Letzte Staffel Verkohlte Puppen und Papier-Schnee – am Set von «Game of Thrones»

Marlène von Arx

11.3.2019

Der Anfang vom Ende ist nah: Im April startet die letzte Staffel von «Game of Thrones». Höchste Zeit, Westeros einen letzten Besuch an den Drehorten in Nordirland abzustatten.

Es ist Winter in Westeros. Ein Steinwurf entfernt von der Werft, wo der Luxusdampfer Titanic vor über 100 Jahren gebaut wurde, werden in den Titanic Studios von Belfast die Weichen für das schicksalshafte Ende von «Game of Thrones» gestellt. Zuerst wird die Kameralinse meines Smartphones mit einem Kleber abgedeckt, so dass damit in den sechs Studio-Hallen ja keine Fotos geschossen werden.

«Willkommen in den Mal-Hallen, wie wir die Studios auch nennen», begrüsst Baumeister Tom Martin, der schon seit der Pilot-Episode als Konstruktions-Manager dabei ist, die Besucher. Er öffnet die 20 Meter hohen Tore, hinter denen in den Siebzigerjahren noch Schiffe den letzten Schliff bekamen und bemalt wurden.

«Bei der letzten Staffel arbeiten wir viel mit Green Screen, und so sind bereits viele Sets weg, die wir nicht mehr brauchen. Ich kann Ihnen also nur die Privatgemächer der Lennisters in Halle A und das Drachenstein Audienz-Zimmer in der Halle B zeigen.» Immerhin. Die Sets sind eindrücklich.

Kit Harington (l.), Sophie Turner und Liam Cunningham während einer Pause auf dem Set.
Kit Harington (l.), Sophie Turner und Liam Cunningham während einer Pause auf dem Set.
HBO

Die Produktionsdesignerin Deborah Riley liess sich für die Drachenstein-Sets von Brutalismus-Stil und natürlich von der Zumaia Küste im Baskenland inspirieren – dort wurden in der letzten Staffel die Aussenaufnahmen gedreht.

Probesitzen auf dem Thron gefällig? Das lässt man sich nicht zweimal sagen. Was wie Stein aussieht, ist aus Kunststoff angefertigt, aber fühlt sich dennoch majestätisch an. Auf dem Lennister-Set werden Räume und Innenhof je nach Bedarf in neue Locations umfunktioniert. Cerseis Schlafgemach ist auf einem zweiten Stock angelegt: «Damit wir sie von unten auf ihrem Balkon filmen können, und weil wir jeden Zentimeter Platz brauchen», erklärt Martin. «Szenen in den Gängen haben wir gar draussen zwischen zwei Studio-Gebäuden gedreht.»

Unvorstellbare Dimensionen

80 bis 90 Sets werden pro Staffel benötigt. Rund 2'000 Leute arbeiten in irgendeiner Kapazität an einer Folge. «Momentan bauen 220 Handwerker für die letzte Staffel draussen eine 100 Meter lange Strasse von Königsmund aus Holz, Gips und Styropor nach. 32 Wochen dauert der Bau insgesamt, 38 Gebäude stehen bereits», so Martin. In der letzten Staffel wurden die Aussenaufnahmen noch in der Altstadt von Dubrovnik in Kroatien gedreht. Bedeutet der Nachbau, dass Königsmund in Schutt und Asche aufgehen wird? Wir werden es in den verlängerten Episoden der bevorstehenden letzten Staffel sehen.

Sicher ist indes, dass es zur grossen Schlacht mit der Armee der Toten kommt. In der Werkstatt arbeiten Giampaolo Grassi und sein Team an den Rüstungen aus Leder und Metal. Dem Italiener wurde das Metier in die Wiege gelegt: Sein Vater war für «Ben Hur» und weitere Sandalenfilme aus den Sechzigerjahren verantwortlich. Im Kostüm-Department hängen reihenweise Statisten-Kostüme: «Was wir nicht mehr brauchen wird eingepackt, mit einem Bar-Code versehen und in eine Lagerhalle 20 Minuten von hier gebracht, so können wir jederzeit darauf zurückgreifen», so Emma O’Loughlin. Dann zeigt sie ein Jon-Schnee-Kostüm – ethisch gewonnene Seehund-Haut wurde dafür verwendet und viel falsches Fell.

