MuttermilchWas, die stillt dieses grosse Kind noch immer?
Von Michelle de Oliveira
22.1.2023
Eines der emotionalsten Themen in Sachen Kindererziehung steht gleich zu Beginn des Jahres an: das Stillen. Oder eben auch nicht stillen. Die Autorin muss sich eingestehen, dass auch sie über andere vorschnell urteilt.
Von Michelle de Oliveira
22.01.2023, 15:45
Michelle de Oliveira
Es gibt Themen, die polarisieren stets und es scheint egal, wie man es macht, man macht es nicht richtig. Oder in diesem Fall frau. Es geht um das Stillen. Jede und jeder hat eine Meinung dazu und teilt diese auch ungefragt.
«Leider wird selbst das Stillen in der modernen und egoismusgeprägten Welt als etwas gesehen, das man entweder gern macht oder nicht. Als sei es eine Entscheidungsfrage.»
Solche generalisierten Aussagen lassen mich immer leicht zusammenzucken.
Was, die stillt dieses grosse Kind noch immer?
Ich habe mich – selber ehemals stillende Mutter – für sehr liberal gehalten, was dieses Thema angeht. Soll jede so machen, wie es für sie und das Kind stimmt, dachte ich. Bis ich mich vor kurzem selbst dabei erwischt habe, mir heimlich ein Urteil über eine andere Mutter zu erlauben.
Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg
Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Seit Kurzem lebt sie mit ihrer Familie in Portugal.
Und zwar habe ich auf Instagram gesehen, dass eine Bekannte ihr Kind, das gute fünf Jahre alt ist, stillt.
Ich habe in diesem Satz jetzt bewusst das Wörtchen «noch» weggelassen. Obwohl das genau meine Reaktion gewesen war.
Was, die stillt dieses grosse Kind noch immer?
Offenbar ist sie solche Reaktionen gewohnt, weil sie zum Bild schrieb: «Wir finden es seltsam, grössere Kinder zu stillen, aber finden es völlig normal, ihnen die Milch einer anderen Mutter, der Kuh, zu geben.»
Das stimmte mich nachdenklich. Weil, recht hat sie, finde ich. Klar trinkt dann das Kind nicht vom Euter der Kuh, aber Milch ist es doch. Und dass Muttermilch gut ist für das Kind, daran gibt es wohl keine Zweifel.
«Hattest du zu wenig Milch?»
Ich selbst habe zwei unterschiedliche Erlebnisse mit dem Stillen. Mein erstes Kind stillte ich nach knapp vier Monaten ab. «Hattest du zu wenig Milch?», war eine Frage, die mir nicht nur von Fachpersonen, sondern auch von anderen Müttern und auch sonst generell mehrfach gestellt wurde.
Eine durchaus intime Frage, wie ich finde. Weil ich aber für einen offenen Umgang mit solchen Themen bin, antwortete ich wahrheitsgetreu: «Im Gegenteil, viel zu viel.»
Die häufigste Reaktion: «Aber das ist doch super, ich wünschte, bei mir wäre das so gewesen.» Dass ich in diesen vier Monaten fünf Mal unter extrem schmerzhaften Brustentzündungen mit 40 Grad Fieber gelitten hatte, behielt ich dann für mich. Was bringt es, dachte ich, es wissen es sowieso alle besser.
Als ich mich damals im Internet über Milchpulver für Babys informierte, musste ich auf jeder Seite erst bestätigen, dass ich den Warnhinweis gelesen hatte.
Darauf stand ausführlich beschrieben, dass Stillen absolut das Beste für das Kind ist. Das mag richtig sein, aber einer Mutter das Gefühl zu geben, sie würde versagen, weil sie abstillen will, ist sicher nicht richtig.
Meine Hebamme sagte damals zu mir: «Ob du stillst oder nicht, entscheidet nicht darüber, ob du eine gute Mutter bist oder nicht.» Das hat mir enorm viel Druck genommen und tatsächlich war ich nach dem Abstillen viel entspannter als zuvor.
Mein zweites Kind stillte ich neun Monate lang. Sie hatte die Flasche stets abgelehnt und das Stillen brachte weniger Komplikationen mit sich.
Ob sie nun das glücklichere oder gesündere Kind ist, weil sie länger gestillt wurde? Das glaube ich ganz und gar nicht. Aber ich weiss, dass ich glücklicher gewesen wäre, würde um das Stillen nicht so eine grosse Sache gemacht werden. Und ich nehme mir ganz fest vor, selbst auch nicht mehr zu urteilen. Stillen und nicht stillen lassen, eben.
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