Kolumne Ein Föhnsturm? Unschlagbar!

Von Caroline Fink

27.5.2019

Weit, weiss und wild: das Urner Gletscherplateau des Hüfifirns.
Weit, weiss und wild: das Urner Gletscherplateau des Hüfifirns.
Bild: Caroline Fink

Der Föhn beginnt und endet, wann er will und macht der Planung von Bergabenteuern oft eine dicken Strich durch die Rechnung. Eine Liebeserklärung mit viel Wind.

Die Zeichen stehen auf Föhn. Doch der Föhn ist nicht nur «dr eltist Ürner». Er ist vor allem ein unzuverlässiger Kumpan. Einer, der schwer zu prognostizieren ist. Der beginnt und endet, wann er will, und sich aufführt, wie er will.

Wir sitzen im Flachland vor dem Wetterbericht – dieser spricht von Föhntendenz – und wägen ab, ob wir auf Bergtour sollen oder nicht. Genauer: Ob wir per Tourenski über den Gämsfairenstock zum Claridenpass und weiter über den Hüfifirn zur Planurahütte ziehen sollen, um tags darauf auf das Gross Schärhorn zu steigen und zum Klausenpass abzufahren.

Gar nicht so einfach: vor der Abfahrt abfellen im Föhnsturm.
Gar nicht so einfach: vor der Abfahrt abfellen im Föhnsturm.
Bild:  Caroline Fink

Wir tun es. Und finden uns zwei Tage später auf dem Hüfifirn wider. Auf dieser weissen, weiten Gletscherfläche, an deren Rand sich Felsgipfel wie Schiffsbuge erheben. Mit uns unterwegs: der Föhn!

In seiner ganzen Wucht fegt er über das eisige Hochplateau. Peitscht uns ins Gesicht, zerrt an unseren Hosen und Rucksäcken, als wäre er wütend auf uns. Wir stemmen uns ihm entgegen, Schritt für Schritt, zwei Stunden lang.

Ich verberge mein Gesicht hinter der Kapuzenkrempe. Nur hie und da blicke ich auf. Sehe diese Welt aus Fels und Eis, durch die der Sturm tobt. «So muss es in der Antarktis sein», denke ich mir und versinke im nächsten Moment wieder in der Monotonie des Gehens und der Gedanken.

Bis auf einmal auf einem Felssporn am Rand des Eisschilds ein Punkt auftaucht: die Planurahütte! Als hätte die Welt sie vergessen, steht die Berghütte des SAC hier im Niemandsland, eine Insel der Geborgenheit inmitten des Sturms.

Ein Punkt Geborgenheit inmitten des Hochgebirges: die Planurahütte.
Ein Punkt Geborgenheit inmitten des Hochgebirges: die Planurahütte.
Bild: Caroline Fink

Abends sitzen wir als einzige Gäste in der warmen Stube. Die Hüttenwartin serviert uns Gemüsesuppe, Lasagne und Rüeblitorte mit Zuckerglasur, derweil der Föhn draussen an den Fensterläden rüttelt. Dass wir am nächsten Tag auf kürzestem Weg ins Tal fahren werden, ist uns längst klar. Bei 80 Stundenkilometern Wind auf einen Gipfel zu steigen, wäre sinnlos – und gefährlich. Eine Föhnböe hat die Kraft, einen Menschen umzuwerfen.

«Tja, kein Schärhorn», sage ich zu meiner Freundin, als wir abends am Tisch auf die Landkarte blicken. Sie nickt und zuckt mit den Schultern. «Macht nichts», sagt sie.

Und fügt dann an: «Stell dir vor, Touristen aus einem fernen Land könnten ein Abenteuer-Angebot in der Schweiz buchen. In diesem werden sie auf einen Gletscher im Hochgebirge geführt, erleben dort die Urkraft des Föhns und verbringen dann den Abend und die Nacht in einer gemütlichen Hütte inmitten des Gebirges.»

Wie das wäre? Wir sind uns einig: «Unschlagbar!»

«Silence»: Ein Bildband voller Stille
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