Kolumne Krawatte — das nutzloseste Mode-Accessoir

Von Bruno Bötschi

16.8.2019

Nach dem Sinn der Krawatte gefragt, fällt kaum einem Modemacher ein Argument ein. Niemand, schon gar kein Mann, kann erklären, warum der Schlips erfunden wurde oder für was er gut sein soll.
Nach dem Sinn der Krawatte gefragt, fällt kaum einem Modemacher ein Argument ein. Niemand, schon gar kein Mann, kann erklären, warum der Schlips erfunden wurde oder für was er gut sein soll.
Bild: iStock

Derzeit ist die Krawatte für die Frau en vogue. Dabei hätte man dieses Accessoire längst für alle Zeiten einmotten sollen.

Ausgerechnet ein steifer Royal erklärte die Ära der Krawatte vor 21 Jahren für beendet. Bei der Verleihung des Prinz-Claus-Preises 1998 in Amsterdam riss sich Prinz Claus, der Ehemann der niederländischen Königin Beatrix, seinen Schlips vom Hals und warf ihn zu Boden und rief: «Fühlt die Freiheit um den Hals, macht den Knoten los, Männer legt die Krawatten ab.»

Doch nun droht der Modewelt Schreckliches: Es heisst, gleich mehrere Designer würden auf die Krawatte für die Frau setzen.

«Das Accessoire kann in der gleichen Farbe wie die dazu getragene Bluse gehalten sein oder sich als Statement vom Oberteil farblich absetzen», heisst es in der September-Ausgabe der Zeitschrift «Cosmopolitan». Und weiter: Die Krawatte sollte allerdings nicht zu lang sein, sondern auf Höhe des Bauchnabels enden.

Nun gut, mir ist ganz egal, ob die Krawatte lang oder kurz, ob sie aus Stoff oder Leder hergestellt ist. Und mir ist auch egal, ob sie einfarbig, zweifarbig oder schrecklich bunt ist.

Namensgeber waren die Kroaten

Ich weiche seit Jahren keinen Zentimeter von meiner Meinung ab und bleibe dabei: Krawatten sind doof.

Es ist das unnützlichste Mode-Accessoir.

Diverse Modelabels wie hier Burberry zeigten auf den Schauen zur aktuellen Modesaison Herbst/Winter 2019/20 ein für Frauen eher ungewohntes Accessoire.
Diverse Modelabels wie hier Burberry zeigten auf den Schauen zur aktuellen Modesaison Herbst/Winter 2019/20 ein für Frauen eher ungewohntes Accessoire.
Bild: Burberry/dpa-tmn

Nach dem Sinn der Binder gefragt, fällt kaum einem Modemacher ein Argument ein. Niemand, schon gar kein Mann, kann erklären, warum der Schlips erfunden wurde oder für was er gut sein soll.

Namensgeber sind scheinbar die Kroaten: Mitte des 17. Jahrhunderts, als Söldner in der französischen Kavallerie von Sonnenkönig Ludwig XIV., diente ihnen die «croatta» dazu, den Uniformkragen zusammenzuhalten.

«Die Krawatte», erklärte mir vor Jahren einmal der ehemalige Zürcher Seidenkönig Andy Stutz, «ist das einzige Kleidungsstück, das den Mann korrekt kleidet; von praktisch und bequem habe ich aber nichts gesagt.»

Gerade weil die Männer einfältig gekleidet seien, sei die Krawatte so wichtig. «Wenn Mann nicht vorteilhaft aussieht, schauen die Leute wenigstens zuerst auf die Krawatte und dann auf den Grind.»

Ohne offensichtliche Funktion

Ich frage mich seit Jahrzehnten: Wieso macht sich eigentlich nie jemand ernsthaft Gedanken über die Abschaffung der Krawatte? Warum wird der Mann seit ewiger Zeit in den uniformen Dresscode gesteckt? Ist es die Strafe dafür, weil die Männer die Frauen in den letzten 2'000 Jahren unterdrückt haben?

Modehistoriker sagen: Die Krawatte ist das einzige Kleidungsstück des Mannes ohne offensichtliche Funktion. Wer die Geschichte des Schlipses verfolgt, erfährt, dass Halsbedeckung bei den Römern als weibisch galt, bevor im 19. Jahrhundert Männer mit nacktem Hals der Homosexualität bezichtigt wurden.

Die herabhängende Krawatte sei ein überdeterminiertes männliches Symbol, notierte kürzlich Jean-Martin Büttner im «Tages-Anzeiger»: «Einerseits wegen ihrer Form, dann aber auch wegen ihrer Konsistenz. Denn der herabhängende Status der Krawatte ist ein Zustand, der am Original des Mannes ebenfalls gelegentlich vorkommt, auch wenn dieser nicht gerne daran erinnert wird. Immerhin darf der Mann bei der Krawatte die Länge selber bestimmen.»

Und darum, liebe Frauen, lasst euch bitte keine Krawatte umbinden.

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