Von Facebook zu TiktokSo nutzten Jugendliche Medien in den letzten zehn Jahren
Von Michael InAlbon
29.3.2022
Die Smartphone-Nutzung hat sich verdoppelt und bei erotischen Inhalten gleichen sich die Geschlechter an. Der neue JamesFocus-Bericht zeigt, wie sich das Medienverhalten von Jugendlichen in den letzten zehn Jahren verändert hat.
Von Michael InAlbon
29.03.2022, 06:38
07.04.2022, 15:09
Michael InAlbon
Wie gut erinnerst du dich an das Jahr 2010?
An eine Zeit, in der du vielleicht noch ein Handy ohne Internetzugang hattest – oder dann nur mit Abo mit begrenztem Datenvolumen.
Seit dieser Zeit gibt es die James-Studie. Alle zwei Jahre werden rund 1000 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren zu ihrem Medienverhalten befragt.
Die Studie kann jetzt, nach sechs Datenerhebungen, Trends und Entwicklungen der jugendlichen Mediennutzung nachvollziehen. Wir haben für dich die wichtigsten Erkenntnisse der letzten zehn Jahre zusammengefasst:
1. 99 Prozent nutzen täglich ihre Smartphones
Jugendliche waren 2020 deutlich stärker digital vernetzt als vor zehn Jahren. Während zu Beginn der Messungen die Hälfte täglich oder mehrmals wöchentlich ein Smartphone in der Hand hielt, sind es heute 99 Prozent (!).
Die Kehrseite dieser Konnektivität oder Verbindungsfähigkeit: Die Jugendlichen sind heute ständig erreichbar.
Der Kommunikationsfluss reisst nie ab und viele fühlen sich gezwungen, das eigene Leben mit Video und Fotos zu dokumentieren. Dieses Phänomen nennt sich «Fear of Missing Out», oder auch «FOMO», und beschreibt die Angst, etwas zu verpassen. Hier brauchen die Jugendlichen neue Kompetenzen, um mit diesen Gefahren umgehen zu können, so die Studienautorinnen und -autoren.
Zehn Jahre JamesFocus-Studie
Seit 2010 werden in der James-Studie von der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag von Swisscom alle zwei Jahre über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medien-Nutzungsverhalten befragt. Die JamesFocus-Reihe nutzt die Daten der James-Studie und analysiert vertieft weitere Aspekte.
2. Lieber nichts tun als Freunde treffen
2010 gaben rund drei Viertel der Befragten an, sich fast täglich mit jemandem zu treffen. Im Verlaufe des Jahrzehnts sank diese Zahl auf 60 Prozent. «Freunde treffen» verlor so seinen Spitzenplatz als beliebtester Freizeitvertrieb. Immer mehr Jugendliche berichten zudem von Stress.
Was sie deshalb besonders gerne tun: Nichts.
«Das Bedürfnis zu Chillen ist angesichts der digitalen Hochgeschwindigkeitsgesellschaft eine wichtige Strategie, um Energie tanken zu können», so die Studienautorinnen und -autoren. Zugleich gehört das Chillen aber auch zu einem ausgeglichenen Alltag, der eben nicht nur von Hektik und Leistungsdruck geprägt sein sollte, sondern auch Inseln bietet, auf denen man entspannen kann.
3. Zeig mir dein Smartphone und ich sag dir, wer du bist
Jugendliche entscheiden zunehmend selbst, was sie wann und auf welchen Kanälen sehen oder hören möchten: Streamingdienste wie Netflix oder Spotify legen zu, TV oder Radio, die ein fixes Programm bieten, werden weniger genutzt.
Die einfach zu bedienenden Apps der Plattformen vereinfachen deren Nutzung zusätzlich. Die Anwendungen haben aber mehr als nur praktische Vorzüge: «Welche Apps ich auf meinem Smartphone installiert habe, wird zu einem Ausdruck meiner individuellen Persönlichkeit», lässt sich Studienmitautorin Lilian Suter in der Medienmitteilung zitieren.
4. Das Geld schafft einen Graben
Wer aus finanziell besseren Verhältnissen stammt, nutzt andere Medien: Jugendliche aus soziökonomisch besser gestellten Haushalten können sich beispielsweise öfter Zeitungs- und Zeitschriften-Abos leisten. «Digital Divide» nennen die Forschenden dieses Phänomen.
5. Social Media immer und überall
Nicht betroffen vom «Digital Divide» ist Social Media – Posts kosten nichts. Die Jugendlichen sind heute auf mehr sozialen Plattformen präsent. Instagram und Snapchat sind die beliebtesten Plattformen, aber TikTok und Pinterest haben in den vergangenen Jahren enorm aufgeholt. Facebook ist für die Kinder und Jugendlichen definitiv out, ebenso wie Twitter.
6. Das Internet, der Tod des Buchs? Mitnichten!
Was konstant blieb: Bücher lesen. Die Jugendlichen lesen nicht weniger als noch vor zehn Jahren. Das liege, so die Forschenden, wohl daran, dass man für das Lesen bewusst Zeit investieren muss, um ein Buch geniessen zu können.
Denselben Mechanismus führen die Studienautorinnen und -autoren auch bei Videospielen an. Was auch konstant bleibt, ist der Geschlechter-Unterschied: Computerspiele bleiben beliebt bei Jungs, Mädchen lesen öfter Bücher.
7. Erotik und Pornografie: Die Geschlechterunterschiede gleichen sich aus
Stereotype Rollenbilder verlieren in den Bereichen Sex, Erotik und Pornografie hingegen an Bedeutung: Weiblichkeit und Erotik werden von Mädchen selbstbewusst im digitalen Alltag eingebettet.
Das heisst: Für viele Mädchen ist das Posten von freizügigen Bildern in sozialen Medien vergleichbar mit ihren Outfits für den Ausgang. Aber auch der Pornografie-Konsum gleicht sich an: Während der Anteil an Mädchen, der industriell hergestellte Erotikfilme konsumiert, von 16 auf 27 Prozent stieg, sank er bei Jungs von 73 auf 57 Prozent.
Co-Studienleiter Gregor Waller erklärt: «Wir gehen davon aus, dass Konsumpräferenzen immer weniger mit Geschlechterrollen, sondern mehr mit persönlichen Vorlieben zusammenhängen.» Ausserdem produziert die Industrie immer mehr «female friendly» Filme, welche die Rollen von Frau und Mann weniger stereotyp darstellen.
Über den Nachhaltigkeitsblog
Michael In Albon ist Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom.
Im Nachhaltigkeitsblog erhältst du von Swisscom-Mitarbeitenden und Experten aktuelle Informationen über einen nachhaltigen Lebensstil und zu einem kompetenten Umgang mit neuen Medien. Das blue News-Portal ist eine Unternehmenseinheit der Swisscom (Schweiz) AG.