Kieler «Tatort» im Check Wie viele Mörder waren mehrfach zu sehen?

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3.10.2021

Lars Eidinger spielte in neun Jahren dreimal furios den «Tatort»-Mörder Kai Korthals alias «der stille Gast». Ein Unikum oder gab es zuvor schon Fälle, in denen der Mörder zurückkehrte?

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Lars Eidinger ist derzeit vielleicht die grösste Nummer unter den deutschen Schauspielern. Der 45-Jährige, früher lange Jahre Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne, ist der klassische Typ des exzentrischen «Gross-Schauspielers», der auch mal Kinski-mässig verrückte Dinge tut. Selbst wenn Eidinger den mimischen Bogen arg überspannt, ist dies ob seiner Extra-Klasse immer noch faszinierend anzuschauen.

Wem sonst würde man es «verzeihen», wenn ein Krimi wie der «Tatort: Borowski und der gute Mensch» mit einem längeren Monolog aus Schillers «Die Räuber» beginnt – dargestellt von der Theater-AG eines Gefängnisses?

Weil Eidingers Psychopathen-Mörder Kai Korthals Macher und Publikum faszinierte, durfte der in (West-)Berlin geborene Schauspieler ihn dreimal geben. Die ganz grosse Ausnahme in 51 Jahren «Tatort» – oder gab es andere Mörder, die zu wiederkehrenden Hauptdarstellern wurden?

Worum ging es?

Mit einem seiner berühmten Verkleidungs-Tricks gelingt Frauenmörder Kai Korthals während eines Brandes die Flucht aus dem Gefängnis. Kommissar Borowski (Axel Milberg), dessen grosse Liebe Frieda Jung (Maren Eggert) sich nach dem letzten Zwischenfall mit Korthals von ihm getrennt hatte, versucht mit dem traumatischen Aufflammen der Vergangenheit möglichst cool umzugehen – was natürlich nicht klappt.

Der Serienmörder, welcher Borowski als «seinen einzigen Freund» bezeichnet, erhielt in seiner Knastzeit viele Liebesbriefe. Eine der Frauen, die sich zum Inhaftierten hingezogen fühlten, war die blinde Telefonseelsorgerin Teresa Weinberger, gespielt von der Schweizerin Sabine Timoteo. Eben zu ihr scheint sich der geflohene Psychopath nun auf den Weg zu machen.



Worum ging es wirklich?

Eine tolle TV-Thriller-Trilogie sollte hier mit neuem Erzähl-Twist zu Ende gebracht werden. Film eins, «Borowski und der stille Gast», lebte 2012 vom brillanten Grusel eines gelungenen «Home Invasion»-Thrillers. Lars Eidinger als stummer Paketbote und Verkleidungskünstler, der scheinbar wie ein Geist am Leben seiner Opfer teilnahm – das fühlte sich beim Zuschauen wunderbar irritierend, innovativ und unheimlich an.

Teil zwei, «Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes», inszenierte 2015 die persönliche Beziehung zwischen Borowski und Korthals. Reichlich «larger than life», aber auch dieser Ansatz hatte seine Momente.

Und nun? Autor Sascha Arango (auch Teil 1 und 2) spielte meisterhaft mit alten Motiven (das «durch Wände Gehen», das geisterhafte Lutschen an fremden Zahnbürsten), unterfütterte den spannenden Thriller aber mit viel grimmigem Humor und tollen, durchaus witzigen Dialogen. Das passte.

Nun ist aber auch gut – wie das Ende unmissverständlich klarmachte. Kai Korthals wird nicht zum «Tatort»-Franchise. Es sei denn, er kommt 2030 geklont zurück ...

Kehrten andere «Tatort»-Mörder zurück?

Nein. In den 51 Jahren «Tatort» ist die Rückkehr einer Mörderfigur über mehrere, getrennt zu betrachtende Folgen einmalig. Natürlich gab es in der Geschichte des Formats Zweiteiler (wie zuletzt zum 50. Geburtstag der Reihe 2020 mit dem Münchner-Dortmunder Doppelfall «In der Familie») Mörder, die in beiden Filmen auftraten – aber dies dann im Rahmen desselben Falls. Laut Datenquelle «Statistika» kamen dafür zwischen 1970 und März 2018 67 «Tatort»-Filme ganz ohne Mörder aus.

Was es dafür häufiger gab: Schauspieler, die in «Tatort»-Folgen unterschiedliche Mörder spielten. Eine Kategorie, in der immer noch Florian Bartholomäi führen könnte, der 2016 – zur 1'000 Folge des «Tatorts» – als bislang häufigster Mörder-Darsteller enttarnt wurde. Seine Bilanz: Allein sechsmal zwischen 2005 und 2016 war er der Täter. Bei fünf weiteren Auftritten gab er den (zu Unrecht) Verdächtigten.

Mit welchen «Nebenprodukten» feiert das Erste den Korthals-Kult?

Wer die alten Filme mit dem «stillen Gast» noch einmal sehen will, kann dies in der ARD Mediathek tun, wo «Borowski und der stille Gast» sowie «Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes» zusammen mit dem neuen Film ab 3. Oktober als Trilogie «on demand» bereitstehen.

Zusätzlich hat sich der NDR entschlossen, den in dieser Form wohl einmaligen «Tatort»-Coup per Serien-Podcast zu feiern. Das Hörprodukt erzählt in neunmal 30 Minuten – mit den Stimmen der Original-Schauspieler – die Geschichte vom «stillen Gast» in der XXL-Audioversion. Seit Freitag, 17. September, erscheinen immer freitags drei neue Episoden in der Reihe «Tatort. Der Podcast». Sie werden ein Jahr ausschliesslich in der ARD Audiothek verfügbar sein.

Wie geht es beim Kieler «Tatort» weiter?

Ende September 2021 verkündete der NDR den Dreh eines neuen Kieler «Tatorts» mit dem Titel «Borowski und das hungrige Herz». Darin geht es um eine tote Frau, die zu einer Erotikparty und Sex mit sechs Männern eingeladen hatte. Warum tut man so etwas, fragen sich die Ermittelnden Sahin (Almila Bagriacik) und Borowski (Axel Milberg)? Der einzige Schlüssel zur Aufklärung scheint eine Freundin (Laura Balzer) zu sein, die die Tote entdeckt hat. Borowski und Sahin tauchen in die Welt von Sex- und Liebessüchtigen ein.