Am Ende der WeltArktis und Antarktis – die Unberührtheit ist bedroht
Antonia Hofmann, dpa
28.10.2018
Das Eis ruft: Kreuzfahrten in Arktis und Antarktis werden immer beliebter. Was bedeutet das für die Tier- und Pflanzenwelt in den entlegenen Regionen? Experten sehen die Umwelt in Gefahr – doch vielleicht birgt die Entwicklung auch Chancen.
Sie zählen zu den unberührtesten Gegenden unserer Erde: Mit ihren verführerischen Schnee- und Eislandschaften und den wilden tierischen Bewohnern üben Arktis und Antarktis eine grosse Anziehungskraft aus. Ausser Forschern drängen seit einigen Jahren auch Touristen immer tiefer in die Gegenden um Nord- und Südpol vor, meist per Schiff.
Kreuzfahrtanbieter versprechen exotische Abenteuer und senden immer neue Schiffe ins Eis. Umweltschützer und Wissenschaftler sehen den wachsenden Polartourismus kritisch. Sie fürchten, dass die sensible Umwelt leiden könnte.
Besucherzahlen aus den Polargebieten erscheinen auf den ersten Blick vergleichsweise harmlos: Die International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO) zum Beispiel verzeichnete im Gebiet rund um den Südpol in der vergangenen Saison knapp 52'000 Besucher, fast alle bereisten das Gebiet per Schiff und setzen dann auch Fuss an Land.
Die Association of Arctic Expedition Cruise Operators (AECO) berichtet von insgesamt 80'000 Kreuzfahrtpassagieren im Jahr 2016 für grosse Teile der Arktis. Zum Vergleich: Die Schweiz zählte von Januar bis Juli 2018 insgesamt 27,2 Millionen Logiernächte.
Viel Wind um nichts?
Viel Wind also um nichts? Nein, denn der Aufwärtstrend ist da: Nach Angaben der IAATO steigen die Antarktis-Besucherzahlen seit Jahren, allein von der vorigen auf die jüngste Saison um 17 Prozent.
«Im Bereich der Südlichen Shetlandinseln und der antarktischen Halbinsel – das kommt einem eher vor wie in der deutschen Nordsee als in der abgelegenen Antarktis», sagt auch Greenpeace-Meeresbiologe und Expeditionsleiter Thilo Maack.
Es gebe immer mehr Kreuzfahrtanbieter, die das Gebiet befahren. Auch in der Arktis boomt das Geschäft: Innerhalb von elf Jahren wuchs die Zahl der Kreuzfahrtpassagiere laut AECO um 60 Prozent.
Immer beliebter werden Expeditionskreuzfahrtschiffe – kleiner, wendiger und flexibler. Platz finden auf ihnen wenn überhaupt nur wenige Hundert Passagiere. Landbesuche gehörten zum Programm dazu. Nach AECO-Angaben vom vergangenen Jahr sollten bis 2020 rund zwei Dutzend neue Expeditionsschiffe in Betrieb gehen.
Mehr Touristen dank weniger Eis?
In der Arktis gilt der Rückgang der Meereisdecke des Arktischen Ozeans als wichtiger Grund für das Plus an Touristen, weil die Strecken immer einfacher zu befahren sind. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) und der Uni Bremen berichten, dass der arktische Ozean überdurchschnittlich viel Meereis verliert: Die Eisdecke werde mit Ende der Sommerschmelze auf 4,4 Millionen Quadratkilometer geschrumpft sein, hatten Forscher im September geschätzt.
«Früher konnte man die Arktis als Tourist lediglich an Bord russischer Atomeisbrecher besuchen», erzählt der Leiter des Deutschen Arktisbüros am AWI, Volker Rachold. «Heute kann man mit einem normalen Aida-Schiff in die Arktis fahren – das heisst, es wird auch für den Massentourismus interessant.»
Wo mehr Angebot, da mehr Nachfrage – noch hat das aber seinen Preis: Eine 14-tägige Spitzbergen-Umrundung etwa kostet schon mal um die 10'000 Franken pro Person. Die hohen Preise haben auch mit Vorschriften zu tun.
So gilt seit Anfang 2017 etwa der sogenannte Polar Code der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation: ein Regelwerk, das Design, Konstruktion und Ausrüstung der Schiffe für Polargewässer vorschreibt – aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Umwelt.
