Neuer Roman «Arosa»Bestseller-Autorin Blanca Imboden: «Wandern ist nicht doof»
Blanca Imboden/bb
4.5.2018
Blanca Imboden hat sich all ihre Berufswünsche erfüllt: Sängerin, Journalistin und Schriftstellerin. In den letzten Jahren hat sie noch ihre Liebe zum Wandern entdeckt. Ihr neuster Roman «Arosa», der vor wenigen Tagen erschienen ist, hat es bereits wieder in die Schweizer Bestsellerliste geschafft. «Bluewin» publiziert exklusiv ein Kapitel daraus.
Blanca Imboden, geboren 1962, war professionelle Sängerin, dann Sekretärin und redaktionelle Mitarbeiterin bei der »Neuen Schwyzer Zeitung«. Als das Blatt wegrationalisiert wurde, arbeitete sie als Seilbahnführerin auf dem Stoos. Daneben widmete sie sich – wie seit ihrer Schulzeit immer wieder – ihrer grössten Leidenschaft, dem Schreiben.
Für den Wörterseh Verlag schrieb sie die Bücher «Wandern ist doof», «Drei Frauen im Schnee», «Anna & Otto», «Matterhörner» und «Schwingfest» sowie, zusammen mit Frank Baumann, die Jugendbuchreihe «Schule ist doof».
Alle ihre Bücher standen wochenlang auf der Bestsellerliste. Vor wenigen Tagen ist nun ihr neuester Roman «Arosa – Von Bären, Eichörnchen und Mister 99-Prozent» erschienen.
«Bluewin» publiziert exklusiv daraus das Kapitel «Wandern ist nicht doof». Leserinnen und Leser von «Bluewin» können den neuen Roman von Blanca Imboden direkt beim Verlag Wörterseh bestellen. Das Leserangebot ist am Ende dieses Buchauszuges zu finden.
Wandern ist nicht doof
«Es ist schon speziell und definitiv gewöhnungsbedürftig, sich am Morgen in einer Gruppe wiederzufinden, in der man niemanden kennt. Jasmin, eine kleine Rothaarige, kümmert sich sofort um mich. Sie sei auch allein, darum könne sie sich vorstellen, wie ich mich fühle. Soso.
'Eigentlich hatte ich die Reise mit meinem Ehemann gebucht. Dieser ist jetzt allerdings mit Maya, dieser Schlampe, auf den Malediven', erklärt sie. Schon im Bus zur Bergbahn erfahre ich alles über ihr Eheleben, die ganze Tragödie im Detail. Immer wieder schicke ich hilfesuchende Blicke zu Monika, die jedoch damit beschäftigt ist, einer älteren Dame einen ihrer Wanderstöcke auf die richtige Länge zu justieren. Der Stock sackt immer wieder zusammen, das Gewinde will nicht einrasten.
'Ich wollte dir ja neue Stöcke kaufen, mit Speed-Lock-Verschlüssen, aber du wolltest sparen. Sparen wofür? Für unsere Erben? Immer das gleiche Theater mit diesen blöden Stöcken', schimpft mit rotem Kopf ihr angegrauter Angetrauter neben ihr. Sein rot kariertes Hemd läuft Gefahr, zu platzen, wenn er sich so aufregt. Noch halten die Knöpfe, aber über dem Bauch ist die Lage kritisch, Gefahrenzone 4.
Genau so hatte ich mir Gruppenreisen immer vorgestellt: ständig in falscher Gesellschaft und keine Möglichkeit, abzuhauen, auszubrechen. Aber so ist es dann schliesslich doch nicht. Ich lerne Christian Duss näher kennen, der mich von Jasmin befreit.
'Sie ist gar nicht so übel', entschuldigt er die Frau. 'Wenn sie ihre Geschichte einmal los ist, ist sie ganz gut drauf.' Was tatsächlich stimmt, denn unterwegs bringt mich Jasmin gleich mehrmals zum Lachen.
