Bötschi fragt Büne Huber«Für mich war das jedes Mal eine Blamage»
Bruno Bötschi
2.2.2025
«Am Morgen aufstehen und das Zipperlein im Rücken zu spüren, ist mühsam und scheisst an»: Büne Huber, Frontmann von Patent Ochsner.
Bild:Michael Schär
Heute erscheint das neue Album von Patent Ochsner. Frontmann Büne Huber ist das einzige Bandmitglied, das seit Anfang dabei ist. Ein Gespräch über den Umgang mit Groupies, das Älterwerden und Bundesrat Beat Jans.
Heute Freitag, 31. Januar, erscheint das neue Album «Tag & Nacht» von Patent Ochsner.
Im zweiteiligen Gespräch mit blue News blickt Frontmann Büne Huber (62) auf die Geschichte der Berner Mundart-Band zurück, die 1990 gegründet worden ist.
«Es war schon so, dass es immer wieder Frauen gab, die einem nach dem Gig nachgeseckelt sind. Manche von diesen mochten es auch, wenn man als Musiker näher auf sie eingegangen ist», sagt Huber.
Der zweite Teil des Gesprächs mit Büne Huber erscheint am Sonntag, 2. Februar, auf blue News.
Büne Huber, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest bitte möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, kannst du auch einmal «weiter» sagen.
Hmmm …
Welches Lied hast du dir zuletzt angehört?
«Sowieso». Es ist das zweitletzte Lied auf unserer neuen Platte «Tag & Nacht». Ist die Antwort so knapp genug?
Tag oder Nacht?
Ich kann die beiden schon länger nicht mehr unterscheiden.
Welche Auswirkungen hat das?
Einschlafschwierigkeiten und senile Bettflucht.
Müssiggänger oder Streber?
Müssiggänger.
Heidi Happy oder Sina?
Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Kaum gesagt, fängt Büne Huber an zu singen: «S'isch ja nur äs chlises Träumli gsi, Träumli sind ja doch so schnäll verbi.»
Erinnerst du dich an den Moment, als du dich als junger Mensch singen hörtest und dachtest: «Wow, meine Stimme klingt wunderschön. Damit kann ich etwas erreichen.»
Nein. Aber ich erinnere mich an die Momente, in denen ich allein vor die Klasse stehen musste, weil der Singlehrer Freude an meiner Stimme hatte. Für mich war das jedes Mal eine Blamage, weil ich, auch wenn du mir das vielleicht jetzt nicht glauben magst, ein scheuer Mensch bin. Mühsam war zudem, dass mir meine Mitschüler nach der Schulstunde «Streber!» nachgerufen haben.
Welches Kompliment deiner Frau Sue, deine Musik betreffend, wirst du nie mehr vergessen?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten.
Wieso?
Ich bekomme von ihr so viele Komplimente (lacht). Total beeindruckt war Sue nach unserem Konzert im Sommer 2023 auf dem Gurten. Ich sei ein Berserker und hätte auf der Bühne ganz viel Kraft, sagte sie danach zu mir.
Womit hast du deine Frau zuletzt überrascht?
Der Klassiker – mit einem Blumenstrauss.
Patent Ochsner spielt seit Jahren vor ausverkauften Sälen und am Gurten singen 20'000 Menschen eure Lieder von Anfang bis Ende mit. Menschen aller Altersklassen lieben eure Musik. Wie erklärst du dir dieses Phänomen?
Wir sind schon lange im Spiel und hatten natürlich auch einige Glückstreffer. Nachdem wir 2012 auf der Schützenmatte in Bern während der Parade «Tanz dich frei» ein Konzert gegeben haben, wurde unser Publikum plötzlich deutlich jünger. Es stimmt, heute sprechen wir von jung bis alt an. Aber warum das genau so ist, kann ich dir nicht beantworten.
«Es war schon so, dass es immer wieder Frauen gab, die einem nach dem Gig nachgeseckelt sind»: Büne Huber.
Bild:Michael Schär
Welches ist das grösste Missverständnis über Patent Ochsner?
Es gibt keines.
Was hältst du für das ärgerlichste Vorurteil über die Schweizer Musik?
Musik würde in der Schweiz nur semi-professionell betrieben.
Das wievielte Interview über euer neues Album «Tag & Nacht» ist das jetzt?
Schätzungsweise das zwanzigste.
Sprichst du gerne mit Journalist*innen über deine Songs?
Sehr sogar, denn oft geht es in diesen Gesprächen nicht nur um Musik.
Im kommenden Herbst wird Patent Ochsner 35 Jahre alt. Viele Beziehungen nutzen sich mit der Zeit ab. Warum eure nicht?
Die Band, welche 1991 die «Schlachtplatte» herausgab, besteht nicht mehr. Ich bin der einzige Musiker von damals, der heute noch auf der Bühne steht. Das zweitälteste Mitglied ist Disu Gmünder. Er ist seit 1996 mit dabei. Aber du hast schon recht, unsere Besetzung ist in den vergangenen Jahren recht stabil geblieben.
Bist du ein guter Leithammel, oder weshalb klappt euer Zusammenspiel so gut?