Auch Mitglieder von IAATO und AECO verpflichten sich zur Einhaltung bestimmter Richtlinien, die die Organisationen vorgeben. Und um in die Antarktis reisen zu können, braucht jeder Veranstalter, Tourist, Journalist oder Wissenschaftler eine Genehmigung.
Per se sei der Polartourismus nicht schlecht, sagen Umweltschützer und Forscher. Sie fordern jedoch eine noch stärkere Regulierung. Viele sehr grosse Kreuzfahrtschiffe fahren etwa noch mit Schweröl. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) setzt sich für ein Schweröl-Verbot in der Arktis ein, wie es bereits in der Antarktis gilt. Denn falls bei einem Unfall Öl auslaufe, sinke es sofort ab, sagt NABU-Verkehrsreferentin Beate Klünder.
AWI-Arktisbüroleiter Rachold fügt hinzu: «Das Öl baut sich viel langsamer ab bei den niedrigen Temperaturen.» Ein weiteres Problem sind den Experten zufolge Schiffsabgase. «Sie lagern sich direkt auf Schnee oder Eis ab, der Russ färbt die Gletscher und das Eis schwarz», sagt NABU-Frau Klünder. «Das Sonnenlicht wird nicht mehr reflektiert, das Eis schmilzt viel schneller.»
Kreuzfahrten werden grüner
Aber die Kreuzfahrtindustrie wird grüner: Das norwegische Unternehmen Hurtigruten etwa verzichtet gänzlich auf Schweröl, der deutsche Anbieter Hapag-Lloyd Kreuzfahrten zumindest in den Polargebieten, wie es bei den Unternehmen heisst.
Als Alternative gilt neben Marinediesel etwa LNG (liquefied natural gas), also Flüssigerdgas. Kommendes Jahr soll auch das erste Expeditionskreuzfahrtschiff mit Hybridantrieb in Betrieb gehen: die «Roald Amundsen» von Hurtigruten mit Platz für über 500 Passagiere ist speziell für Polargewässer angelegt. «Das geht in die richtige Richtung», sagt AWI-Forscher Rachold.
2013 schlossen die Arktisstaaten, darunter die USA, Norwegen oder Russland, ein Abkommen zu Vorsorge und Reaktion auf Ölverschmutzungen im Meer in der Arktis. Es ist nicht das einzige: Zahlreiche internationale Übereinkünfte zum Schutz der Polarregionen oder ihrer Besucher sind in den vergangenen Jahrzehnten getroffen worden.
Touristen stören die Tiere
Umweltschützer fürchten dennoch, dass Tourismus die Tiere stören könnte: Pinguine in der Mauser – der Phase, in der sich ihr Federkleid erneuert – seien zum Beispiel wenig aktiv und dürften nicht viel Energie verbrauchen, sagt Greenpeace-Meeresbiologe Maack.
«Jede Störung durch Touristen oder Schiffe sorgt für einen höheren Energieumsatz.» Und für Whale Watching gebe es zwar strenge Vorschriften auf dem Papier – ob diese aber auch eingehalten würden, stehe auf einem anderen Blatt.
Auch den Besuchern können die tierischen Bewohner gefährlich werden. Immer wieder sorgen Vorfälle mit Eisbären für Schlagzeilen, wie zuletzt im Juli ein Fall aus Spitzbergen: Ein Eisbärwächter eines Schiffes von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten wurde von einem der Raubtiere angegriffen und am Kopf verletzt.
Wachleute mussten das Tier laut Veranstalter und Polizei erschiessen. Eisbärwächter sind laut Unternehmen auf Arktis-Reisen vorgeschrieben: Sie sollen vor Landgängen die Gegend inspizieren und sicherstellen, dass keine Eisbären da sind.
Der Mikrokosmos ist bedroht
Kritiker fürchten, dass solche Vorfälle sich häufen könnten. «Das unterstreicht den Ruf danach, den Tourismus stark einzuschränken und zu kontrollieren», sagt Maack. Laut der Biologin und WWF-Artenschutzexpertin Sybille Klenzendorf können Touristen an Land auch einiges kaputt machen: «Ein Fussabdruck auf dem arktischen Tundraboden mit seinen kleinen Flechten bleibt Jahrzehnte», sagt sie.
