75 Jahre D-Day – auf Spurensuche in der Normandie

von Sabine Glaubitz, dpa

6.6.2019

Vor 75 Jahren sind die Alliierten in der Normandie gelandet, um Europa von den Nazis zu befreien. Die Spuren heftiger Kämpfe sind allgegenwärtig – trotz der Idylle der malerischen Küstenlandschaft.

Sattgrüne Wiesen, Pferdekoppeln und Apfelbäume: Hiesville ist eine fast perfekte Idylle. Doch Gedenktafeln und Stele erinnern daran, dass das 70-Seelen-Dorf Schauplatz dramatischer Ereignisse war. Über Hiesville an der französischen Kanalküste sprangen 1944 während der Nacht vom 5. auf den 6. Juni Hunderte amerikanischer Fallschirmspringer ab.

«Bis zu 2000 US-Fallschirmspringer der 101. Airborne Division sollen über dem Dorf abgesprungen sein», berichtet Daniel Briard. Der 74-Jährige ist Präsident der Vereinigung U.S. Normandie. Er hat an dem Rundweg in Hiesville mitgewirkt, der an den D-Day erinnert. Jenen 6. Juni vor 75 Jahren, an dem an der Normandieküste eine der grössten Invasionsflotten aller Zeiten anrückte.

Geschichtlicher Exkurs

Mehr als 150'000 Soldaten gingen an Land, um Europa vom Naziregime zu befreien. Mehr als 5'000 Briten und Franzosen landeten an den Küstenabschnitten Sword Beach und Gold Beach, über 20'000 Kanadier auf dem Juno-Beach und etwa 58'000 US-Wehrpflichtige an den Stränden Omaha und Utah. Über Hiesville und Sainte-Mère-Église sprangen die ersten US-Fallschirmspringer der 101. Airborne Division ab. Viele landeten weitab von der ihnen ursprünglich zugewiesenen Zone, verirrten sich und verhedderten sich in Bäumen.

In Sainte-Mère-Église landeten einige mitten im Dorf – einer von ihnen war John Steele. Er blieb stundenlang auf dem Kirchendach hängen. In dem amerikanischen Film «Der längste Tag» werden diese Ereignisse rekonstruiert. Seitdem ist der Ort weltberühmt und schlachtet die Erinnerungen mit Fallschirmspringer-Souvenirs kommerziell ungeniert aus. Steele hängt als Puppe auf dem Kirchendach.

Stille Art der Erinnerung

In Hiesville erinnert man sich auf stillere Art an die Landung. Der Rundgang beginnt vor einer Stele, die dem Stabsoffizier Don F. Pratt gedenkt. «Er war der erste Generaloffizier der alliierten Streitkräfte, der sein Leben für die Befreiung Frankreichs gelassen hat», ist darauf zu lesen. Das war am 6. Juni um 4 Uhr morgens.

«Jedes Haus und jeder Maulwurfshügel kann ein Drama erzählen», sagt Briad auf der Führung vorbei an herrschaftlichen Anwesen, die von den Alliierten in Hauptquartiere oder Notfallstationen umfunktioniert wurden. Wie «La Baumé», heute ein Ferienhaus.

Viele der amerikanischen Toten wurden später in Colleville-sur-Mer begraben, auf dem Abschnitt Omaha Beach. Mehr als 9000 perfekt aneinandergereihte weisse Grabkreuze erinnern daran, dass die amerikanischen Truppen hier herbe Verluste erlitten.

Halbinsel Cotentin

Militärfahrzeuge, Bunker, Soldatenfriedhöfe, Museen und Gedenkorte entlang des Küstenstreifens der Halbinsel Cotentin halten die Erinnerung an die Ereignisse vor 75 Jahren wach. Eines ist das Memorial in Montormel, das Museum der letzten Schlacht. Der Rundbau zwischen Chambois und Vimoutiers liegt auf dem Hügel Mont Ormel. Im 360-Grad-Modus schweift der Blick über eine liebliche Landschaft.

In der Nacht vom 18. auf 19. August hatten 150'000 Alliierte rund 100'000 deutsche Soldaten im Kessel von Falaise eingeschlossen. Das sei ein wahres Massaker gewesen, erzählt der Direktor des Memorials, Stéphane Jonot, 48. Die Schlacht dauerte vier Tage. Mehr als 10'000 deutsche Wehrpflichtige wurden getötet, über 40'000 verletzt.

«Mit Bulldozern mussten die Menschenkadaver und mehrere Tausend tote Soldatenpferde begraben werden», sagt Jonot. Wie Zeitzeugen berichteten, habe der Verwesungsgestank Millionen von Fliegen angezogen, riesige schwarze Wolken in der Luft.

Die Schlacht am 21. August war die grösste Niederlage der deutschen Wehrmacht. Sie ist zum Symbol für den Sieg im Westen geworden – und für den Beginn vom Ende des Zweiten Weltkriegs. Nur wenige Tage später wurde Paris von der deutschen Besetzung befreit.

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