Eine Mission voller EmissionenSo schädlich war Richard Bransons Raumflug fürs Klima
Von Sven Hauberg
12.7.2021
Mit seinem Flug ins All schrieb Milliardär Richard Branson am Wochenende ein bisschen Geschichte. Aber wie steht es um die Klimabilanz der neuen Weltraumtouristen?
Von Sven Hauberg
12.07.2021, 17:01
12.07.2021, 17:25
Von Sven Hauberg
War er nun im Weltall oder nicht? Auch am Tag nach Richard Bransons Flug in höhere Sphären bleibt es Definitionssache, wie man den Trip des exzentrischen Milliardärs beurteilt. Denn während die US Air Force ihre Piloten schon dann als «Astronauten» bezeichnet, wenn diese in Höhen von 80,5 Kilometern aufsteigen, legt der Internationale Luftfahrtverband FAI andere Grenzwerte an: Erst 100 Kilometer über der Erde beginne der Weltraum, so der Verband. Branson hingegen war am Sonntag «nur» in eine Höhe von 86 Kilometern geflogen.
Branson war mit seinem Flug seinem Konkurrenten Jeff Bezos um ein paar Tage zuvorgekommen. Der Amazon-Gründer und reichste Mann der Welt will am 20. Juli zu seinem Jungfernflug in Richtung Sterne aufbrechen. Und weitere Ausflüge dürften folgen: Auch Tesla-Chef Elon Musk will in diesem neuen Wettrennen um den Kurztrip ins Weltall mitmischen, im Herbst soll sein Unternehmen SpaceX erstmals Privatpersonen transportieren.
Während diese Männer, die mutmasslich von Geschäftssinn und übergrossem Ego gleichermassen angetrieben sind, immer waghalsigere Weltraum-Pläne schmieden und kurzzeitig die Schlagzeilen dominieren, wird ein anderes Problem der Menschheit freilich nicht kleiner: Der Klimawandel zeigt derzeit vor allem in Nordamerika sein hässliches Gesicht, mit Rekordtemperaturen, die zu Waldbränden und vielen Todesfällen führen. Gleichzeitig sind Flüge ins Weltall alles andere als klimafreundliche Freizeitbeschäftigungen. Passt das zusammen?
Schlechte Klimabilanz
«Ich kann einem solchen Flug angesichts der sich kumulierenden Klimakatastrophen weltweit gar nichts abgewinnen», sagt Georg Klingler, Klimaexperte von Greenpeace Schweiz, zu «blue News». «Anstatt eine solche Tat weltweit medial zu feiern, sollten wir die Leute feiern, die trotz aller Widrigkeiten, trotz der enormen Klimaschäden, die sie heute schon ausbaden müssen, alles wieder aufbauen und weitermachen.»
Wie schädlich die Spacetrips von Branson und Co. sind, lässt sich nur schwer beziffern. Bransons Raumschiff, die «VSS Unity», war zunächst von einem Mutterflugzeug auf eine Höhe von etwa 14 Kilometer gebracht worden. Anschliessend wurde die «Unity» abgesetzt, ein Triebwerk wurde gezündet und das Raumschiff auf eine Geschwindigkeit von rund 3700 Stundenkilometern beschleunigt. Möglich war das nur durch das Verbrennen grosser Mengen an Treibstoff – im Falle der «VSS Unity» kommen gummiartiges HTPB und Lachgas zum Einsatz.
Elon Musks «Falcon 9»-Rakete, die bereits Astronauten zur ISS gebracht hat, verbrennt hingegen ein veredeltes Kerosin, das auf den Namen «Rocket Propellant 1» getauft wurde. Pro Start, so hat das Umweltportal «Tree Hugger» ausgerechnet, verursache die Rakete CO₂-Emissionen in Höhe von rund 336 Tonnen. Das entspreche etwa den Emissionen, die bei einem vollbesetzten Transatlantik-Flug von London nach New York entstünden.
Das klingt zunächst nach nicht viel. Schliesslich sind – zumindest in normalen Zeiten – täglich Tausende Langstreckenflüge in der Luft; ins Weltall hingegen starten nur hin und wieder private oder staatliche Raketen. Im Vor-Corona-Jahr 2019 meldete etwa die «New York Times», dass die Luftfahrt jährlich etwa 900 Millionen Tonnen CO₂ in die Atmosphäre blase.
«Willkommen zum Beginn eines neuen Weltraum-Zeitalters»
In einem 2018 veröffentlichten Berichtdes renommierten Center for Space Policy and Strategy heisst es allerdings warnend: «Die Raumfahrt entwickelt sich schnell weiter, gekennzeichnet durch eine erwartete Zunahme der Starthäufigkeit, grössere Raketen und die Verwendung einer grösseren Vielfalt von Treibstoffen.» Man müsse folglich «die globalen Auswirkungen der Emissionen aus den Starts» berücksichtigen, wenn man Strategien im Kampf gegen die globale Erwärmung entwickle.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Während normale Flugzeuge in Höhen von maximal rund 10'000 Metern unterwegs sind, steigen die Raketen von Bezos, Musk und Branson weit höher auf und durchqueren die Stratosphäre. Russpartikel, die während des Starts ausgestossen werden, verbleiben vor allem in Höhen zwischen 20 und 50 Kilometern in der Atmosphäre, von wo aus sie sich aufgrund von Luftströmungen über weite Teile des Globus verteilen können. Die Teilchen reflektieren die Sonneneinstrahlung ins Weltall und befördern somit die Auflösung der Ozonschicht.
Für Milliardär Richard Branson jedenfalls war der Start am Sonntag nur der Anfang. «Willkommen zum Beginn eines neuen Weltraum-Zeitalters», schrieb der 70-Jährige vollmundig auf Twitter. Um dann etwas nachzuschieben, was aus Sicht von Klimaschützern wie eine Drohung klingen muss: «Der Weltraum gehört der gesamten Menschheit.»