Tipps vom ProfiNichts erlebt? Noch lange kein Grund für harzige Gespräche
Von Gil Bieler
28.2.2021
Freunde zu treffen, ist in der Pandemie etwas Spezielles geworden. Nur bedeutet das nicht, dass wir uns viel zu erzählen hätten. Wie man ein stockendes Gespräch in Gang bringt, weiss Kommunikationsprofi Patrick Rohr.
Menschen sind soziale Wesen. Doch genau die gesellschaftliche Komponente leidet unter der Corona-Krise. «Nur wenige Leute treffen», rät das Bundesamt für Gesundheit (BAG), und die meisten leisten dem Folge – ob gewollt oder ungewollt. Viele arbeiten seit Wochen im Homeoffice statt im Grossraumbüro, an einen Kinoabend ist nicht zu denken – und auch ein Bier oder Kaffee mit Freunden in der Lieblingsbeiz muss noch länger warten, wie der Bundesrat diese Woche entschieden hat.
Patrick Rohr ...
O. Hochstrasser
... ist Kommunikationsberater, Journalist und Fotograf. Von 1992 bis 2007 war er Moderator diverser SRF-Sendungen. Sein Ratgeber «So meistern Sie jedes Gespräch» ist im Beobachter-Verlag erschienen.
Ein persönliches Treffen ist etwas Besonderes geworden. Paradoxerweise ist aber aus so manchem Gespräch gleich die Luft raus. Auf das «Ewig nicht gesehen!» folgt betretene Stille. Leidet unter der Corona-Krise etwa auch unsere Gesprächskultur? «Das ist tatsächlich auch mein Eindruck», erklärt Patrick Rohr auf Anfrage von «blue News». «Und ich habe das Gefühl, dass wir uns manchmal nicht mehr so viel zu sagen haben – weil wir alle das Gleiche erleben, nämlich nichts.»
Rohr ist als Kommunikationsberater tätig, wobei das Thema «Gespräche führen» zu seinen Steckenpferden gehört – er hat auch einen Ratgeber darüber geschrieben. Den meisten dürfte der Glarner noch als ehemaliger SRF-Moderator in Erinnerung sein.
Fragen stellen und zuhören – aber richtig!
Der geübte Moderator hat natürlich ein paar Tricks auf Lager, wie man ein stockendes Gespräch in Gang bringt: Er rät zu «der simpelsten aller Techniken», nämlich Fragen zu stellen. Erzähl mal, wie war das, als ..? oder Wie ging es dir damals, als ..? «Solche einfachen Fragen können einem unter Umständen ein völlig neues Universum eröffnen», sagt der Kommunikationsprofi.
Wichtig sei aber, dass man auch echtes Interesse habe und das Gespräch von sich aus weiterspinne. Bei der ersten Antwort schon gedanklich abschweifen oder auf dem Handy herumtippen ist ein No-Go. «Mir passierte kürzlich, dass mich ein Bekannter fragte, was ich am Abend machen würde. Als ich es ihm erzählte, sagte er: ‹Oh, spannend, interessant, das freut mich für dich.›» Zehn Minuten später habe sein Gegenüber dann die genau gleiche Frage gestellt. «Ich hatte wenig Lust, das Gespräch noch länger fortzuführen», so Rohr.
Ohnehin gilt: Richtig zuhören! Darunter versteht Rohr, dass man auch Ungesagtes aufnehme. «Das schaffe ich, indem ich Körperhaltung, Mimik und Gestik aufmerksam verfolge.» Wenn jemand zwar beteuert, alles sei bestens, aber die Schultern hängen lässt und das Lächeln verkrampft wirkt, sollte man nachhaken: «Mein Eindruck ist aber, dass es dir nicht so gut geht.» Das zeichne einen guten Gesprächspartner aus.
Nicht vereinsamen
Das Bundesamt für Gesundheit rät trotz Pandemie, Freunde und Verwandte zu treffen. «Es ist für unser Wohlbefinden sogar zentral, dass wir weiterhin soziale Kontakte pflegen.» Aber: Man sollte nur wenige Personen aus wenigen Haushalten treffen, im Freien statt drinnen – und die Schutz- und Hygienemassnahmen einhalten.
Um zu vermeiden, dass einem der Diskussionsstoff allzu schnell ausgeht, hilft auch eine gewisse Vorbereitung auf ein Treffen. «Ich gehe kurz in mich und überlege, was das Letzte war, was ich von dem Bekannten in Erinnerung habe. Hat er nicht eine Weiterbildung angefangen? Hatten er und seine Freundin nicht geplant, ein Kind zu haben?» Doch zu viel Vorbereitung sei auch nicht ratsam, das könne einem Wiedersehen «alles Echte, Spontane und Herzliche nehmen».
Eine neue Art von Gesprächen
Wenn es einmal harzt, sollte man sich also keine Sorgen machen. Das passiert selbst dem Profi. Doch Rohr erkennt auch Positives in der Pandemie: «Mir ist aufgefallen, dass ich mit Freunden in letzter Zeit viel öfter als früher über meine Innenwelt rede, über meine Gedanken, meine Gefühle.» Das sei eine interessante Entwicklung: «Wenn wir schon von der Aussenwelt wenig zu berichten haben, wagen wir doch den Schritt und öffnen uns. Das kann sehr spannende, neuartige Gespräche geben.»
Eine gewisse Stolpergefahr droht beim Thema Coronavirus. «Es heisst ja, Themen wie Politik und Religion gehörten nicht in einen Smalltalk. Und gerade bei den Themen Corona und Lockdown kann es sehr schnell beinahe religiös werden», sagt Rohr. Daher lohne es sich, vorsichtig auszuloten, ob man auf derselben Wellenlänge ist. Sollte das nicht der Fall sein, empfiehlt Rohr, gleich das Thema zu wechseln – und das direkt anzusprechen: «Oh, ich glaube, bei diesem Thema sind wir uns nicht einig und werden es heute Abend auch nicht. Wollen wir über etwas anderes reden?»
Rohr ist sich sicher, dass sich jedes Gespräch in Schwung bringen lässt: «Mein Trick, wenn es so richtig harzt, ist, das Gespräch auf die Metaebene zu bringen.» Er sage dann: «Ich habe das Gefühl, du hast keine Lust, mit mir über dieses Thema zu reden.» Und diese simple Feststellung könne manchmal Erstaunliches in Gang bringen: «Das stimmt! Und weisst du, warum? Weil ...» – und schon läuft es wieder.