Chrigu Siegenthaler(Anmerkung der Redaktion: Manager von Patent Ochsner) und ich sind ein gutes und eingespieltes Duo. Wir übernehmen Verantwortung und schauen gut zu unseren Leuten. Wir versuchen im Umgang sorgfältig zu sein, was leider nicht immer gelingt. Fakt ist aber auch, dass die Musikerinnen und Musiker, die mit Patent Ochsner auf der Bühne stehen, einen grösseren Zuspruch erhalten als bei ihren sonstigen Projekten.
Wie wichtig ist Demut beim Singen?
Es ist ein Balanceakt. Wer zu demütig ist auf der Bühne, dem fehlt irgendwann die Angriffigkeit.
Darunter leide ich nur, wenn wir auf grossen Bühnen auftreten – etwa auf dem Gurten. Treten wir dort vor 20'000 Menschen auf und es gelingt uns ein starker Gig, macht sich danach schon ein bisschen Grössenwahn breit. Das normalisiert sich nach zwei, drei Stunden wieder – zum Glück.
«Tag & Nacht» ist das elfte Studioalbum der Berner Mundart-Band Patent Ochsner.
Bild:Michael Schär
War früher mehr Sex, Drugs and Rock’n’Roll?
Ja, schon … (überlegt) Aber ich könnte solche Touren heute nicht mehr durchstehen, wenn ich so tun würde wie früher (lacht schallend).
Bela B, Songschreiber und Schlagzeuger der Berliner Band «Die Ärzte», hat einen Roman über eine Rockband geschrieben, die ein sexuelles Missbrauchssystem unterhält …
… hast du ihn schon gelesen?
Noch nicht, aber ich habe das Buch heute Morgen bei meiner Buchhandlung bestellt. Wirst du es auch lesen?
Ich werde das Buch vor allem deshalb lesen, weil Bela ein geiler Siech ist und es mich wundernimmt, was er für eine Geschichte aufgeschrieben hat.
Welche Erfahrungen hast du mit Groupies gemacht?
Diese Zeit ist schon sehr, sehr weit weg …
… wie weit?
Was willst du denn genau hören?
Während den Konzerten von Züri West warfen Frauen immer wieder Büstenhalter auf die Bühne.
Das gab es auch bei uns.
Was lief nach den Konzerten?
Es war schon so, dass es immer wieder Frauen gab, die einem nach dem Gig nachgeseckelt sind. Manche von diesen mochten es auch, wenn man als Musiker näher auf sie eingegangen ist.
Wann hat sich das Älterwerden letztmals so richtig gut angefühlt?
Uhhh … das ist schwierig zu beantworten. Das hat auch viel mit der Verantwortung gegenüber meinen zwei Teenager-Kindern zu tun. Gleichzeitig werde ich heute auch regelmässig damit konfrontiert, dass das eine oder andere in oder an meinem Körper nicht mehr so funktioniert, wie es einst funktioniert hat (lacht). Am Morgen aufstehen und das Zipperlein im Rücken zu spüren, ist mühsam und scheisst an.
Ist alt werden ein Scheissdreck?
Die Momente, in denen ich realisiere, dass zum Beispiel die Sehkraft nachlässt, sind nicht lustig.
Wann ging dir das letzte Mal der Schnauf aus?
Vor einer halben Stunde, als ich eine Treppe hochgehen sollte.
Waren es so viele Stufen?
Eben nicht (lacht).
«Treten wir dort vor 20'000 Menschen auf und es gelingt uns ein starker Gig, macht sich danach schon ein bisschen Grössenwahn breit. Das normalisiert sich nach zwei, drei Stunden wieder – zum Glück»: Büne Huber.
Bild:blue News
Wann hast du zum letzten Mal geweint?
Als ich am vergangenen Wochenende Beat Jans eine Geschichte erzählte.
Willst du mehr darüber erzählen?
Über die Geschichte?
Du kannst auch mehr über den SP-Bundesrat erzählen.
Ich habe Beat Jans die Lebensgeschichte meines Vaters erzählt. Als ich 18 Jahre alt war, erlitt mein Vater während einer Autofahrt einen Herzinfarkt und fuhr bei der Lorrainebrücke die Rabatten hinunter. Es dauerte 16 Minuten, bis die Menschen von der Ambulanz mit der Reanimation anfangen konnten.
Danach war mein Vater drei Wochen lang im Koma. Während dieser Zeit sass ich jeden Tag an seinem Spitalbett und dachte darüber nach, ob wir die Maschine abschalten sollten oder nicht. Mein Vater hatte immer gesagt, wenn sein Leben einmal an einer Maschine hängt, dann sollen wir ihm bitte den Gefallen tun und diese abstellen.
Wir mussten damals alle unsere Einwilligung geben, also meine Mutter, meine Schwester und ich. Aber ich dachte: Fuck, ich bringe das nicht über das Herz. Schliesslich sagte ich: Okay, abstellen. Nach dem Abstellen passierte genau das Gegenteil von dem, was wir erwartet hatten: Mein Vater erwachte aus dem Koma und war schwer behindert. Er lebte danach noch 13 Jahre weiter.
Plagte dich das schlechte Gewissen?
Ja, natürlich. Die Situation war total belastend – nicht nur für mich, sondern für unsere ganze Familie.
Könntest du mit deinem Vater, nach dem er aus dem Koma erwacht ist, noch irgendwie kommunizieren?
Nein.
Der zweite Teil des Gesprächs mit Büne Huber erscheint am Sonntag, 2. Februar auf blue News.
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