Steven Schneider «Meine Frau kennt nicht alle meine Frauengeschichten»
Von Bruno Bötschi
9.4.2019
Die wöchentliche Paarkolumne, die er seit 19 Jahren zusammen mit seiner Frau Sybil Schreiber schreibt, ist Kult. Jetzt hat Steven Schneider ein Buch über die Liebe geschrieben – und über Superhelden.
Herr Schneider, seit wie vielen Jahren sind Sie verheiratet? Sybil und ich sind seit 20 oder 21 Jahren zusammen.
Nervt es Ihre Frau, dass Sie nicht genau wissen, wann Sie zusammengekommen sind? Nein, das Datum ist ihr, genauso wie mir, nicht wichtig.
Was liebt Ihre Frau besonders an Ihnen? Sie findet meine Handgelenke super. Ich bin zudem ein Mensch, der ständig neue Ideen hat. Viele mögen das nicht, meine Frau hingegen sehr. Und sie mag mein Füdli, aber das sollte ich vielleicht besser nicht erwähnen. Ich hege übrigens den Verdacht, dass meine Frau nicht so vieles gut findet an mir und sich deshalb auf solche Details fokussiert.
Machte Ihre Frau einen besseren Mann aus Ihnen? Ja sicher, absolut ... genauso wie ich meine Frau zu einem besseren Menschen gemacht habe. Wir brachten, wir bringen uns gegenseitig weiter.
Inwiefern machte Ihre Frau Sie besser? Sybil ist ein Mensch, der nie Vorwürfe macht. Und sie ist sehr empathisch und aufmerksam gegenüber ihren Mitmenschen.
Ihre Frau sagt also nie: «Steven, Du hast schon wieder vergessen, die Küche zu putzen»? Nein. Meine Frau würde viel subtiler vorgehen und ganz ohne vorwurfsvollen Ton in der Stimme.
In Ihrem neuen Buch «Wir Superhelden – Kleiner Kursus für Kerle zu Liebe und Leben» erzählen Sie von Ihren Frauengeschichten. Wie begeistert ist Ihre Frau davon? Sie kannte sie bereits und findet sie lustig – schliesslich hatte sie vor mir auch Geschichten mit anderen Männern. Ich denke, ich bin auch deshalb mit meiner heutigen Frau zusammengekommen, weil ich alle diese Erfahrungen gemacht habe, machen musste. Und noch etwas: Meine Frau kennt nicht alle meine Frauengeschichten, genauso wenig wie ich ihre Männergeschichten alle kenne. Und das ist gut so. Ich finde, jeder Mensch sollte seine Geheimnisse haben.
Sie mussten also wegen der beschriebenen vorehelichen Frauengeschichten nicht auf den im Buch publizierten «Notfallzettel für die Beziehung» zurückgreifen? Nein, musste ich nicht – ganz im Gegensatz zum Anfang unserer Beziehung. Wir brauchten sehr viel Zeit, bis wir zueinander fanden. Es waren einige Auseinandersetzungen nötig.
Warum? Wir passen rein äusserlich nicht zusammen. Wir passen von der Herkunft nicht zusammen. Meine Frau kommt aus einer Akademikerfamilie, ich bin ein Arbeiterkind. Es prallten zwei Welten aufeinander, die erst aufgebrochen werden mussten. Es dauerte ziemlich lange, bis wir zu jenen Kernen vorstiessen, die wunderbar zusammen funktionieren.
Sie haben bisher, zumindest hat meine Suche im Internet nichts ergeben, noch nie etwas über Helden geschrieben. Wieso befassen Sie sich gerade jetzt mit dem Thema? Hat es mit Ihrem Alter zu tun? Wer weiss – vielleicht liegt es auch nur daran, dass «Held» ein belastetes Wort ist. Ich sagte allen zwölf Interviewpartnern, der Titel meines Buches werde «Wir Superhelden» sein. Niemand fand diesen Titel gut. Das Wort «Held» hat ein schlechtes Image. Am Ende wählte ich den Titel dennoch, auch ein kleines bisschen aus Trotz.
