Zürich prescht vor Migros & Co. kritisieren Maskenpflicht in Läden scharf

Von Jennifer Furer

24.8.2020

Der Kanton Zürich hat die Maskenpflicht in Läden beschlossen. Sie gilt ab dem kommenden Donnerstag.
Der Kanton Zürich hat die Maskenpflicht in Läden beschlossen. Sie gilt ab dem kommenden Donnerstag.
Keystone

Der Kanton Zürich reagiert auf die steigenden Coronaneuansteckungen: Neu gilt Maskenpflicht in Läden. Das führt bei Detailhändlern und Warenhäuser zu keinen Freudensprüngen.

Waadt, Genf, Neuenburg, Jura, Basel-Stadt und jetzt Zürich: Ab dem 27. August gilt auch im grössten Kanton der Schweiz Maskenpflicht in Läden. «Der Regierungsrat will verhindern, dass Zürich zum Risikogebiet wird», sagte CVP-Regierungspräsidentin Silvia Steiner an einer extra einberufenen Medienkonferenz.

Die neue Massnahme freut nicht alle. Im Zürcher Regierungsrat herrschte Uneinigkeit über die Ausweitung, wie SP-Politikerin Jacqueline Fehr in ihrem persönlichen Blog kundtut. «Ich bin nicht gegen das Maskentragen. Aber ich bin gegen die schleichende Entmündigung und die Entlassung aus der persönlichen Verantwortung», schreibt die Regierungsrätin. «Weil uns das in die Sackgasse führt.»

Migros: Keine Krankheitsausbrüche in Läden

Laut Fehr sollten wir uns aus der Verbotslogik lösen. «Machen wir klar, dass wir wieder alle selber denken müssen. Trainieren wir uns wieder Eigenverantwortung an. Und stärken wir dazu die behördliche Kommunikation und den kritischen, öffentlichen Diskurs», so Fehr.

Die Argumentation der SP-Politikerin vermochte im Zürcher Regierungsrat nicht zu überzeugen – sie stösst aber bei Detailhändlern und Shoppingcentren für Zustimmung.

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Von der Maskenpflicht nicht überzeugt sind auch Detailhändler, etwa Migros. «Bis zum heutigen Tag ist es in der Migros zu keinen nennenswerten Krankheitsausbrüchen gekommen – weder bei den Mitarbeitenden, noch aufseiten der Kunden», so Sprecher Marcel Schlatter.

Nach Monaten der Erfahrung würde die Migros über ausgeklügelte und sehr erfolgreiche Schutzkonzepte verfügen. «Wir können einen hohen Grad an Sicherheit gewährleisten», so Schlatter. Die Schutzkonzepte seien mehrfach von den zuständigen Behörden überprüft und für sehr gut befunden worden.

«Im März und April waren die Fallzahlen viel höher als heute, dennoch wurden unsere Schutzkonzepte bis heute kaum aufgeweicht», sagt Schlatter weiter. «Aus unserer Warte ist eine schweizweite Maskenpflicht im Detailhandel aus diesen Gründen nicht notwendig – der Schutz ist auch ohne gewährleistet.»

Manor: «Nicht verkaufsfördernd»

Kritik an der Maskenpflicht in Läden übt auch Manor. Man halte sich zwar an die Vorschriften der Kantone und wolle um jeden Preis eine zweite Welle vermeiden, sagt Sprecher Fabian Hildbrand.

Aber: «Auswertungsdaten von der Schweizer Tracing-App und Zahlen aus Österreich zeigen, dass das Warenhaus mit seinen grossen Verkaufsflächen keinen besonderen Risikoort darstellt.» Die Kassenbereiche seien ausreichend geschützt.

Maskenpflicht in Läden: Erste Erfahrungen zeigen, dass Masken nicht verkaufsfördernd sind.
Maskenpflicht in Läden: Erste Erfahrungen zeigen, dass Masken nicht verkaufsfördernd sind.
Getty Images

Aus kommerzieller Sicht lehne Manor Masken daher ab. «Die Maskenpflicht ist beim Einkauf von Beauty-Artikeln oder der Kleideranprobe nicht verkaufsförderlich. Das zeigen erste Erfahrungen in der Westschweiz», so Hildebrand.

Aldi: Noch keine erhöhte Nachfrage nach Masken

Aldi hält sich bezüglich einer Beurteilung der Maskenpflicht zurück. Sprecher Philippe Vetterli sagt aber, dass man auf eine Erweiterung gut vorbereitet sei: «Da wir einen Grundvorrat an Hygienemasken für unseren Eigenbedarf eingelagert haben.»

Insgesamt habe man bereits gute Erfahrungen in den Kantonen gemacht, in denen bereits eine Maskenpflicht in Läden herrscht. «Natürlich kann es auch mit der Maskentragpflicht vorkommen, dass ein Kunde keine Maske trägt», sagt Vertterli. In einem solchen Fall würden die Filialmitarbeitenden die betreffende Person «entsprechend sensibilisieren».

Aldi könne keine signifikante Abweichung der Kundenfrequenz aufgrund der teilweise geltenden Maskenpflicht ausmachen. «Eine erhöhte Nachfrage nach Produkten in unseren Filialen mit Maskentragpflicht konnten wir bislang ebenso nicht feststellen», so Vetterli.

