Matthew Kenney Der tiefe Fall des Vegan-Starkochs

Von Philipp Dahm

24.4.2024

Starkoch und Entrepreneur: Matthew Kenny hat für viele positive Schlagzeilen gesorgt. Nun steht der Vegan-Vorreiter massiv in der Kritik.
Starkoch und Entrepreneur: Matthew Kenny hat für viele positive Schlagzeilen gesorgt. Nun steht der Vegan-Vorreiter massiv in der Kritik.
Bild: Commons/Adrian Mueller

Matthew Kenney baut in den 90ern eine Reihe veganer Restaurants auf, glänzt auf Social Media und gilt seither als Starkoch und Entrepreneur. Nun ist damit Schluss: Schulden, Lügen und peinliche SMS lassen sein Imperium zusammenfallen.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Matthew Kenney setzt in den frühen 90ern auf pflanzenbasiertes Essen, prägt einen Trend und wird zum Starkoch.
  • Kenney schreibt zwölf Kochbücher und baut ein Vegan-Imperium mit über 50 Restaurants und auch Kochschulen auf.
  • Ab Ende 2021 treten finanzielle Lücken immer offener zutage und Schecks für Lieferanten und Mitarbeitende platzen regelmässig.
  • Unter Vorspielung falscher Tatsachen gewinnt Kenney weiter Investoren, bevor die Blase platzt.
  • Berichte über rassistische Bemerkungen schmälern sein Ansehen ebenso wie Vorwürfe, seine Angestellten hätten seine Liebschaften decken müssen.
  • Nun laufen Dutzende Klagen in mehreren Bundesstaaten gegen Kenney. Sein Geschäftsimperium scheint zusammenzubrechen.

Er ist ein «weltbekannter veganer Koch» mit einer «prämierten Karriere und ein «Pionier der pflanzenbasierten Food-Bewegung», stellt «CBS Mornings» Matthew Kenny vor. Er betreibt Restaurants, aber auch Schulen auf der ganzen Welt, heisst es weiter: Los Angeles, Miami, New York, Sydney, Paris, Stockholm, London, Berlin und Tokio werden genannt.

«Mehrere tausend Schüler*innen haben abgeschlossen», erzählt Kenney selbst. «Wir versuchen, ihnen genau das beizubringen, was wir tun: Gesundes Essen zu kreieren, das wirklich gut schmeckt und Leuten hilft, sich besser zu ernähren.»

Zwölf Kochbücher hat der Mann verfasst, der in den 1990-ern mit dem veganen Kochen begonnen hat, als pflanzenbasierte Ernährung noch nicht den Status hatte, den es heute hat. Bei den «TED Conferences» durfte er einen Vortrag halten: «Crafting the Future of Food» war das Thema. Und sogar in der Netflix-Serie «Bad Vegan» von 2022 kommt er vor.

Wenn nun jedoch Medien wie die «Los Angeles Times» (LAT) oder «New York Times» (NYT) über den 59-Jährigen berichten, liest sich die vermeintliche Erfolgsgeschichte ganz anders: Von Kenneys diversen Restaurants sind viele wieder dicht – oder wurden geschlossen. Wegen Steuerschulden und anderer finanzieller Unregelmässigkeiten.

Investorensuche trotz Pleitewelle

Sie zeichnen das Bild eines Mannes, dessen Angestellte nicht bezahlt und immer wieder vertröstet werden, der sie benutzt, um amouröse Abenteuer zu verheimlichen und in SMS rassistische Bemerkungen macht. Seine Geschäftspartner wenden sich ab, seine Website MattheyKenneyCuisine ist offline. Der Höhenflug des «celebrity chef» ist offenbar vorbei.

Ein pflanzenbasierter Mexican Style Burrito Dish aus Kenneys Restaurant Plant Food & Wine in Miami, Florida.
Ein pflanzenbasierter Mexican Style Burrito Dish aus Kenneys Restaurant Plant Food & Wine in Miami, Florida.
IMAGO/Panthermedia

In mindestens neun US-Bundesstaaten liegen Dutzende Klagen gegen den Koch und seine Firmen vor. Die Vorwürfe reichen von der Verletzung des Arbeitsrechts über ausstehende Miet- und Lohnzahlungen bis zum Betrug von Geldgeber*innen. Dem Staat New York schuldet er 1,2 Millionen Dollar Steuern.

Laut «NYT» sind seit Ende 2021 mindestens 17 der über 50 Restaurants pleitegegangen, die mit Kenney in Verbindung stehen. Was Kenney gut beschreibt, ist die Tatsache, dass er unbeirrt weiter Gelder akquiriert – etwa, wenn er Investoren durch sein Restaurant Plant Food + Wine im kalifornischen Venice Beach führt. 

Schecks platzen allenthalben

«Ich wusste, dass die Investoren Geld in eine verlorene Sache stecken, und ich konnte nichts sagen», berichtet Josie Duran der «NYT», die dort von 2021 bis 2023 Chef-Kellnerin war. «Mein Gehaltsscheck war zum fünften Mal in Folge geplatzt, und Matthew Kenney hat ihnen dargelegt, wie toll es Plant Food + Wine zugeht.»