Ich lerne auch Felix kennen. Der ist ja eine schräge Nummer. Er trägt den schwersten Rucksack, hat aber nichts zu essen oder zu trinken dabei. 'Ich habe eine Drohne', verrät er mir. Es klingt ein wenig so, als würde er sagen: 'Ich habe einen Vogel.'
Aber er meint es ernst. Schon beim ersten Halt nervt er alle, weil er seine Drohne über uns kreisen lässt. Haben wir uns nicht erst noch über Selfie-Sticks lustig gemacht? Und kann man nichts gegen diese Drohnen tun?
Monika zuckt mit den Achseln. 'Er tut ja keinem was', meint sie nur. 'Jedem Tierchen sein Pläsierchen.' Monikas Gelassenheit und ihre Gabe, jeden so zu nehmen, wie er halt ist, alle Eigenheiten und Ticks zu akzeptieren, finde ich bewundernswert. Nur so kann man wohl wieder und wieder Reisegruppen leiten, ohne dabei Schaden zu nehmen.
Mich nervt es, dass ich überall von Drohnen umzingelt bin, inzwischen sogar auf den Bergengipfeln. Aber als Felix dann anfängt, mir seine Drohne zu erklären, und ich die herrlichen Aufnahmen sehe, die er von ganz oben einfängt, versöhnt er mich ein wenig damit. Ausserdem glänzen seine Augen dermassen, wenn er von seiner Drohne spricht, dass ich mich seiner Begeisterung kaum entziehen kann. Das fliegende Ding scheint ein perfektes Männerspielzeug zu sein.
Auf dem Weissshorn singen wir alle mit Christian Duss das Panorama-Lied. Und das berührt mich. Denn man hat hier oben, wo übrigens ein ziemlich kalter Wind geht, tatsächlich eine herrliche Weitsicht. Und man sieht hinunter bis nach Chur. Aber eben: Alle frieren. Nachdem jeder seine Gipfelfotos gemacht hat, auch ich, marschieren wir los.
Zuerst geht es ziemlich lange erstaunlich steil nach unten. Gute Schuhe und Stöcke sind hier Pflicht. Dann kommt eine ganz herrliche Passage, wo Schmetterlinge um unsere Köpfe tanzen und sogar ein paar Murmeltiere gesichtet werden. Am Ende, nach all dem Abwärtsgehen, geht es halt wieder bergauf, und zwar wiederum steil. Wir sind fast zwei Stunden unterwegs, aber die Zeit verfliegt so richtig, da es viel zu sehen gibt und die Gesellschaft unterhaltsam ist.
Irgendwann spricht sich herum, wer ich bin, und einige kennen mein Buch 'Paris', andere sind einfach neugierig, was so eine Bestsellerautorin zu erzählen hat, und wollen wissen, was ich denn gerade so schreibe. Jetzt, wo ich tatsächlich wieder eine Geschichte habe, wo mein neues Buch am Entstehen ist, erzähle ich gern, lasse ich mich widerstandslos ausfragen. Ich fühle mich nicht mehr wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen ist.
Ich bin Schriftstellerin.
Und das ist gut so.
In der Hörnlihütte essen wir einen Aprikosenkuchen und trinken Kaffee dazu, bevor wir die kleinen Gondeln der Hörnlibahn besteigen und gemütlich nach Arosa hinunterfahren. Die Gruppe hat heute noch ein Jassturnier, weshalb alle aufgeregt sind und bald von nichts anderem mehr reden.
Ich wechsle noch ein paar Worte mit Monika und verabschiede mich dann. 'Danke, Monika', sage ich. 'Jederzeit wieder', meint sie nur.
Ziemlich müde, aber glücklich, komme ich mit der Gruppe ins Hotel zurück. Und da sitzt er im Foyer und liest Zeitung: Dr. Hans Hürlimann, mein Verleger. Bevor ich ihn begrüssen gehe, muss ich zuerst einmal durchatmen. Er schüchtert mich immer ein bisschen ein. Er ist eine Art Gottheit für mich. Er hat mich zur anerkannten Schriftstellerin gemacht, weil er an mich glaubte, weil er mein Potenzial erkannte, weil er spürte, dass ich eine grosse Leserschaft erreichen könnte. Er investierte in mich, als noch keiner meinen Namen kannte.
