Wenn es nach dem Stuhlgang juckt und womöglich rote Flecken auf dem WC-Papier sichtbar werden, sind meistens die Hämorrhoiden vergrössert. Jetzt gibt es eine neue Therapie.
Hämorrhoiden hat jeder Mensch. Wenn die sich aber vergrössern, kann es unter anderem zu Juckreiz und Blutungen kommen. Das ist gar nicht so selten: Laut Schätzungen ist fast jeder Dritte über 30 Jahren und sogar jeder Zweite über 50 Jahren von der Erkrankung betroffen. Darüber reden mögen aber die wenigsten, denn wer spricht schon gerne über seinen Darmausgang ...
Dabei gibt es eine Behandlungsmethode, die schmerzarm ist und zudem ambulant durchgeführt werden kann. «Bluewin» hat Dr. med. Georg Liesch befragt, der die so genannte Rafaelo-Therapie als erster Chirurg in der Schweiz im Spital Männedorf eingeführt hat.
Herr Dr. Liesch, was sind Hämorrhoiden?
Hämorrhoiden sind schwammartige, gut durchblutete Gefässpölsterchen am Darmausgang, die zusammen mit dem Schliessmuskel den After abdichten. Wir alle brauchen also Hämorrhoiden. Zum Problem werden die Hämorrhoiden, wenn sie vergrössert sind. Und wenn wir von «Hämorrhoiden» reden, so meinen wir meistens das: vergrösserte Blutgefässe am Enddarm, die Beschwerden bereiten wie Juckreiz, Blutungen, Stuhl-Schmieren oder Brennen.
Und Schmerzen?
Schmerzen verursachen die Hämorrhoiden in der Regel nicht. Bestehen Schmerzen in der Afterregion, handelt es sich meistens nicht um ein Hämorrhoidalleiden, sondern viel häufiger um kleine Risse in der Schleimhaut, gestaute äussere Venen oder Marisken, also Hautläppchen, welche im Volksmund auch als «äussere Hämorrhoiden» bezeichnet werden.
Über Hämorrhoiden spricht man nicht gerne.
Ja, das ist leider so. Hämorrhoiden sind nach wie vor ein Tabu-Thema. Fast noch unangenehmer als die Probleme, die Hämorrhoiden bereiten, ist es, sich dazu zu bekennen, dass einen an dieser heiklen Stelle etwas stört. Aus Schamgefühl und Angst vor einer möglichen Operation warten Betroffene oft jahrelang, ehe sie Hilfe suchen. Ich würde sagen, im Durchschnitt sind es ein bis zwei Jahre, bis ärztlicher Rat gesucht wird. Das liegt wohl daran, dass es sich um einen «schmutzigen» Ort handelt, den man nicht zeigen will. Es ist einfacher, über einen gebrochenen Arm zu sprechen als über Hämorrhoiden.
Für Sie gehören Hämorrhoiden zum Arbeitsalltag. Wie das?
Als Assistenzarzt bin ich in das Fachgebiet Proktologie, die sich mit Erkrankungen des Enddarms befasst, eher zufällig reingerutscht, weil das kein anderer machen wollte. Schnell war mir klar, dass Proktologie nicht nur einfach Hämorrhoiden bedeutet. Der Beckenboden und seine Organe ist ein sehr komplexes System. Während bestimmten Vorgängen müssen sich gleichzeitig Muskeln an- und andere entspannen, und sehr viele Nerven spielen da mit. Sobald ein kleines Rädchen in diesem System nicht mehr richtig dreht, bedeutet das für die Betroffenen viel Leid und Scham. Dabei können oft mit einfachen Mitteln jahrelange Beschwerden in relativ kurzer Zeit zum Verschwinden gebracht werden.
Kann man Hämorrhoiden irgendwie vorbeugen?