Welche Beziehung haben Sie zu Helden? Seit einigen Jahren schaue ich mit meinen Töchtern die Marvel-Filme an. Mich fasziniert das Konzept dieser neuen Superhelden. Es sind Wesen, Männer oder Frauen, die über ein bestimmtes Supertalent verfügen und irgendwann vor der Frage stehen, ob sie dieses für das Gute oder Böse einsetzen sollen. Die heutigen Superhelden können schräg, arrogant, aber auch konservativ sein – sprich: Jeder hat seine Macken und Fehler. Genauso wie wir Menschen auch viele Dinge im Leben falsch gemacht haben, manche sogar sehr falsch. Mich interessiert aber nicht das Suhlen im Unglück, sondern ich finde Menschen spannend, die sich ändern wollen, die besser werden wollen.
Sind Sie gern ein Mann? Super gern.
Wie werden Sie von Menschen eingeschätzt, die Sie nicht kennen? Diese Frage ist schwierig zu beantworten, weil diese Menschen mir das meist nicht direkt sagen. Ich höre aber immer wieder, dass Frauen, die mich nicht kennen, mich für wenig reflektiert halten.
Ihre Frau sieht das total anders. In einem Interview sagte sie, Sie seien ein sehr femininer Mann, hätten viel Intuition und würden gut reflektieren. Ich bin der Held meiner Frau, genauso wie sie meine Heldin ist. In einer Beziehung muss man den anderen schon ein bisschen grossartig finden, ihn vielleicht sogar auf ein Podest stellen. Das schadet bestimmt nicht, nein, es ist für mich sogar die Basis einer guten Partnerschaft.
Wie sehen Sie sich selber? Ich bin ein neugieriger Mensch und sehr offen, deshalb habe ich auch kein klares Bild von mir. Ich bin ein Mensch mit Ängsten, bin verklemmt und habe Mühe, Menschen, die ich nicht gut kenne, die Meinung zu sagen. Mir fehlt oft das Selbstvertrauen, und deshalb mache ich mich regelmässig kleiner vor anderen. Warum dem so ist? Keine Ahnung, ich habe das noch nie analysiert. Und ich bin ein Mensch, der gern zuhört. Deshalb habe ich für mein Buch auch mit zwölf Männern gesprochen, die klüger sind als ich und die Dinge erreicht haben, die ich nie erreichen werde.
Sie interviewten den deutschen Philosophen Wilhelm Schmid. Er sagt: «Man kann den Buben Puppen zum Spielen geben, denen reissen sie dann die Arme und Bein raus und machen daraus Schwerter. Bei 80 Prozent ist das so, bei 20 Prozent ganz anders.»– Was für ein Bub waren Sie? Wilhelm Schmid zitiert eine Studie, deren Resultate ihn überzeugt haben. Es gibt aber auch Studien, die auf ganz andere Resultate kommen. Nun, ich wäre wahrscheinlich genau zwischen den 20 und 80 Prozent gelandet. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, war eigentlich ein Nichtschläger und einigermassen beliebt in der Klasse. Hin und wieder wurde ich von älteren Jugendlichen auf dem Schulweg verhauen. Selber habe ich jedoch nur drei Schlägereien, also Mann gegen Mann, angezettelt, um in der Hackordnung nicht zu weit nach unten zu rutschen. Das hat gut funktioniert, weil ich mir schwächere Gegner aussuchte und alle drei Kämpfe gewonnen habe.
Je Bravo-Poster an die Wände gepinnt? Ja sicher. Sängerin Olivia Newton-John war die Heldin meiner Jugend. Ich ging jeweils in den Wald spazieren, in der Hoffnung, sie dort anzutreffen. Ich war Fan von Abba, cool fand ich zudem die Formel-1-Fahrer Emerson Fittipaldi, Nicki Lauda und Jacky Steward.
Wer ist heute Ihr liebster Held? Ich liebe alles, was Hollywood-Schauspieler Tom Hanks tut, ich mag Robert Downey junior und finde Robert de Niro grossartig.