'Herr Hürlimann! Wie schön, Sie zu sehen!'
'Liz, Sie sehen gut aus, erholt. Arosa scheint Ihnen gut zu bekommen.'
'Wahrscheinlich habe ich wieder eine rote Nase. Ich war gerade wandern. Aber es stimmt: Arosa tut mir gut.'
Wir tauschen ein paar nette Sätze aus, und schliesslich gewährt er mir kurz Zeit, um mich duschen und umziehen zu können. 'Bringen Sie Ihre Agenda mit!', ruft Hürlimann noch hinter mir her. Als wäre mir nicht völlig klar, warum er hier ist.
Noch vor dem Abendessen trage ich elf Termine in meine Agenda ein. Fotograf, Lokalfernsehen, Videokonferenzen. Der Bucherscheinungstermin ist auf den 12. Dezember festgelegt worden. Ein sportliches Ziel für alle Beteiligten. Im Januar macht der Verlag eine Tournee mit seinen besten Autoren, quer durch die Schweiz. Da bin ich schon mitgebucht. Siebzehn Auftritte!
Hürlimann breitet drei provisorische Cover-Entwürfe vor mir aus. Er muss den Designer unglaublich gehetzt haben. Gut, dass ich mich auf seinen Geschmack verlassen kann. Für mich kämen alle Entwürfe infrage. Meinen Favoriten sehe ich allerdings sofort, und Hürlimann nickt ihn ohne Diskussion ab.
Ich unterschreibe einen Vertrag, über den es genauso wenig zu lamentieren gibt. Er ist gleich gut wie sein Vorgänger, und Hürlimann ist ein fairer Partner. Fünftausend Franken Vorschuss legt er mir in bar auf den Tisch. Das ist schon verrückt. Davon träumen viele, und ich nehme die Scheine ehrfürchtig entgegen. Hürlimann freut sich wie ein Kind, fast so sehr, wie ich mich selber freue, und das verbindet uns.
Wir essen gemeinsam im 'Muntanella', das wie das Thai-Restaurant zum Kulm-Hotel gehört. Hürlimann lädt mich ein. Er ist ein charmanter Begleiter. 'Das Restaurant Muntanella wurde mit 15 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. Der Koch heisst Pascal Kleber', weiß er.
Das Essen ist ein richtiges Fest.
'Eine würdige Feier für unser gemeinsames neues Buch', meint Hürlimann, und wir stossen mit Champagner auf unsere Zukunft an. 'Ein Verlag ist immer nur so gut wie seine Autoren', erklärt er dann. Das schmeichelt mir natürlich. Es gibt Antrieb, macht Mut. Wahrscheinlich weiss er das auch.
'Ich dachte schon, Sie hätten mich aufgegeben', gebe ich ehrlich zu. 'Immerhin hatte ich mich selber zeitweise schon aufgegeben.'
'Niemals! Ich wusste, da kommt noch was. Aber es ist immer schwierig, zu erspüren, wie viel Druck, wie viel Nachfrage eine Autorin wünscht oder braucht. Bei Ihnen dachte ich, es wäre besser, Sie jetzt eine Weile in Ruhe zu lassen.'
'Danke', kann ich da nur sagen.
Das ist es, was ich an Hürlimann schätze: Er ist ein knallharter Geschäftsmann, aber einer mit Herz. Er tut alles für seine Autoren, seine Bücher, aber er geht nie über Leichen, hat Fingerspitzengefühl. Ich kenne da ganz andere Geschichten von anderen Verlagen. Der Hürlimann-Verlag ist mein literarisches Zuhause.
Auf einem winzigen Holzbänkchen werden uns so viele Vorspeise-Häppchen serviert, dass mir schon ganz bange wird. Wie soll ich anschliessend noch in der Lage sein, das vielversprechende Hauptmenü zu würdigen?
Ein Kellner stellt sich vor uns auf und erklärt: 'Hier haben wir eine falsche Tomate mit Basilikumfond, ein Tapiokachip mit Labneh und Bergamottcreme, rechts davon ein Profiterole mit Käsebéchamel, daneben fermentierte Kohlrabi, gefüllt mit Thunfischtatar, eine Rauchforellenpraline im Randengelee und geräucherte Kartoffeln.'
