Angriff auf offener Bühne Salman Rushdie könnte sein Auge verlieren

dpa

12.8.2022 - 13:26

Salman Rushdie – ein Leben in Angst

Salman Rushdie – ein Leben in Angst

Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie lebt seit Jahrzehnten mit Todesdrohungen. Die Fatwa, die der Iran gegen ihn ausgesprochen hat, wurde nie aufgehoben. Nun wurde der 75-Jährige bei einer Veranstaltung attackiert und schwer verletzt.

13.08.2022

Wegen seines Werks «Die satanischen Verse» wurde zur Tötung des Autors Salman Rushdie aufgerufen. Nun wurde er an einer Veranstaltung New York schwer verletzt.

Der Schriftsteller Salman Rushdie ist bei einer Veranstaltung im US-Staat New York auf der Bühne angegriffen worden. Dabei erlitt er nach Polizeiangaben eine Stichwunde am Hals und wurde per Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen. Rushdies Agent Andrew Wylie sagte wenige Stunden nach der Attacke vom Freitag der «New York Times», der Schriftsteller werde künstlich beatmet und könnte ein Auge verlieren. Zudem seien die Nervenstränge in seinem Arm durchtrennt und seine Leber geschädigt worden. Wegen seines Werks «Die satanischen Verse» war er vom Iran einst mit einer Fatwa belegt worden, die zu seiner Tötung aufforderte.

Die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul sagte, Rushdie sei am Leben und erhalte die Versorgung, «die er braucht». Der Arzt Martin Haskell, einer der Ersthelfer, bezeichnete Rushdies Verletzungen als ernst, aber eine Genesung sei möglich. Nach Polizeiangaben wurde auch der Moderator der Veranstaltung, Henry Reese, angegriffen. Er habe eine leichte Kopfverletzung erlitten.

Salman Rushdie wurde mit dem Helikopter ins Spital geflogen, wo er operiert wurde. 
Salman Rushdie wurde mit dem Helikopter ins Spital geflogen, wo er operiert wurde. 
Keystone/ AP Photo

Mutmassliche Identität des Täters bekannt

Rushdie wollte in Chautauqua gerade einen Vortrag beginnen, als er angegriffen wurde. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP sah, wie ein Mann die Bühne stürmte und zehn bis 15 Mal auf den 75-Jährigen einschlug oder einstach.

Der Autor wurde zu Boden gedrückt oder stürzte zu Boden, der Angreifer wurde festgenommen. Der Saal mit Hunderten Menschen, die den Vortrag hören wollten, wurde geräumt. Ein Augenzeuge, der Rabbiner Charles Savenor, sagte, der Angriff habe etwa 20 Sekunden gedauert. Eine andere Augenzeugin, Kathleen James, sagte, der Angreifer sei schwarz gekleidet gewesen und habe eine schwarze Maske getragen.

Die Polizei gab noch am Abend bekannt, dass es sich beim mutmasslichen Täter um den 24-jährigen Hadi Matar aus New Jersey handeln soll. Im Vorfeld habe es keinerlei Drohungen oder Hinweise auf die Tat gegeben.  «An diesem Punkt gehen wir davon aus, dass er allein war, aber wir versuchen sicherzustellen, dass dies der Fall war», sagte Polizeisprecher James O’Callaghan am Freitag bei einer Pressekonferenz.

Salman Rushdie legt mit «Sprachen der Wahrheit – Texte 2003-2020» ein neues Buch vor.
Salman Rushdie legt mit «Sprachen der Wahrheit – Texte 2003-2020» ein neues Buch vor.
Bild: Matt Crossick/PA Wire/dpa

Fatwa vor über 30 Jahren erlassen 

Rushdies Buch «Die satanischen Verse» ist im Iran seit 1988 verboten. Das Werk gilt vielen Muslimen als blasphemisch. 1989 erliess der verstorbene Oberste Geistliche im Iran, Ajatollah Ruhollah Chomeini, die Fatwa. In dem Land wurden mehr als drei Millionen Dollar Belohnung für die Tötung Rushdies ausgesetzt.

Der aktuelle oberste geistliche Führer, Ajatollah Ali Chamenei, hat die Fatwa bislang nicht zurückgezogen. In den vergangenen Jahren befasste sich der Iran aber nicht länger mit dem Autor.

Rushdie hat die Drohung 2012 abgetan und erklärt, es gebe keine Hinweise darauf, dass Menschen an der Belohnung interessiert sein könnten. In jenem Jahr veröffentlichte er unter dem Titel «Joseph Anton» eine Autobiografie über sein Leben unter der Fatwa.

Der Name war das Pseudonym, das der Autor nutzte, während er neun Jahre im Verborgenen lebte. Er stand unter einem Schutzprogramm der britischen Regierung und wurde rund um die Uhr bewacht.

Grosses Entsetzen auf der ganzen Welt

Rushdie setzt sich seit langem für freie Meinungsäusserung ein und kritisierte offen religiösen Extremismus. Er ist ein früherer Präsident des Schriftstellerverbandes PEN America. Dessen CEO, Suzanne Nossel, äusserte sich entsetzt. Rushdie sei seit Jahrzehnten wegen seiner Worte zur Zielscheibe geworden, aber er sei nicht zurückgewichen, erklärte sie.

Der US-Senator und Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb am Freitag auf Twitter: «Dieser Angriff ist schockierend und entsetzlich. Er ist ein Angriff auf die Rede- und Gedankenfreiheit, die zwei Grundwerte unseres Landes und der Chautauqua Institution sind.» Er hoffe, dass sich Rushdie schnell und vollständig erhole und der Täter zur Rechenschaft gezogen werde.

Die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul bezeichnete den Angriff auf Rushdie als «schreckliches Ereignis» und schrieb auf Twitter: «Unsere Gedanken sind nach diesem schrecklichen Ereignis bei Salman und seinen Lieben.» Auch die britische Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling drückte ihre Bestürzung aus und schrieb, sie hoffe, es gehe Rushdie gut.

Später machte auch UN-Generalsekretär António Guterres sein Entsetzen kund. «In keinem Fall ist Gewalt eine Antwort auf Worte, die von anderen in Ausübung ihrer Meinungs- und Ausdrucksfreiheit gesprochen oder geschrieben wurden», teilte Sprecher Stephane Dujarric am Freitagabend (Ortszeit) mit. Guterres wünsche Rushdie baldige Genesung.

dpa