Die Angestellten mussten ihren Chef auch in seinem Privatleben decken: «Uns wurde ausdrücklich gesagt, den Frauen, die er mitbrachte, nicht zu erzählen, dass er eine Freundin hat», fährt Duran fort. «Und wir wussten auch, dass wir seine Dates nicht erwähnen dürfen, wenn seine Freundin kommt.»

Durans ausbleibender Lohn ist kein Einzelfall, sagt Rebecca Rubel der «NYT». Sie war ab Sommer 2022 für das Personalwesen verantwortlich. «Es war immer dasselbe: ‹Wir warten nur noch auf das Geld von einem Investor und dann sollte alles gut sein.› Aber es wurde nie gut.»

«Niemand ist jemals sauber rausgekommen»

Diese Praxis zieht sich offenbar durch seine Karriere durch: Laut Peter Cassell, der Anfang der 2000er ein New Yorker Restaurant Kenneys gemanagt hat, sind «Schecks die ganze Zeit geplatzt». Sein Fazit: «Niemand, den ich kenne, der mit Matthew Geschäfte gemacht hat, ist jemals sauber rausgekommen.»

Ein weiteres Gericht aus dem Plant Food & Wine in Miami.
Ein weiteres Gericht aus dem Plant Food & Wine in Miami.
IMAGO/Panthermedia

Schon bei seinem ersten Vermieter gab es demnach finanziellen Ärger. Der Mann ist ein gewisser Donald Trump. Dennoch gelingt es Kenney immer wieder, Investoren für sich zu gewinnen. «Er ist charmant, er ist klug, er ist leidenschaftlich», erklärt Cindy Landon der LAT. «Ich dachte: ‹Weisst du was? Ich mache damit vorwärts!›»

Die Schauspielerin und Witwe von «Ein Engel auf Erden»-Star Michael Landon hat 2015 Geld in Kennys Restaurants gesteckt, obwohl sie vor seinen Geschäftspraktiken gewarnt worden sei. Der Koch habe unseriöse finanzielle Daten geliefert – wenn überhaupt. Nun ist Landons Geld futsch – genau wie die Mittel von sechs anderen Investoren, die LAT befragt hat.

Pleite-Firma zahlt Kenneys 20'000-Dollar-Miete

Noch im März 2022 schreibt Kenney potenziellen Geschäftspartnern: «Wir hoffen, dieses Jahr 100 Millionen Dollar und nächstes Jahr 250 Millionen Dollar zu generieren.» Den Wert seiner Firma taxiert er damals auf 50 bis 100 Millionen Dollar. Nur sechs Monate später wird Inventar seines New Yorker Restaurants «Sestina» zwangsversteigert – wegen Steuerschulden.

So sehen vegane Appetizer im Plant Food & Wine in Miami aus.
So sehen vegane Appetizer im Plant Food & Wine in Miami aus.
IMAGO/Panthermedia

Auch Kyle Saliba, der in 25 Jahren fünf Geschäfte mit dem Koch eröffnet hat, liegt mit Kenney über Kreuz. Der sei zwar ein «Visionär» und «Genie», habe aber «keine unternehmerischen Fähigkeiten»: Saliba hat seinen früheren Geschäftspartner und zwei weitere Personen wegen Betrugs auf 25 Millionen Dollar verklagt.

Um die finanziellen Lücken zu stopfen, verschiebt Kenney Gelder zwischen seinen Restaurants. Weil diese im operativen Geschäft danach fehlen, werden neben Angestellten auch Lieferanten mitunter nicht bezahlt. Bei sich selbst ist der Starkoch nicht so knauserig: Seine Monatsmiete von 20'000 Dollar übernimmt sein Unternehmen ebenso wie die Unkosten für die Säuberung der Villa oder Rechnungen für Zahnbehandlungen.

Rassismus-Vorwürfe: »Der Mann muss aufgehalten werden»

Getoppt wird das Geschäftsgebaren von einem toxischen Umgang mit Mitarbeitenden. Ein früherer schwarzer Angestellter hat ihn verklagt, weil er das N-Wort benutzt haben soll. Auch asiatische Geschäftspartner oder jüdische Mitarbeitende sollen rassistisch beschimpft worden sein. Dem Mann wurden bei einem Vergleich 100'000 Dollar zugesprochen.

Die LAT hat weitere rassistische SMS gelesen: Mal schreibt Kenney «Latino-Männer sind alle Heulsusen», mal nennt er Asiaten «Gemüseladen-Indianer», mal schreibt er über eine Frau, sie sei hübsch gewesen, «bis sie 21 wurde». Kenney verneint, dass das von ihm komme: «Diese Worte tönen nicht mal so, als wenn ich sie gesagt oder geschrieben hätte.»

Doch dass etwas faul in seiner Küche ist, kann Kenney nicht mehr kaschieren. Witwe Cindy Landon hat jahrelang zu ihm gehalten, obwohl sie ihr Geld nicht zurückbekam. Erst nachdem sie mit anderen Investoren gesprochen hatte, denen es gleich erging, redet sie über das Geschehene. «Sie alle haben mir diese Geschichten erzählt», erklärt sie der «NYT», «und sie sagen mir, der Mann müsse aufgehalten werden.»


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