Tapiokachip?
Labneh?
Ich bin hier in einer mir völlig fremden Welt gelandet: Gourmet-Cuisine. Das ist nicht meine Kragenweite. Ich esse ja sogar Fertigfondue oder Ravioli aus der Dose. Ich bin eine Ess-Banausin. Hoffentlich merkt das hier keiner, sonst wirft man mich noch hochkant aus diesem schönen Etablissement.
Am Nebentisch hat ein kleiner Junge gerade einen Hot Dog serviert bekommen und jubelt laut: 'Ein Würstchen, ein Würstchen!', als er dieses im Brot entdeckt.
Fast bin ich ein wenig neidisch auf sein Menü. Alle lachen. Ich auch. Schön, dass man auch in diesem Teil des Hauses auf die Kinder eingeht.
Und dann koste ich vorsichtig die Kleinigkeiten mit den mir unbekannten Namen. Egal, was es ist, es schmeckt grossartig. Hier ist das Essen ein Abenteuer, ein Event, ein Gaumenspaß. Auch das Kalbsfilet mit Backen war eine gute Wahl. Zum Abschluss lassen wir uns mit einer Erdbeervariation mit Salbei verwöhnen.
Dazu spielt der Gelangweilte auf einem Flügel Operettenmelodien, Chopin, Elvis Presley – alles in lockerem Wechsel. Auf den Tischen brennen Kerzen in kostbaren Leuchtern, an den Decken hängen Hirschgeweihe. Die Atmosphäre ist wirklich sehr speziell.
Hans Hürlimann erzählt witzige Anekdoten aus dem Verlagswesen, verrückte Geschichten von Autoren und Buchhändlern. Er hat seinen Verlag vom Vater übernommen, und ich erfahre zu meiner Verblüffung, dass er eigentlich viel lieber Bauer geworden wäre.
'Wir wohnten neben einem Bauernhof, und ich fand das Leben dort sehr viel spannender als mein eigenes Zuhause, auch wenn bei uns ständig berühmte Autoren ein und aus gingen. Auf dem Bauernhof war das Leben so greifbar und echt und direkt. Bücher schienen mir zu abstrakt, eine Art Leben aus zweiter Hand.'
Ich bin erstaunt und freue mich über seine Offenheit. Überhaupt sind unsere Gespräche sehr bereichernd. Hürlimann könnte locker mein Vater sein, und er wäre tatsächlich so eine Art Wunschvater. Als ich etwas in dieser Art antöne, lacht er mich aus.
'Ich war ein lausiger Vater. Meine Frau hat mich verlassen, als die Kinder noch zur Schule gingen. Ich kann es ihr nicht verübeln. Mein Vater starb früh, und ich fühlte mich gezwungen, den Verlag zu übernehmen. Ich war überfordert, überarbeitet und unzufrieden. Meinen Frust habe ich zu Hause alle spüren lassen. Ich war kein guter Vater. Leider.'
Irgendwann überfällt mich eine bleierne Müdigkeit, die ich nicht mehr verbergen kann. Wir beschließen, den Abend zu beenden. Als wir durch die Bar zum Lift gehen, sind die Jass-Wanderer/Wander-Jasser schon wieder am Feiern.
Mein Verleger will morgen früh um fünf abreisen. Wir verabschieden uns also, und ich gehe glücklich schlafen.»
Leserangebot: «Arosa»
Leserinnen und Leser von «Bluewin» können den Roman «Arosa - Von Bären, Eichhörnchen und Mister 99-Prozent» von Blanca Imboden unter dem Codewort bw18ar zum Spezialpreis von 21 Franken statt 24.90 (inklusiv Porto und Verpackung) bestellen. Entweder direkt über die Homepage des Verlages woerterseh.ch, per Mail leserangebot@woerterseh.ch oder telefonisch unter 044 368 33 68. Ganz wichtig: Bitte Codewort nicht vergessen.
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