Mit der Zahl der Touristen – und auch der Forscher – steigt die Gefahr, dass fremde Arten über die Schiffe oder die Besucher in die Region eingeschleppt werden.
Schon vor rund zehn Jahren berichteten Forscher vom Einjährigen Rispengras, das sich von einer Forschungsstation am Antarktis-Nordrand in entlegenere Gebiete ausgebreitet hatte. Touristen werden deshalb angehalten, vor Polarreisen und vor Landgängen Kleidung gründlich zu reinigen und abzureiben.
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Im besten Fall kennt das Publikum die Gefahren. Fragt man die Reiseveranstalter, erzählen sie von interessierten und sensiblen Besuchern. «Das ist nicht der klassische Kreuzfahrtgast», sagt Hurtigruten-Sprecher Arne Karstens.
Traditionell seien Expeditionskreuzfahrer «sehr reiseerfahren und möchten auf diesen Reisen exklusive und authentische Erlebnisse sammeln, die sie auch intellektuell weiterbilden», meint die Pressesprecherin von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Negar Etminan.
Häufig würden an Bord der Expeditionsschiffe deshalb wissenschaftliche Vorträge gehalten. «Viele berichten uns, dass sie durch die Reisen in die Arktis oder Antarktis viel bewusster auf einen nachhaltigen Lebenswandel achten.»
«Das besondere an Expeditionskreuzfahrten ist ja, dass es kein Massentourismus ist», sagt Karstens. «Wenn man mit 400 Gästen in der Antarktis ist, von denen maximal 100 gleichzeitig anlanden, ist das etwas völlig anderes als wenn 2'000 Gäste in Venedig oder Barcelona an Land gehen.»
Tourismus birgt Potenzial
Mehr als die Kreuzfahrt-Touristen fürchtet WWF-Artenschutzexpertin Klenzendorf jene Besucher, die nicht in organisierten Gruppen gehen. «Die, die auf eigene Faust kommen und nicht vorbereitet sind.» Nach Spitzbergen etwa könne man relativ leicht fliegen, sich ein Kajak ausleihen und eine Lizenz beim Touristenbüro besorgen, sagt sie.
In einem Tourismus, der gewisse Standards einhalte, sieht sie auch Potenzia.l Denn der könne in der Arktis durchaus eine Alternative zur Rohstoffentwicklung darstellen, meint sie. «Wenn die Botschaft nach aussen getragen wird, dass die Gebiete schützenswert sind, hat der Tourismus sicher auch Vorteile», resümiert auch der Leiter des Deutschen Arktisbüros am AWI, Volker Rachold. «Beim Massentourismus sehe ich eher die Nachteile.»
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«Unsere Welt ist weitestgehend durchdrungen von Globalisierung und Kapitalisierung», sagt der österreichische Tourismusethiker Harald Friedl von der FH Joanneum in Graz.
Auf ein bisschen Tourismus folge generell meist Massentourismus: Zuerst kämen die Pioniere, die einem Ort symbolische Wert verliehen, dann folgten die Massen, es käme zum Boom und der symbolische Wert schwinde. «Deshalb müssen die Veranstalter immer neue Angebote schaffen und neue Zielgruppen erschliessen.» Und zunehmende Konkurrenz führe zur Frage: «Wo und bei wem kann ich die Kosten drücken?»
Der Reisewillige müsse sich am Ende auch selbst die Frage stellen: «Ist es mir das wert?» Friedl findet: «Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass jeder Mensch ein Anrecht auf jede Reise hat – das ist der absolute Wahnsinn.»
Müllstrudel im Pazifik viel grösser als bislang angenommen
Müllstrudel im Pazifik viel grösser als bisher angenommen
Nicht nur riesige Mengen Abfall belasten die Meere, auch sauerstofflose Gebiete vermehren sich. Diese werden u.a. durch die Algenblüte verursacht. Forscher haben nun mithilfe unbemannter Tauchroboter eine sogenannte Todeszone im Golf von Oman ausfindig gemacht, die in ihren Ausmassen grösser ist als angenommen.
Bild: UEA
Im Wasser treibender Müll vor Hawaii im Jahr 2008. Laut einer Studie ist der Müllstrudel im Pazifik bedeutend grösser als bisher angenommen.