Und wer verhält sich im realen Leben heldenhaft? Für mich sind jene Menschen Helden, die ihren Weg gehen, ohne anderen etwas wegzunehmen.
Helden zu haben, das ist für viele Menschen ein Zeichen von Schwäche und eigenen Mängeln. Das sehe ich nicht so. Ich bin der Ansicht, es ist gut, Vorbilder zu haben. Ich finde es auch immer spannend herauszufinden, weshalb jemand eine Person bewundert.
So grundsätzlich: Ist in den Zeiten der Sexismusdebatte MeToo die Bezeichnung «Superheld» nicht ein etwas angestaubter Begriff? Ich sehe mein Buch als Antwort auf die MeToo-Bewegung. Es soll die Männer dazu animieren, sich zu verändern. Gewisse Dinge, die irgendwelche Machos in der Vergangenheit Frauen angetan haben, sind ein absolutes No-Go und dürfen nie, nie mehr geschehen. Für mich gibt es deshalb auch nur eine Lösung: absolute Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Ich fordere alle Männer auf, die MeToo-Bewegung als Chance zu sehen und daraus möglichst viel zu lernen.
In Ihrem Buch kommt keine einzige Frau zu Wort. Warum? Ich wollte als Mann ein Buch für Männer über Männer schreiben. Interessanterweise kommen jetzt aber 80 Prozent Frauen an meine Lesungen.
Ich stelle die Frauen-Frage, weil Bruder Magnus in Ihrem Buch sagt: «Frauen sind nämlich die besseren Menschen.» Ich sprach ihm Vorfeld auch mit Frauen – unter anderem hat mir eine SP-Politikerin im Bundeshaus die Kappe gewaschen.
Erzählen Sie bitte. Es passierte während des Gesprächs mit Urs Leuthard. Ich interviewte den Leiter der Tagesschau des Schweizer Fernsehens in der Bundeshaus-Wandelhalle in Bern. Wir sprachen gerade über das Thema «Macht und Liebe», als die Politikerin sich einmischte und meinte, Macht habe nichts mit Liebe zu tun. Weil ich die Auseinandersetzung mit der Frau spannend fand, nahm ich mir vor, ihre Aussagen in meinem Buch zu publizieren. Am Ende blieb ich jedoch meinem Konzept treu und konzentrierte mich ganz auf die männliche Sichtweise. Aber wer weiss, vielleicht schreibe ich demnächst ein Buch für Frauen über Frauen ...
... mit dem Titel «Ihr Superheldinnen»? Genau – aber zuerst schauen wir jetzt einmal, ob das Helden-Thema bei der Leserschaft auf Interesse stösst.
Wenn Sie ein Superheld wären, welche Superkraft würden Sie gern besitzen? Ich möchte bedingungslos lieben können – so wie Wonderwoman. Sie hat noch viele andere Kräfte, aber sie besitzt vor allem eine unbändige Menge an Empathie. Sie will die Menschheit retten, weil sie die Menschen liebt. Das finde ich grossartig.
Zu welchem Moment in Ihrem Leben würden Sie gerne nochmals zurückkehren? In die Phase, als ich mich in Sybil verliebt habe. Da war ich vollgepumpt mit körpereigenen Drogen, fühlte mich in einem Dauerrausch. Es war fantastisch.
Hat Sie das Schreiben des «Wir Superhelden»-Buches zu einem besseren Menschen oder gar zu einem Helden gemacht? Die Antwort ist zweimal nein – was es jedoch gemacht hat mit mir: Ich habe mich in schriftlicher Form zwischen zwei Buchdeckel gepackt und so mehr über mich erfahren. Die Gespräche gaben mir viele Anstösse, sie inspirierten mich. Ich glaube aber nicht, dass ich deswegen ein total anderer Mensch geworden bin.
Bibliografie: «Wir Superhelden», Steven Schneider, Salis Verlag, 220 Seiten, ISBN 978-3-906195-87-2, ca. 32 Fr.
Buchvernissage: Dienstag, 14. Mai, 20 Uhr, im Kosmos, Zürich.
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