Kein AberglaubeTodesangst – wenn Zwangsgedanken die Gesundheit gefährden
Sandra Arens, dpa
25.4.2019
Magisches Denken – was nach Zauberei klingt, beschreibt in Wirklichkeit eine schwere Erkrankung. Die eigenen Gedanken lösen bei Betroffenen existenzielle Ängste aus. Das einzige Mittel dagegen: Zwangshandlungen und Rituale.
Oliver Sechtings Kopf ist voll. Voll mit der Zahl, die ihn im Griff hat. Sie versetzt ihn in Todesangst, bringt ihn in grösste Gefahr. Wenn er sie sieht, passiert etwas Schlimmes.
Er ist überzeugt: Zuerst verliert er seine Freunde. Dann kommt der Krebs. Dann der Tod. 58! Sie lauert überall. An Haustüren, auf Plakaten, im Café.
Oliver Sechting, 43 Jahre alt, lebt seit 32 Jahren mit magischen Zwangsgedanken. Eine Krankheit, die 80 Prozent seiner Energie raubt, wie er sagt. Die seine Zeit frisst, ihn rund um die Uhr in Anspannung versetzt. Die Zahl 58 ist nur ein Reiz von vielen, die ihn täglich quälen.
Nicht nur Zahlen lösen die grössten Ängste aus, sondern auch Farben. Zum Beispiel Schwarz und Rot – sieht er beides zusammen, muss er die Farbkombination neutralisieren, am besten mit Weiss. Naseputzen hilft manchmal – mit einem weissen Taschentuch. Oder Milch trinken, wegen der weissen Farbe.
Weit mehr als Aberglaube
«Magische Zwangsgedanken sind eine Form der Zwangsstörungen», erklärt Wolf Hartmann, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen (DGZ). Schätzungen zufolge sind zwei Prozent der Menschen in Deutschland von einer solchen Störung betroffen – die Dunkelziffer ist laut Hartmann vermutlich höher.
Dabei kennt das Phänomen vermutlich jeder. Wolf Hartmann: «Das Schema gleicht der schwarzen Katze, die Unglück bringen soll, wenn sie von rechts über die Strasse läuft.» Was für Gesunde ein Spielchen mit dem Aberglauben ist, gerate bei Menschen mit magischen Zwangsgedanken ausser Kontrolle.
So wie bei Oliver Sechting. «Mir ist klar, dass die Zahl 58 nicht meinen Tod auslösen kann», sagt der Berliner. «Aber die Angst ist so übermächtig, dass ich meinen Zwängen nachgehen muss. Ich bin ihnen ausgeliefert.» Und das, seitdem er 11 Jahre alt ist.
Oft nicht als Krankheit erkannt
«Erst waren es nur kleine Macken», sagt der Sozialpädagoge. «Ich bin zum Beispiel nicht mehr auf die Fugen zwischen Pflastersteinen getreten.» Dann hatte er als Teenie zwei einschneidende Erlebnisse: Sein Vater starb an Krebs. Ausserdem wurde ihm klar, dass er homosexuell ist. Die Folge: Die Zwänge ergriffen die Macht. Als sein Verhalten auffälliger wurde, verlagerte der Junge seine Rituale in den Kopf.
«Zwangsgedanken gibt es in unterschiedlichen Variationen», sagt Privatdozent Andreas Wahl-Kordon, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Oberbergklinik Schwarzwald. Warum und wie die Krankheit entsteht, ist nicht bekannt.
«Wir gehen davon aus, dass mehrere Faktoren zusammenkommen müssen», erklärt Wahl-Kordon. «Vermutlich basieren Zwangsgedanken auf einer genetischen Veranlagung. Kommt ein Auslöser hinzu, beispielsweise ein einschneidendes Lebensereignis, kann die Krankheit ausbrechen.»
Und das geschieht laut Andreas Wahl-Kordon schleichend. «Die meisten Patienten werden im Schnitt erst zehn bis zwölf Jahre nach Ausbruch der Erkrankung richtig behandelt.» Häufig werde die Krankheit nicht erkannt oder als Psychose oder Schizophrenie diagnostiziert. Bei Oliver Sechting vergingen sogar 22 Jahre.