Bild: Keystone/AP/NOAA
Grafische Darstellung des «Great Pacific Garbage Patch (GPGP)» im Pazifik. Wie die von der Stiftung «The Ocean Cleanup» unterstützte Studie bekannt gab, hat die Müllhalde im Ozean eine vier bis 16 Mal grössere Fläche als bisher angenommen.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Nach Schätzung der Forscher dürften sich im zwischen Kalifornien und Hawaii gelegenen GPGP auf einer Fläche von rund 1,6 Millionen Quadratkilometern inzwischen rund 80'000 Tonnen Plastikmüll angesammelt haben.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Etwa 1,8 Billionen Plastikteile sollten hier laut den Forschern im Wasser treiben - und die dürften sich zudem in besonders schädliches Mikroplastik aufspalten. Im Bild: Das Mutterschiff der Expedition, die «Ocean Starr» sammelt im GPGP Proben.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Mehr als drei Viertel des Plastikmülls bestehen laut den Forschern noch aus Stücken, die grösser als 5 Zentimeter sind.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Fischernetze würden mindestens 46 Prozent des Mülls ausmachen.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Der Leiter der Studie, der Ozeanologe Laurent Lebreton von der Stiftung «The Ocean Cleanup», sagte gegenüber der BBC, die Ergebnisse zeigten, wie dringlich es sei zu verhindern, dass weiteres Plastik in die Meere gelange.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Ausserdem müsse man damit beginnen, das «existierende Chaos» aufzuräumen.
Bild: Keystone/EPA/The Ocean Cleanup
Der 1994 geborene Niederländer Bojan Slat will in 2018 mit seinem Projekt «The Ocean Cleanup» beginnen und die Meere vom Plastikmüll säubern.
Bild: Keystone
Die Technik hinter «The Ocean Cleanup»: Auf den Meeren sollen riesige Barrieren den Plastikmüll aufhalten und einsammeln.
Bild: Keystone
Die Barrieren schwimmen im Ozean. Treibanker halten sie in Position.
Bild: Keystone
Schiffe sollen regelmässig den an den Barrieren angeschwemmten Müll abholen kommen und ihn einer ordentlichen Entsorgung zukommen lassen.
Bild: Keystone
Slat und «The Ocean Cleanup» sind der Meinung, dass man auf diesem Wege 50 Prozent des Mülls im GPGP innert fünf Jahren einsammeln kann.
Swiss will im Sommer pünktlicher werden und Kunden besser begleiten
Für die Swiss dürfte es am Flughafen Zürich im Sommer wieder hoch hergehen. Die Fluggesellschaft erwartet in den kommenden Monaten nochmals rund 10 Prozent mehr Passagiere als im Vorjahr.
01.07.2024
Kuoni-Besitzerin DER Touristik Suisse macht mehr Umsatz und Gewinn
Insgesamt hat DER Touristik Suisse im vergangenen Jahr den Umsatz auf 590 Millionen Franken gesteigert. Das sei ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Jahr 2022, teilte die Kuoni-Besitzerin am Dienstag mit. Die Reiselust nach der Pandemie sei auch für das Jahr 2024 ungebrochen.
09.04.2024
Freitag und Donnerstag: Streikwelle bremst Flugverkehr aus
Berlin/Frankfurt, 13.03.24: Zehntausende Passagiere müssen sich in den kommenden Tagen erneut auf Flugstreichungen und Verspätungen einstellen. Die Gewerkschaft Verdi hat zu Warnstreiks des Luftsicherheitspersonals an fünf deutschen Flughäfen aufgerufen.
Am Donnerstag sind die Flughäfen Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe/Baden-Baden, Köln und Berlin betroffen.
Nach Schätzungen des Flughafenverbandes ADV sind allein davon etwa 90 000 Reisende betroffen, mehr als 580 Flugverbindungen dürften abgesagt werden.
Nachwehen könnte zudem der zweitägige Streik des Lufthansa-Kabinenpersonals in Frankfurt und München haben.
Und was noch dazu kommt: Auch an diesem Freitag können Fluggäste in Deutschland nicht überall damit rechnen, wie geplant ans Ziel zu kommen: Verdi hat auch für Freitag zu weiteren Warnstreiks des Luftsicherheitspersonals aufgerufen.
Dann soll es nach Angaben von Verdi nach und nach die fünf Flughäfen Hannover, Dortmund, Weeze, Dresden und Leipzig treffen.
14.03.2024
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