Am Sonntag startet das Schweizer Unihockey-Nationalteam mit dem ersten Gruppenspiel gegen Deutschland in die WM in Malmö. Die Vorzeichen haben sich geändert. Nun wäre auch Bronze ein Erfolg.
Zweimal mussten sich die Schweizer Männer an den Weltmeisterschaften zuletzt mit dem 4. Platz abfinden. Sie liebäugelten mit dem Finaleinzug, doch die Turniere endeten jeweils mit zwei Niederlagen. 2021 in Helsinki war im Halbfinal Schweden erwartungsgemäss zu stark (1:6), 2022 setzte es an der Heim-WM in Zürich ein 3:11 gegen Tschechien ab.
Das Heimturnier hätte die Krönung sein sollen. Ziel der jahrelangen Bemühungen unter Trainer David Jansson war es, die Lücke zu den Topteams an der Heim-WM geschlossen zu haben und mit einem durchschlagenden Erfolg einen Schneeballeffekt auszulösen. Stattdessen zeigte sich, dass Tschechien an der Schweiz vorbeigezogen ist und Schweden und Finnland weiter entrückt sind. Auch im ewigen Medaillenspiegel ist die Schweiz durch Tschechiens zweites Silber in Zürich auf den 4. Platz verdrängt worden.
Die Tschechen ernten mit einer goldenen Generation gerade die Früchte intensivierter Investitionen in den Nachwuchs. Mit den U19-WM-Titeln 2019 und 2021 hatte sich das aktuelle Hoch quasi angekündigt. Nun treten die Tschechen nicht mehr mit dem Anspruch an, sich vor der Schweiz zu klassieren. Sie wollen den Titel und könnten jenen Druck zu spüren bekommen, an dem die Schweizer jeweils gescheitert sind, als sich die Chance vermeintlich geboten hatte.
Schwedisches Know-how auch nach Jansson
Die Schweiz ihrerseits befindet sich in einem wahrscheinlich noch grösseren Umbruch als nach dem Nationalmannschafts-Rücktritt von Matthias Hofbauer Ende 2018. Nicht nur auf dem Feld ist der personelle Einschnitt seit der WM vor zwei Jahren gross. Mit dem Ausstieg von David Jansson aus dem Schweizer Verband endete kurz vor dem Auftakt zur WM 2024 eine Ära. Der smarte Schwede war von 2015 bis 2022 Nationalcoach der Männer, übte er zwei Jahre lang als «Swiss Way Coach» ein übergreifendes Amt aus und genoss ein hohes Standing. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus.
Schwedisches Know-how ist indes weiter erwünscht. Seit zweieinhalb Jahren trägt mit Johan Schönbeck ein anderer Fachmann aus dem Land des Rekord-Weltmeisters die Verantwortung für das Männer-Nationalteam. Die Aufgabe des 53-jährigen ehemaligen Meistertrainers von Wiler-Ersigen und Cupsiegers mit Langnau ist keine leichte: Er soll die Schweiz wieder in die Top 3 führen und muss zugleich so etwas wie einen Neuanfang moderieren.
In Malmö, wo Schönbeck seine WM-Premiere erlebt und personell etwas mehr auf Wasserverdrängung setzt als seinerzeit Jansson, tritt das Nationalteam mit zwölf Debütanten an. «Für eine WM haben wir ein sehr unerfahrenes Kader», findet auch der Trainer. Sein 20-köpfiges WM-Team sei «ein Mix aus Jugend und Erfahrung», sowohl die Debütanten als auch die WM-Erfahrenen würden «keine homogene Gruppe» bilden. Auch deshalb lag der Fokus in der Vorbereitung verstärkt auf der Defensive und dem Umschaltspiel, dem Fundament eines neuen Konstrukts, das erst wachsen muss.
Ohne Druck und mit einer Handvoll Routiniers
Patrick Mendelin, mit 37 Jahren der erfahrenste Spieler im Schweizer Team und vor seiner siebten WM-Teilnahme, sieht in der Rolle des Aussenseiters unter den Top 4 willkommene Vorteile: «Wir haben weniger Druck. Für das junge Team ist das sicher nicht schlecht.» Den Druck, den die Schweiz früher hatte, habe jetzt Tschechien, so der Stürmer und bald dreifache Familienvater, der in den letzten Jahren seinen Heimatklub Basel Regio als Spieler und Funktionär in Personalunion in die höchste Liga geführt hat.
Wie mit Basel Regio tritt Mendelin in Malmö auch mit dem Nationalteam für einmal nicht mit Titelambitionen an. «Natürlich willst du immer eine Medaille. Aber es wäre vermessen zu sagen, man wäre in den Top 4 nicht der Underdog», sagt er. Mendelins Erfahrung ist unter diesen Vorzeichen besonders gefragt. Der Basler Routinier ist der Duracell-Hase im Schweizer Unihockey, er steht vor seiner siebten WM und hat dabei mehrere Generationen durchlaufen. Seine ersten Titelkämpfe ab 2008 bestritt Mendelin noch an der Seite von Koryphäen wie Matthias Hofbauer.
Mit Jan Bürki, Manuel Maurer, Jan Zaugg und dem soeben von einer Meniskusverletzung zurückgekommenen Nicola Bischofberger sind im neuen Nationalteam neben Mendelin vier weitere Spieler seit 2018 dabei. Auf ihnen und dem 23-jährigen Captain Noël Seiler wird in Malmö der Grossteil der Verantwortung lasten.