist ihre Anschuldigungen in der Ukraine-Affäre vehement zurück.
Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weissen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Das werten sie als Amtsmissbrauch. Sie werfen ihm ausserdem vor, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu der Ukraine-Affäre behindert zu haben.
Absetzung unwahrscheinlich
Trotz des Votums im Repräsentantenhaus droht Trump nach jetzigem Stand kein baldiger Auszug aus dem Weissen Haus: Das eigentliche Impeachment-Verfahren wird im Senat stattfinden, der dann die Rolle eines Gerichts einnimmt. Und dort haben Trumps Republikaner die Mehrheit. Mindestens 20 republikanische Senatoren müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Das ist derzeit nicht in Sicht.
Dennoch ist schon die Eröffnung des Verfahrens ein grosser Makel für Trump. Vor ihm mussten das nur zwei andere Präsidenten über sich ergehen lassen: Bill Clinton Ende der 1990er Jahre und Andrew Johnson im 19. Jahrhundert. Gegen einen weiteren Präsidenten, Richard Nixon, waren zwar ebenfalls Impeachment-Ermittlungen geführt worden – Nixon trat aber zurück, bevor das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte abstimmen konnte. Bislang wurde kein Präsident in der Geschichte der USA durch ein Impeachment des Amtes enthoben.
Trump könnte das Impeachment-Verfahren indes politisch nutzen, um seine Anhänger zu mobilisieren und sich weiter als Opfer einer parteipolitischen Kampagne zu inszenieren.
Flucht aus Washington
Während die Abstimmung im Kongress noch lief, liess sich Trump am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan von Unterstützern bejubeln. Unter Applaus seiner Anhänger sagte er, es fühle sich nicht so an, als werde ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eröffnet. «Wir haben nichts falsch gemacht, und wir haben enorme Unterstützung in der Republikanischen Partei.» Er sei der erste Präsident, der einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt sei, obwohl er kein Verbrechen begangen habe.
Trump warf den oppositionellen Demokraten vor, seinen Wahlsieg von 2016 «annullieren» zu wollen. Die «radikale Linke» im Kongress sei von «Neid, Hass und Wut» auf ihn zerfressen, sagte Trump am Mittwochabend weiter. «Diese Leute sind verrückt.»
Auch das Weisse Haus verurteilte die Eröffnung des Verfahrens scharf und bezeichnete das Vorgehen der Demokraten als «verfassungswidrige Farce».
Auswirkungen auf Präsidentschafts- und Kongresswahl?
Unklar blieb zunächst, welche Auswirkungen das Verfahren auf die anstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahl haben wird. Zwar findet die Abstimmung erst im November statt, die ersten Vorwahlen werden jedoch Anfang Februar abgehalten.
Eine Übersicht der jüngsten Umfragen durch die Statistik-Website FiveThirtyEight zeigte kurz vor dem Votum im Repräsentantenhaus eine tief gespaltene Bevölkerung. Demnach befürworten 47,3 Prozent eine Amtsenthebung, 46,5 Prozent sind dagegen. Demokratische Wähler unterstützen das Verfahren dabei mit 82,7 Prozent, republikanische mit 10,2 Prozent.
Hitzige Debatte vor Impeachment-Votum
Das US-Repräsentantenhaus hat das Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Präsident Trump formell eröffnet und zwei Anklagepunkte an den Senat überwiesen.
Amtsenthebung jetzt: Draussen fordern Demonstranten, was im Repräsentantenhaus später beschlossen wurde.
«Er hat uns keine Wahl gelassen»: Nancy Pelosi, Speakerin des Repräsentantenhauses, auf dem Weg zur Verhandlung über die Aufnahme eines Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump.
Weg mit ihm: Protestler vor dem Repräsentantenhaus in Washington.
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