MilimeterarbeitWarum das Bearbeiten von Bündner Granit viel Fingerspitzengefühl braucht
Von Alexandra Rozkosny
19.2.2021
Stein zu bearbeiten braucht Zeit und viel Fingerspitzengefühl. Denn jeder Block, jede Platte ist ein wenig anders. Das fasziniert Alessio Paganini, Inhaber einer kleine Steinverarbeitungsfirma im Puschlav.
«Stein kann man nicht beliebig schneiden, er hat eine innere Struktur. Die muss man beachten, sonst zerspringt er. Also auch beidem im unteren Puschlav typischen Zalende, einen grünlich schimmernden, von haarigen Strukturen durchsetzen Metabasit.
Ihn und den einzigen echten Bündner Granit, der Campascio, baut unsere Familie seit bald 70 Jahren in eigenen, nahe gelegenen Steinbrüchen ab. Darum hat unsere Firma ihre Werkstatt für die Steinbearbeitung hier im Puschlav, kaum zwei Kilometer von der italienischen Grenze entfernt und durch den Berninapass vom Rest der Schweiz getrennt. Mein Grossvater hat mit einigen Maschinen angefangen, nach und nach konnte er Gelände dazu kaufen.
Natürlich bieten wir auch viele ausländische Steinsorten an – Granite, Gneise, Marmor. Aber für mich ist es das Schönste, den Stein vom Abbruch bis zum fertigen Produkt bearbeiten zu können.
Der wichtigste Schritt passiert nämlich gleich beim Sprengen selber. Wir benutzen dafür beim Granit Schwarzpulver, nicht Dynamit. So verläuft der Bruch entlang der natürlichen Schwächelinien im Fels. Dann muss man sofort schauen, wo diese sind und sie am Block markieren.
Mal weicher, mal härter
Wenn der Block nachher beim Verladen gedreht wird, ist es bei echtem Granit fast unmöglich, diese Linien zu erkennen. Und wenn du dann in der falschen Richtung fräst, kann man die Platte nachher nicht für jede Arbeit verwenden. Auch ist jeder Block wieder ein bisschen anders, mal weicher, mal härter als erwartet.
Wenn ich den Stein schon als Rohblock bearbeitet habe, kann ich die Maschinen nachher richtig einstellen. Jemand, der eine Platte einfach so unter die Fräse legt, ohne auf die Steinart und Steinbeschaffenheit zu achten, stellt die Maschine auf Standard. Und dann gehen entweder der Stein oder die Maschine irgendwann kaputt.
Wir können hier eigentlich fast alles aus Naturstein herstellen, was man sich wünscht; das fasziniert mich. Die Vielseitigkeit ist selten geworden in der Schweiz. Aber am häufigsten gefragt sind Küchenabdeckungen. Die Krux dabei ist, das Loch und die Aussparung für den Falz bei der flächenbündig zu montierende Herdplatte millimetergenau auszufräsen. Dazu benutzen wir Schablonen.
Bis vor etwa 10, 15 Jahren gab es pro Hersteller drei bis vier Herdmodelle. Heute sind es 40 bis 50, und es kommen jedes Jahr zwei bis drei Modelle hinzu. Die Schablonen dafür müssen wir teuer herstellen lassen und die alten regelmässig erneuern. Bei vielen Modellen braucht es sogar zwei Schablonen.
Zeit für grössere Aufträge
Da begannen mein Vater und ich zu rechnen. Uns wurde klar: Entweder, wir investieren, oder wir müssen bald zumachen. Der Konkurrenzdruck aus Italien ist riesig. Wir sind wegen der Handarbeit oft 10 bis 15 Prozent teurer. Nicht viel – aber das gibt meist den Ausschlag. Kunden, die «Made in Switzerland» über alles stellen, sind selten. Und so entschieden wir uns, eine CNC-Fräse zu kaufen. Sie soll auch Gravuren machen können.
Unter den CNC-Fräsen sind jene für Stein quasi die Königinnen, sie müssen äusserst stabil gebaut sein. Und keine kann alles, man muss gut überlegen, für was man sie braucht.
Ich war immer gegen solche Automaten, aber Schweizer Handarbeit ist einfach zu teuer. Die CNC-Maschine wird – wie wir auch – etwa vier Stunden brauchen, um die Aussparung in die Küchenabdeckung zu fräsen und Abtropfwannen zu polieren. Aber einmal richtig eingestellt, macht sie alle Arbeitsschritte selbständig. In der Zeit können wir andere Sachen machen und hoffentlich grössere Aufträge annehmen.»
Diese Reportage erschien zuerst auf der Internetseite der «Schweizer Berghilfe». Die kleine Steinverarbeitungsfirma Paganini Crap muss sich mit der internationalen Konkurrenz messen. Und: Die Italiener sind günstiger. Um effizienter und preiswerter zu werden, investiert die Firma mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe in eine CNC-Maschine mit neigbarem Tisch. Ein Novum für einen so kleinen Betrieb.