Geld ausgeben mit KarpiWie die Gewichtsdecke meinen Schlaf verdichtet
Von Patrick «Karpi» Karpiczenko
23.9.2020
Ist der Kontostand hoch und der Schlaf schlecht? Die Gewichtsdecke oder Weighted Blanket hilft bei beidem, findet Gastautor Patrick «Karpi» Karpiczenko. Und hat seither eine Umarmung zum Reinliegen.
Wer kennt es nicht? Man hat zu viel Geld und kann nicht einschlafen. Die Lösung für beide Probleme liegt in der Anschaffung einer Gewichtsdecke, oder Weighted Blanket, wie sie die Werbung auf Instagram anpreist.
262 Franken später fühlte sich mein Bankkonto gleich viel leichter an – und ich fühlte mich schwer. Denn die Gewichtsdecke ist massiv. Empfohlen wird eine Decke, deren Gewicht 10 Prozent vom eigenen Körpergewicht ausmacht. Nur so funktioniere die «Tiefenberührungsdruckstimulation». Meine Decke wiegt mit ihren 9 Kilogramm so viel wie ein ausgewachsener Dackel.
Ursprünglich als Therapiedecke für Patienten mit Angststörungen entwickelt, simuliert die Gewichtsdecke «das Gefühl festgehalten oder umarmt zu werden». Eine Umarmung zum Reinliegen also. Die Gewichtsdecke scheint das perfekte Gegenstück zu meinem Body-Pillow zu sein – Nacht für Nacht kann ich entscheiden, ob ich drücken oder gedrückt werden will.
Pressure pushing down on me, Pressing down on you, no man ask for Under Pressure Mmmnum ba de Dum bum a be – Under Pressure, Queen & David Bowie
Zwang zum Innezuhalten
Aber ist Druck nicht was Schlechtes? Bekomme ich tagsüber im Büro nicht schon genug Druck? Sollten wir den Druck nicht lieber reduzieren, statt ihn auch noch ins Bett zu nehmen?
Falsch.
Druck ist, was uns zusammenhält. Nur konstanter Druck hält uns davon ab, auseinanderzufleddern wie ein Blobfisch, den man aus seiner gewohnten Umgebung zwei Kilometer unter der Meeresoberfläche hebt.
Die Decke ist kein Spielzeug. Der Hersteller empfiehlt, den ersten Aufenthalt darunter kurz zu halten: «Nur 15 Minuten lang und danach steigern.» Rebellisch wie ich bin, blieb ich 20 Minuten. Ich lebe am Limit.
Kaum lag die flauschige Decke auf mir, hörte ich auf zu zappeln. Sie zwang mich innezuhalten und limitierte meinen Bewegungsspielraum so fest, dass ich ohne Kraftaufwand kaum mehr nach dem Smartphone greifen konnte. Ich entschloss, es auf dem Nachttisch zu lassen und fühlte mich sogleich entspannter. Die Gewichtsdecke wirkte. Ich spürte, wie tausend Glasperlen im Innern der Decke auf meinen müden Körper pressten. Die Produktion von Serotonin und Melatonin regte sich an. Mein Cortisol-Spiegel senkte sich. Es war, als ob ich von einem Rudel Hundewelpen sanft in den Schlaf gewürgt wurde. Es war himmlisch.
Ich drehte den Kopf. Im Bettchen neben mir lag unsere drei Wochen alte Tochter. Sie trug drei Schichten Kleider, war eng in ein Tuch gewickelt und sah aus wie ein Dürüm. Auch sie konnte sich nicht bewegen. Auch sie genoss den Druck sichtlich.
Was für Babies und Menschen mit Angststörungen funktioniert, kann auch für mich nicht verkehrt sein, dachte ich mir und entschloss in dem Moment, jede Nacht unter der Gewichtsdecke zu schlafen.
Ich träume seither dichter.
Karpi ist Autor, Regisseur und Komiker. Er ist von keiner Gewichtsdecke gesponsert – sollte aber.