Mode und Mauerfall Lange verpönt – Vokuhila und die 1980er-Jahre sind wieder im Trend

Caroline Bock, dpa

10.11.2019

Weisse Tennissocken, Karottenhose und Vokuhila-Frisuren: Die Mode der 1980er ist zurück und gehört gerade zu den Trends schlechthin.
Weisse Tennissocken, Karottenhose und Vokuhila-Frisuren: Die Mode der 1980er ist zurück und gehört gerade zu den Trends schlechthin.
Bild: Getty Images

Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer. Das inspiriert auch die Modewelt. Feiern Karottenhose, Schulterpolster und Dauerwelle ein Revival?

Die Jeans in Karottenform, dazu Jeansjacken und Polohemden. Dauerwellen, Schnurrbärte und Vokuhila, also die Haare vorne kurz und hinten lang.

Blousons, selbst gestrickte Pullis, Schulterpolster, Sweatshirts mit Logo, Parkas, dazu Tücher mit glitzernden Lurex-Fäden.

Die 1980er-Jahre waren lange ein gruseliges Kapitel, was die Mode angeht. Die Bilder vom Mauerfall wirkten bei den Jahrestagen im Rückblick komisch: Wie seltsam, was die Leute damals anhatten.

Sie sind längst wieder da

Das hat sich 30 Jahre später geändert, die 80er-Jahre sind längst wieder da. Sie tun nicht mehr so weh wie früher. Davon kann nicht nur David Hasselhoff gut leben, der seit 1989 und seinem Auftritt am Brandenburger Tor zum Mauer-Maskottchen geworden ist.



Auch die Modelabels und Secondhandläden profitieren vom Revival. Polohemden, Omas Strickjacke, übergrosse Sakkos, das ist alles ziemlich begehrt. Levi's verkauft Jeansjacken, die schwer nach damals aussehen.

«Die Mode läuft in Zyklen ab», erklärt David Roth vom Modeblog «Dandy Diary». Er verweist auf die Theorie, wonach die einflussreichen Designer zum Höhepunkt ihres Schaffens zwischen 35 und 45 Jahre alt sind. Sie neigen demnach dazu, ihre modische Jugend in ihren Kollektionen aufzugreifen, das beeinflusst dann den heutigen Zeitgeist.

Ein Model trägt eine Jeans-Jacke im 80er-Jahr-Stil mit dem Namen «Sherpa Trucker Jacket» aus der Kollektion Herbst/Winter 2019 von Levi's.
Ein Model trägt eine Jeans-Jacke im 80er-Jahr-Stil mit dem Namen «Sherpa Trucker Jacket» aus der Kollektion Herbst/Winter 2019 von Levi's.
Bild: Levi's/dpa

«Das finde ich nachvollziehbar», so Roth. Doch es seien immer neue Interpretationen. Alles kommt wieder, das stimmt für ihn so nicht. «Es sind Zitate, angepasst auf die Zeit, in der wir leben.»

Was wieder cool ist

Bei den Bildern vom Mauerfall findet Roth sehr viel Jeans und auch «Kerle, die allesamt wie Wolfgang Petry aussehen». Was von damals wieder cool ist? «Trainingsanzüge in Ballonseide, Jacketts mit breiten Schultern – der Office-Look, Dauerwelle und Vokuhila sind wieder hip.»

Auch grosse, auffällige Krägen sind damals wie heute populär. Heute sind sie es aus anderen Gründen, sagt Roth. Nämlich wegen der Selfies, bei denen normalerweise nicht mehr als das Gesicht und der Kragen zu sehen ist. Daher braucht es am Kragen Extravaganz. Brokatwesten bei den Männern, damals wichtiges Thema, sehe man aktuell hingegen nicht, sagt Roth. «Dafür dürfen wir dankbar sein.»

Im Osten war die Mode kreativer

Keine einfache Aufgabe ist es für Kostümbildner, wenn sie Schauspieler und Statisten für Filme oder Serien einkleiden, die um 1989 spielen, schon allein, weil Ost und West unterschiedlich aussahen.

Die Bilder vom Mauerfall wirkten, was die Mode angeht, lange komisch. Heute hat sich das geändert. 
Die Bilder vom Mauerfall wirkten, was die Mode angeht, lange komisch. Heute hat sich das geändert. 
Bild: DB/dpa

«Im Osten war die Mode um einiges kreativer, weil die Menschen viel selbst gemacht haben, viel aufgenäht, verziert und aufgepeppt, weil die allgemeine VEB-Mode einheitlicher und auch langweiliger war», sagt die Kostümbildnerin Kristin Horstmann. Um besonders zu sein, musste man basteln. Und der Osten habe sich anders angefühlt, härter und kratziger bei den Stoffen.

Die 38-Jährige hat für ihre Arbeit an historischen Filmen von Christian Schwochow («Bornholmer Strasse», «Westen», «Novemberkind») viel recherchiert, mithilfe von alten Zeitungen und Zeitschriften, Fotoalben und Zeitzeugen. Wichtig ist im Film eine gewisse Patina, die Kleidung darf nicht zu neu aussehen.

Der Mut zur Hässlichkeit

Für «Bornholmer Strasse» guckte sich Horstmann immer wieder die Videos von der Nacht des Mauerfalls an, um die Kostüme möglichst exakt nachzuempfinden. Was die Mode angeht, sieht sie in den 80ern auch einen Mut zur Hässlichkeit: etwa bei hohen Taillen, dazu die grossen Hosentaschen, was den Hintern grösser werden lässt.

Auch wenn sich noch viele darüber lustig machen: Der «vorne kurz, hinten lang» Trend aus den 80ern soll in modernerer Version wiederkommen. 
Auch wenn sich noch viele darüber lustig machen: Der «vorne kurz, hinten lang» Trend aus den 80ern soll in modernerer Version wiederkommen. 
Bild: Getty Images

Heute werden solche Jeans wieder gerne von jungen Frauen getragen. «Die 1980er-Jahre, die zum Mauerfall da waren, sind jetzt wieder da.»

Korrigierte Zähne und gefärbte Vokuhila

Was Horstmann ausserhalb der Kostüme auffällt: Damals gab es noch mehr Brillenträger, noch nicht so viele korrigierte Zähne, schlechte Blondierungen und natürlich den Vokuhila. Nicht jedermanns Sache. Da sind am Set Perücken gefragt.



Die Frisuren von damals haben sich noch nicht wieder richtig durchgesetzt. Hier und dort gibt es heute wieder einen Vokuhila, das ist in Berliner Bars ein gut sichtbarer Trend. Aber was ist mit krisseligen Locken?

Shan Rahimkhan, einer der bekanntesten Coiffeure Berlins, hat zwei Mitarbeiter, die sich eine Dauerwelle gemacht haben, beides junge Männer. Er hält das als Trend aber für ein begrenztes Phänomen, für die superstylische Szene in Teilen Berlins.

Es ist also noch kein grosses Comeback. Also auch kein neuer Pudel-Look für Frauen? Nein. Rahimkhan lacht. «Wissen Sie, ich mache die Frauen schöner.»

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