Kolumne am Mittag Albumpremiere des Dalai Lama – «China In Your Hand»

Von Philipp Dahm

15.6.2020

Dalai Lama Superstar: Mit bald 85 Jahren wagt er den Einstieg in die Musik.
Dalai Lama Superstar: Mit bald 85 Jahren wagt er den Einstieg in die Musik.
Bild: Keystone

Der Dalai Lama bringt wirklich ein Musikalbum heraus. Wer wissen will, was das mit Britney Spears und einem deutschen Papst zu tun hat, muss die Ohren spitzen.

2012 war Papst Benedikt 85. Die Vorstellung, dass dieser damals ein Musikalbum herausgebracht hätte, ist – mit Verlaub – unvorstellbar.

Dass jedoch wiederum das Oberhaupt der Buddhisten an seinem kommenden Geburtstag – Sie ahnen es , dem 85. – am 6. Juli sein Premierenwerk «Inner World» auf den Markt zu werfen gedenkt, passt eher ins Bild.

Natürlich fallen einem sofort Songs ein, die auf die Playlist des Noch-84-jährigen Dalai Lama gehören.

Man stelle sich das einmal vor: Der Dalai Lama schlägt an der Gitarre ein paar fetzige Akkorde an und singt mit einem Grinsen, bei dem George Michael das Lächeln vergangen wäre – «Cause I gotta' have faith / I gotta have faith» ...

Oder der Tibeter intoniert «Stairway to Heaven» mit Gebetsflöten und neuem Akzent «Cause you know sometimes words have two meanings».

Ein Muss wäre auch Tina Turners «I Don’t Wanna Fight No More». Ist die Wahl-Schweizerin doch eh eine Anhängerin des spätberufenen Entertainers. Und von wegen Pazifismus und China und so.

Come As You Are

Apropos – klar ist natürlich auch, welche Lieder wir aus dem Mund des Dalai Lama nicht hören werden. «I Like Chinese» von Monty Python etwa. Und es wird wohl keinen Wiederbelebungsversuch des One-Hit-Wonders «China in Your Hand» von T’Pau geben – und das ist gut so.

Mit sowas kam man 1987 in die Charts: T'Paus «China In Your Hand».

Unglaubwürdig wäre wohl auch ein Rock-Album à la «Chinese Democracy», wie es Guns’N’Roses vorgemacht haben. Andererseits: Mit Blick auf Nirvana kommt der Dalai Lama an den E-Gitarren-Göttern vielleicht gar nicht vorbei …

Zu seiner späten musikalischen Berufung sagt der Dalai Lama: «Der Sinn meines Lebens ist es, so sehr zu dienen, wie ich kann».

Das sollte man nun nicht im Sinne eines «I'm a Slave 4 U» von Britney Spears interpretieren. Auch dBDSM-Song «Master and Servant» von Depeche Modes will nicht so recht passen. Herr Lama, bitte präzisieren Sie!

Wenn Tibeter Berge überwinden

«Musik kann Menschen auf eine Art helfen, wie ich das nicht kann», wird der fromme Mann zitiert. «Ain't no mountain high enough», singt der Tibeter also übersetzt. «Ain't no valley low enough / Ain't no river wide enough / To keep me from getting to you, babe».

Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Warum sinn- und haltlos spekulieren, wenn man einen Track der neuen Scheibe jetzt schon degustieren kann? Wer schnell reinhören will:

Wobei: Diesen Song schnell zu hören, tönt dann doch arg widersprüchlich. «Compassion» ist nicht gerade das, was man auflegt, um den Puls schon einmal hochzufahren, bevor man dann um die Häuser zieht. Der sphärische Sound bietet vielmehr den idealen Hintergrund für jede Filmszene mit einer – vielleicht sogar chinesischen – Opiumhöhle.

Wie die Jungfrau Maria zum Kinde

Das erklärt vielleicht auch, warum Junelle Kunin meinte, die Dalai-Lama-Musik könnte «besonders Leuten mit emotionalem Stress helfen». Die neuseeländische Musikerin und langjährige Schülerin hatte die Idee zu dem Album.

Neu ist der Gedanke, dass ein religiöses Oberhaupt Musik aufnimmt, übrigens nicht: 2009 hat ein damals 82-jähriger Papst eben doch eine CD herausgebracht: «Benedikt [singt] in voller Länge das gregorianische ‹Regina Coeli› (‹Königin des Himmels›) zu Ehren der Jungfrau Maria», frohlockte damals «ntv».

Da bleibt nur ein: Halleluja!

Ein Portrait von Papst Benedikt  des Künstlers Niki Johnson aus 17'000 Kondomen.
Ein Portrait von Papst Benedikt  des Künstlers Niki Johnson aus 17'000 Kondomen.
Bild: Keystone

Fazit: Lasst hüben wie drüben die Kirchenväter doch ruhig Musik machen. Wem das auf die Ohren geht, soll sich halt taub stellen – und es bleibt am Ende ohnehin bei jener Erkenntnis Ciceros: «Man muss nicht alles glauben, was man hört.»

Regelmässig gibt es werktags um 11.30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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