Dschungel der AlternativmedizinWundersuche – Von Heilern, Geblendeten und Scharlatanen
dpa
14.1.2019
Sein persönliches Schicksal bringt Thomas Bruckner auf eine Reise zu angeblich alternativen Heilern mit ihren ganz eigenen Methoden. Manches klingt sehr bizarr. Zwar sind die Eindrücke in fremde Welten interessant –doch der Autor scheitert am eigenen Anspruch.
Was treibt einen Menschen zu einem Vodoo-Priester, einem Schamanen, einer Handauflegerin und einem Kartoffelbauer mit sechstem Sinn? Ein Hirntumor. Der Autor Thomas Bruckner will nach dieser Diagnose nicht den direkten, einfachen, schulmedizinischen Weg gehen und sich operieren lassen.
Er entscheidet sich stattdessen dafür, andere mögliche Wege der Heilung zu suchen. In «Wundersuche. Von Heilern, Geblendeten und Scharlatanen» beschreibt er seine Geschichte. Er selbst spricht von «Aufzeichnungen eines Menschen, der sich aus einer Notsituation heraus mit Herz und Hirn gleichermassen an die Grenzen des Erklärbaren heranwagte, um neue Erkenntnisse und Gesundheit zu erlangen».
Die knapp 250 Seiten lesen sich wie ein Tagebuch. Bruckner berichtet von Reisen nach Brasilien und Togo, auf die Philippinen und in die österreichische Provinz. Er beschreibt die verschiedenen Prozeduren, die er beobachtet oder am eigenen Leibe spürt. Bei den Darstellungen wird er manchmal sehr plastisch, so dass der Leser einen robusten Magen braucht.
Über die Praktiken eines John of God etwa heisst es: «Mit einem Skalpell schneidet er bei diesen Operationen tief ins Fleisch der Patienten und reisst mittels sonderbaren Haken gallertartige Geschwülste aus den Wunden (...).» Dann wieder greift er zu einer Metaphernwahl wie in Kitschromanen: «Serotonin kroch zäh wie Honig durch meine Blutbahnen.»
Dass das Buch in der Ich-Perspektive geschrieben ist und das persönliche Schicksal Bruckners erzählt, macht die Geschichte sehr nahbar und emotional – bedingt die Schilderungen von Gedanken und Gefühlen natürlich auch. Allerdings wären an einigen Stellen wissenschaftliche Einordnung und Hintergrundinformationen wünschenswert.
Vom eigenen Verstand besessen
Zwar betont Bruckner immer wieder, dass er Journalist ist, die Angaben der vermeintlichen Wunderheiler grösstenteils kritisch hinterfragen und die Leute immer wieder überprüfen will. Er schildert beispielsweise sein Vorhaben, vor einem Gespräch quasi zur Salzsäule zu erstarren und seinem Gegenüber nicht im Gespräch mit seiner Mimik Details zu verraten, die jener nachher als geheimes Wissen verkaufen kann.
Doch mal gaukelt er vor, ein Gesundheitszentrum gründen zu wollen, um angebliche Wunderheiler aus der Reserve zu locken. Mal fragt er sich, ob alles Einbildung sei. Mal erstellt er eigene Theorien zur Erklärung vermeintlicher Wirkungen. Und am Ende hält er sich selbst für besessen – von seinem eigenen Verstand.
Die Grenzen zwischen neutraler Sachlichkeit und persönlichen Eindrücken und Analysen sind also fliessend. Das ist einerseits bei der Ausgangslage – ein Kranker sucht nach Heilmethoden und schreibt darüber– natürlich völlig verständlich. Bruckner gelingt der Spagat aber nicht, die Herangehensweise und (bisweilen) Machenschaften angeblicher Wunderheiler sachlich zu hinterfragen und darzustellen.
Tipp oder Warnung?
Das aber ist sein selbsterklärtes Ziel. An einer Stelle schreibt Bruckner vom Trotz gegenüber dem Tumor, der sein Leben zu bestimmen scheine. Vielmehr scheinen sein selbst auferlegter Trip durch die Wunderheilerei und somit er sich und sein Leben zu bestimmen.
Interessant sind die Eindrücke, die der Autor aus den verschiedenen Heilansätzen beschreibt, aber durchaus. Manchem Leser mögen sie vielleicht sogar helfen - als Tipp oder als Warnung; beides ist denkbar. Und womöglich liegt er auch mit der These richtig, beinahe jedes Dorf scheine eine «mehr oder weniger kuriose Alternative zum herkömmlichen Schulmediziner zu haben».
Zum Buch:
Thomas Bruckner: «Wundersuche. Von Heilern, Geblendeten und Scharlatanen», 304 Seiten, erschienen im Picus Verlag, ISBN-13: 978-3711720672, ab 22.00 CHF
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