Rituale können helfen
«Magische Zwangsgedanken lassen sich am besten mit einer Verhaltenstherapie behandeln», sagt Diplom-Psychologe Thomas Hillebrand aus Münster. Wichtig sei die behutsame und therapeutenbegleitete Konfrontation mit den Gedanken. «Setzt der Patient sich immer wieder seinen Reizen aus, wird die Angst in vielen Fällen weniger», erklärt Hillebrand.
Auch Oliver Sechting konfrontierte sich mit seinen schlimmsten Gedanken. Und tatsächlich, die Ängste sind seitdem nicht mehr so stark. Verschwunden sind sie nicht. Noch immer spult Sechting seine Rituale mehrere hundert Mal am Tag in seinem Kopf ab. Wohlfühlen würde er sich nur in einem weissen Raum.
Trotzdem verkriecht er sich nicht. «Dann würde genau das eintreten, was ich durch meine Rituale verhindern will. Ich wäre einsam und dann vielleicht auch krank.» Über seine Geschichte hat er ein Buch geschrieben («Der Zahlendieb»). Und wenn es ihm richtig gut geht, dann trägt er sogar ab und zu ein schwarz-rotes T-Shirt.
Der 2502 Meter hohe Säntis ist eingebettet in einer der schönsten Naturkulissen Europas.
Bild: Säntis
Wer von Nesslau aus die Schwägalpstrasse hochfährt, fühlt sich bei Ennetbühl plötzlich wie im Film; grasüberwachsene Hügel erinnern an das Hobbitland aus «Herr der Ringe».
Bild: zVg
Die Kurve vor Hemberg seit dem 10. Juni 2017 weltberühmt. Das ist dem britischen «Top Gear»-Moderator Richard Hammond zu verdanken. Dieser kriegte dort die Kurve nicht.
Bild: zVg
Nicht immer sind es Kühe und Ziegen, die auf der Schwägalpstrasse den Verkehr behindern – manchmal ist auch Werner Stauffacher mit seiner Postkutsche unterwegs.
Bild: zVg
Sehnsuchtsort mit besten Aussichten: Der Speer ist 1951 Meter hoch.
Bild: zVg
Was braucht die Schweiz ein Legoland oder einen Europapark? Sie hat doch die Schwägalp.
Bild: zVg
Der Säntis ist ein multifunktionaler Hotspot: Wetterstation, Leuchtturm, Schwebebahnstation, Kommunikationsberg, Dorf und Aussichtsberg.
Bild: zVg
Rund um den Gipfel vereinen sich viele Gegensätze – schroffe Felswände, tiefblaue Seen, liebliche Hügellandschaften.
Bild: Keystone
Neben einem Perspektivenwechsel bietet der Baumwipfelpfad in Mogelsberg durch seine verschiedenen Wald-Stockwerke auch viel Informatives.
Bild: zVg
Wer ins Ofenloch will, muss die richtige Jahreszeit wählen. Am besten den Sommer, wenn das Bachbett des Neckers fast ausgetrocknet ist.
Bild: zVg
Zwei Wanderer geniessen die Aussicht auf dem 2502 Meter hohen Säntis.
Bild: Keystone
Die Szene aus einer Werbung für Appenzeller Käse ist lustig -– und trumpft mit einer atemberaubenden Landschaft auf. Die Bank, auf der das kurze Schauspiel stattfindet, wird beim Dreh jeweils am Fählensee aufgestellt.
Bild: zVg
Der Weg zum Glandenstein hinter dem Hotel Hof Weissbad ist eine Sackgasse, die im «End der Wölt» im Geröll des Weissbaches endet – ideal zum Flanieren und Verweilen.
Bild: zVg
Einer der aufregensten Instagram-Hotspost überhaupt: die Saxer Lücke. Man erreicht sie via Bollenwees oder von der Staubern her.
Bild: zVg
Am geografisch tiefsten Punkt des Kantons Appenzell Innerrhoden, wo die Sitter und der Rotbach zusammenfliessen, hat sich eine Naturbadewanne gebildet. «Strom» heisst der Ort
Bild: zVg
Schon mancher Wanderer hat sich erstaunt die Augen gerieben, als er hinter der Gross Gerstengschwend in Urnäsch in einer Waldlichtung auf den Alten Bahnhof Waldstatt gestossen ist.
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