Weltraum-Tourismus Space X schiesst vier Laien allein ins All

dpa/uri/dor

16.9.2021 - 03:57

Mit der Mission «Inspiration4» steigt die Raumfahrtfirma SpaceX in neue Sphären auf: In der Nacht auf Donnerstag fliegen erstmals vier Laien ins Weltall – ganz ohne Profi an Bord.

Erst Branson, dann Bezos – und jetzt ist der nächste Milliardär ins All gestartet. Mit einem «Dragon»-Raumschiff werden der 38-jährige Amerikaner Jared Isaacman und drei Mitreisende sogar mehrere Tage lang die Erde umkreisen – ohne einen Profi an Bord.

Die von Isaacman dafür bei SpaceX gecharterte «Dragon»-Kapsel startete am Mittwochabend (Ortszeit) mit Hilfe einer «Falcon 9»-Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida.

Der Start der «Inspiration4» genannten Weltraumtourismus-Mission sei «ein bedeutender Meilenstein beim Streben danach, das All für alle zugänglich zu machen», kommentierte die US-Raumfahrtbehörde Nasa, die die Start-Infrastruktur stellte, ansonsten aber nicht beteiligt war, per Kurznachrichtendienst Twitter. 

SpaceX, das von Tesla-Chef Elon Musk gegründete Raumfahrtunternehmen, spricht von der «ersten nur mit Laien besetzten Mission in die Erdumlaufbahn» – an Bord ist kein ausgebildeter Profi-Astronaut, die Kapsel fliegt weitgehend automatisch.

Die «Dragon» mit Isaacman und den drei Mitreisenden an Bord soll rund drei Tage lang die Erde umkreisen. Mit rund 580 Kilometern über der Erde soll die Kapsel sogar höher fliegen als die Internationale Raumstation (ISS) und die Erde mit rund 30'000 Kilometern pro Stunde alle 90 Minuten umrunden.

Mit der «Inspiration4» genannten Mission, über die auch eine Dokumentation beim Streaming-Dienst «Netflix» entsteht, sollen unter anderem Spenden für ein Kinderspital im US-Bundesstaat Tennessee gesammelt werden. Auch wissenschaftliche Experimente sollen die vier All-Ausflügler durchführen.

Weltraum-Fan und erfahrener Pilot

Der Pilot  Isaacman brach einst die Schule ab, gründete dann eine Zahlungsabwicklungsfirma und wurde zum Milliardär. Zu seinen drei Passagieren zählen eine Arzthelferin, die als Kind eine Knochenkrebs-Erkrankung besiegte, eine Künstlerin und ein zweifacher Vater, der für einen Freund einspringt.



Im Februar hatte Isaacman sein Vorhaben angekündigt. «Ich bin Weltraum-Fan seit dem Kindergarten», wurde Isaacman, der als erfahrener Pilot gilt, zitiert. Wieviel Isaacman für das Chartern des «Dragon»-Raumschiffs zahlte, wollten weder er noch SpaceX verraten. In US-Medien wurde über rund 200 Millionen Dollar spekuliert.

Isaacman betonte stets, dass er mit der Aktion Geld für das Kinderspital St. Jude in Memphis sammeln wolle. Er selbst spendete 100 Millionen Dollar, suchte die dort arbeitende 29 Jahre alte Arzthelferin Hayley Arceneaux als erste Mitreisende aus – und verloste dann die anderen beiden Plätze in der «Dragon» über Spendenaktionen.

So kamen schliesslich die 51 Jahre alte Künstlerin und Professorin Sian Proctor und der 41 Jahre alte Raumfahrtingenieur Chris Sembrosk zum Team dazu. Gemeinsam hat sich das Quartett seit Monaten intensiv auf den All-Ausflug vorbereitet – unter anderem im SpaceX-Hauptquartier in Kalifornien und bei einem Aufstieg auf den Mount Rainier im Nordwesten der USA. «Wir arbeiten daran, uns daran zu gewöhnen, dass es unbequem ist», sagte Isaacman.

Die ersten Weltraum-Touristen sind sie nicht

Die Ära des Weltraum-Tourismus begann Anfang der 2000er Jahre. 2001 hatte der US-Unternehmer Dennis Tito eine Woche auf der ISS verbracht und dafür rund 20 Millionen Dollar bezahlt, er gilt als erster Weltraum-Tourist. Es folgten rund ein halbes Dutzend weitere All-Touristen. Isaacman ist nun bereits der dritte Milliardär innerhalb weniger Wochen, der von den USA aus ins All aufbricht. Im Juli hatten erst der Brite Richard Branson und rund zehn Tage später Amazon-Gründer Jeff Bezos erstmals ihre eigenen Raumschiffe getestet.

«Inspiration4» ist der nächste grosse Paukenschlag in der Entwicklung des Weltraum-Tourismus und für Veranstalter SpaceX ein grosser Schritt in diesen lukrativen Markt – aber gleichzeitig auch eine Unternehmung auf einem ganz anderen Level: Branson, Bezos und ihre Mitreisenden waren nur Minuten unterwegs und stiegen nur knapp über (Bezos) beziehungsweise knapp unter (Branson) die Höhe von 100 Kilometern über der Erde auf, die von vielen Experten und dem Internationalen Luftfahrtverband als Grenze zum Weltraum angesehen wird.

Ein Vergnügen der Superreichen

«Dieser Flug markiert den Übergang in der bemannten Raumfahrt von öffentlich zu privat», sagte der Raumfahrthistoriker John Logsdon der «Washington Post». «Es ist, als ob jemand eine sich selbst steuernde Jacht mietet und damit in den Weltraum segelt.»

Aber auch wenn die «Dragon» sich praktisch komplett selbst steuert, bleibt die Raumfahrt mit hohen Risiken verbunden – und der Weltraum-Tourismus keine einfache Branche.

Anfang des Monats erst hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA Bransons Raumschiff «SpaceShipTwo» nach Problemen bei einem Testflug vorerst die Starterlaubnis entzogen. Die Firma wirbt trotzdem weiter für ihre Ticket-Verkäufe, ebenso wie Bezos' Firma «Blue Origin», die schon mindestens zwei weitere Flüge für dieses Jahr angekündigt hat.

Und es gibt noch mehr Pläne: Unter anderem sollen im kommenden Jahr vier Männer aus den USA, Kanada und Israel zur ISS fliegen, veranstaltet vom Unternehmen Axiom Space gemeinsam mit der US-Raumfahrtbehörde Nasa und SpaceX.

Bislang bleibt der Weltraum-Tourismus vor allem Superreichen und ihren Gästen vorbehalten. «Inspiration4» sei aber ein wichtiger Schritt in Richtung des Massen-Tourismus im All, sagte der frühere Nasa-Manager Alan Ladwig der «Washington Post». «Es ist wichtig, weil nach 70 Jahren mit Diskussionen darüber, dass es nicht mehr lange dauern würde, bevor wir alle ins All fliegen, es jetzt endlich klappt für Laien.»

dpa/uri/dor