Ähnlich zurückhaltend tönt es bei Coop. Sprecher Patrick Häfliger sagt, dass man die Vorgaben der Kantone umsetzt – und über genügend Masken verfüge. «Ein genereller Engpass bei Masken ist bei Coop kein Thema», sagt Häfliger.

Shoppi Tivoli: «Mit Umsatzeinbussen zu rechnen»

Auch bei den Shoppingcentern sorgt die Maskenpflicht in Läden im Kanton Zürich für Diskussionen – beispielsweise beim Shoppi Tivoli mit Stand in Spreitenbach AG. Der Kanton Aargau ist zwar (noch) nicht von einer Maskenpflicht betroffen, viele  Besucherinnen und Besucher stammen aber aus Zürich.

«Ob ein solcher Entscheid zu mehr oder weniger Besuchern im Shoppi Tivoli führt, können wir nicht einschätzen», sagt Centerleiter Patrick Stäuble. Es werde aber sicher zu Verunsicherungen bei den Kundinnen und Kunden führen – etwa in Bezug auf die Frage, wo man die Maske tragen muss und wo nicht. «Das jetzt jeder Kanton seine eigenen Massnahmen trifft, ist für uns und den Kunden nicht nachvollziehbar», so Stäuble.

Das Shoppi Tivoli in Spreitenbach AG befürchtet Umsatzeinbussen – obwohl im Kanton Aargau keine Maskenpflicht herrscht.
Das Shoppi Tivoli in Spreitenbach AG befürchtet Umsatzeinbussen – obwohl im Kanton Aargau keine Maskenpflicht herrscht.
Shoppi Tivoli

Eine Maskenpflicht über den ganzen Detailhandel begrüsse Stäuble dennoch nicht. «Uns ist nicht bekannt, dass es Ansteckungen im Detailhandel gegeben hat. Wir sind überzeugt, mit Maske wird das Shoppingerlebnis leiden und wir würden Umsatzeinbussen – insbesondere im Non-Food-Bereich – verzeichnen müssen.»

Stäuble sagt, dass Abstände in Shoppingcentren ohne Weiteres eingehalten werden können. «In den Geschäften wie auch in Einkaufscentern befinden sich die Besucher in ständiger Bewegung. Zudem verfügen wir über 100'000 Quadratmeter Verkaufs- und Mall-Fläche.»

City Vereinigung: 1,5-Meter-Abstand aufheben?

Milan Prenosil von der Zürcher City Vereinigung hingegen begrüsst die Maskenpflicht in Läden. «Sie ist wichtig und richtig.» Gerade in Hinblick auf den Herbst und Winter gelte es Massnahmen zu ergreifen, um einen zweiten, wenn auch nur partiellen Lockdown zu verhindern.

«Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben», sagt Prenosil. Wenn die Maskenpflicht in Nachbarstaaten funktioniert, sei sie auch in der Schweiz umzusetzen.

Prenosil fordert aber nun, dass mit der Maskenpflicht - und den bereits getroffenen Schutzmassnahmen wie dem Plexiglas - eine andere Regelung aufgehoben wird: der 1,5-Meter-Abstand. «Wir müssen wieder Leute in die Läden lassen – sonst bringen wir die Umsätze nicht hin.»

Zürich als Vorbild?

Da nun Zürich als grösster Kanton der Schweiz mit einer Erweiterung der Maskenpflicht auf Läden vorgeprescht ist, darf die Frage erlaubt sein, ob auch weitere Kantone nachziehen.

Denn: Schaut man sich die bestätigten Fälle pro 10'000 Einwohner an, fällt auf, dass diese auch in anderen Kantonen stetig steigen.

Bestätigte Fälle pro 10'000 Einwohner*innen am 24. August

  • Kanton Genf: Knapp 26 Fälle pro 10'000 Einwohner
  • Freiburg und Zürich: Knapp 12 Fälle pro 10'000 Einwohner
  • Basel-Stadt: Knapp 11 Fälle pro 10'000 Einwohner
  • Kanton Aargau und der Kanton Schaffhausen: jeweils knapp 10 Fälle pro 10'000 Einwohner
  • Zug und Uri: kratzen an den 10 Fällen pro 10'000 Einwohner

Aargau: Steigende Zahlen

Im Kanton Aargau steht die Maskenpflicht für Läden nicht im Vordergrund, wie Maria Gares vom Departement Gesundheit und Soziales auf Anfrage von «Bluewin» sagt.

«Die täglichen Fallzahlen sind weiterhin schwankend, aber insgesamt ansteigend.» Sie würden entsprechend genau verfolgt. «Bezüglich der Ansteckungsorte ist zurzeit vor allem beim Ausland ein Anstieg zu verzeichnen», sagt Gares.

Zug: Maskenpflicht nicht angebracht

Beim Kanton Zug heisst es, dass die Ausweitung der Maskenpflicht als ein mögliches Instrument angeschaut wird. «Momentan ist die epidemiologische Lage jedoch soweit stabil, weshalb keine Massnahmen in diesem Bereich nötig sind», sagt Aurel Köpfli von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zug.

Zudem gebe es bisher auch keine konkreten Hinweise darauf, dass sich Läden speziell als Ansteckungsorte herauskristallisiert haben, weshalb eine Maskenpflicht dort nicht angebracht sei. Köpfli: «Falls die Zahlen ansteigen sollten, würden die Zentralschweizer Kantone die Einführung weiterer Massnahmen miteinander koordinieren. Dafür stehen sie in regelmässigem Austausch.»

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