Sorgen Sie für einen weichen Stuhl, indem Sie genug Wasser, Früchte- oder Kräutertee trinken und viel Ballaststoffe essen, also Gemüse, Früchte und Vollkornprodukte. Versuchen Sie nicht, den Stuhlgang zu erzwingen, nicht zu stark und vor allem zu lange pressen. Bewegen Sie sich regelmässig, treiben Sie Sport, und sagen Sie allfälligem Übergewicht den Kampf an. Bei Übergewicht lastet viel Gewicht auf dem Analbereich – und fördert so Hämorrhoiden. Und halten Sie sich an die Zwei-Minuten-Regel: Handy checken oder Zeitung lesen auf dem WC? Bloss nicht! Lange «Sitzungen» sind Gift für die Hämorrhoiden. Zwei Minuten genügen – wenn dann kein Stuhl kommt, kann man wieder aufstehen. Es ist auch nicht so, dass man jeden Tag Stuhlgang haben muss: Bei den meisten Menschen ist es so, aber zwischen fünfmal täglich und einmal pro Woche ist alles normal.
Wann wird eine Therapie nötig?
Wenn die Beschwerden trotz Stuhlregulation, Gewichtsabnahme, genügender Bewegung, Salben und Zäpfchen nicht verschwinden. Hämorrhoiden werden in verschiedene Grade eingeteilt. Sobald Sie beim Stuhlgang in den Analkanal rutschen, reichen die konservativen Massnahmen nicht mehr, und es wird ein Eingriff notwendig.
Sie arbeiten mit einer neuen Hämorrhoiden-Therapie. Wie sind Sie darauf gekommen?
Ich habe per Zufall von dieser neuen Methode gehört. Sie wird in verschiedenen Ländern schon über zehn Jahre angewandt, den Weg in die Schweiz hat sie aber erst vor zwei Jahren gefunden. Ich war dann der erste Chirurg in der Schweiz, der diese Methode eingeführt hat. Zwischenzeitlich habe ich schon hunderte Hämorrhoiden-Knoten erfolgreich therapieren können.
Wie funktioniert das?
Die so genannte Rafaelo-Therapie wird ambulant und ohne Narkose durchgeführt. Zuerst wird im nicht sensiblen Teil des Analkanales ein Lokalanästhetikum gespritzt. Dann wird der vergrösserte Hämorrhoidalknoten mit einer Radiofrequenz-Sonde erhitzt und das Gewebe verödet. Es kommt sofort zu einem sichtbaren Schrumpfungsprozess Das Spezielle an der Radiofrequenzablation ist, dass das umliegende Gewebe optimal geschont werden kann. Das abgestorbene Gewebe löst sich nach zirka zehn bis vierzehn Tagen von selbst ab und wird ausgeschieden.
Welches sind die Vorteile?
Der Eingriff ist in der Regel in lokaler Betäubung, also ohne Narkose, und ambulant möglich. Er dauert nur gerade zehn bis fünfzehn Minuten, und der Patient hat deutlich weniger Schmerzen nach der Operation im Vergleich zu allen anderen Verfahren. Es kommt zu keinen Blutungen während des Eingriffs und auch danach praktisch nicht. Der Schliessmuskel kann im Vergleich zu allen anderen Methoden immer geschont werden, und es besteht keinerlei Gefahr, diesen zu verletzen. Das ist die grösste Angst der meisten Patienten.
Welches sind die Risiken?
Eigentlich keine. Einzig bei Patienten mit Schrittmachern ist etwas Vorsicht geboten, und die Operation ist unter Umständen nur in Narkosebegleitung möglich.
Für wen ist die Therapie geeignet, für wen nicht?
Für jedermann mit Hämorrhoiden, die mit konservativen Massnahmen weiterhin Beschwerden verursachen.
Was mögen Sie an Ihrem Beruf besonders?
Das Schönste ist immer die Nachkontrolle nach der Operation, wenn die Patienten strahlend ins Sprechstundenzimmer kommen und sagen, dass es grossartig sei, ohne Beschwerden zu leben. Dies gilt erst recht für Patienten, die an Stuhlinkontinenz litten und in der Folge oft jahrelang sozial isoliert waren. Somit ist die Proktologie auch ein dankbares Fachgebiet.
Zur Person: Georg Liesch
Dr. med. Georg Liesch ist Leitender Arzt Chirurgische Klinik, Spital Männedorf ZH. Als Mitglied des Swiss Surgical Team reist er zudem regelmässig nach Tadschikistan, um sein Fachwissen mit den einheimischen Chirurgen zu teilen und sie zu schulen. Am 14. Mai berichtet Liesch zusammen mit Nicole Bürkli, dipl. Fachfrau Operationstechnik, während eines Vortragabends über seinen letzten Auslandseinsatz.
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