Kit Harington posiert mit unserer Kolumnistin Marlène von Arx.
Kit Harington posiert mit unserer Kolumnistin Marlène von Arx.
Marlène von Arx

Apropos Jon Schnee, wo sind all die Schauspieler eigentlich? Kit Harington spüre ich schliesslich in einem unspektakulären Sitzungszimmer auf. «Hier um diesen Tisch hatten wir das erste gemeinsame Vorlesen der letzten Staffel mit den Schauspielern», lässt er den Blick über den leeren Konferenz-Raum schweifen. «Ich hatte mich entschlossen, die Drehbücher vorher nicht zu lesen. Ich halte mich ja für einen recht zynischen, realitätsnahen Engländer, den man nicht so leicht erschüttern kann. Aber Mann, habe ich unterschätzt, was für ein emotionaler Schlag in die Bauchgegend das für mich war! Nicht nur was in den Folgen passiert, sondern einfach auch, weil nun alles zu Ende sein wird. Normal heisst es auf der letzten Seite: ‹Ende von Staffel 6 oder 7›, diesmal hiess es ‹Ende von Game of Thrones›.»



Das Vorlesen wurde gefilmt. Es gab eine Standing Ovation und Tränen. «Ich hatte das vorher noch nie bei einem Job. Ich kann die Endgültigkeit sonst nur mit meinem Schulabgang vergleichen. Einerseits will ich wie ein Teenager in die weite Welt, andererseits möchte ich den Schürzenzipfel der Eltern nicht loslassen.»

Was er über die achte Staffel verraten kann? «Jon Schnee klopft dieses Jahr ein, zwei lustige Sprüche, obwohl er wirklich kein humorvoller Typ ist.» Deswegen will Harington als nächstes eine unsinnige Komödie machen: «Um das Morbide abzuschütteln.»

Seine letzte Szene dreht er auf einem Pferd, aber man soll nichts daraus schliessen, es wird ja nicht in Reihenfolge gedreht.

«Das Budget hat sich verzehnfacht»

Tag zwei des Set-Besuchs: Wir fahren nach Winterfell, wo das Haus Stark beheimatet ist. Das Moneyglass Landgut aus dem 19. Jahrhundert gehört der Familie Higgins, ist seit 2011 an «Game of Thrones» vermietet und wurde jetzt noch erweitert.

Durch Matsch und Schnee laufe ich an verkohlten Leichen vorbei. Gerade werden noch mehr «tote» Puppen aus einem Anhänger ausgeladen. Hier ging es offensichtlich ziemlich ruppig zu und her. Immerhin ist der aus kleinen Papierschnitzeln gefertigte Schnee biologisch abbaubar.

Eine Episode «Game of Thrones» soll inzwischen 15 Millionen Dollar kosten. «Mein Budget hat sich seit der ersten Staffel verzehnfacht», bestätigt Location Manager Robert Boake. «Hier auf dem Gut arbeitet zur Zeit rund um die Uhr immer jemand. Für die Sicherheit geben wir bei dieser Staffel doppelt soviel aus wie letztes Jahr. Wir arbeiten mit der Polizei zusammen, die uns hilft, Drohnen auszumachen, bevor sie Bilder aufnehmen oder unsere Pferde aufschrecken können.»

Der «Schnee» ist nicht echt, sondern besteht aus kleinen Papierfetzen. Eis ist meist einfach Gips.
Der «Schnee» ist nicht echt, sondern besteht aus kleinen Papierfetzen. Eis ist meist einfach Gips.
HBO

Am Nachmittag geht es dann noch weiter ganz in den GoT-Norden zur Mauer und zur Schwarzen Festung – Reich der Nachtwache, der Weissen Wanderer und von Jon Schnee. Die zweistöckige, quadratische Konstruktion befindet sich im Steinbruch von Magheramorne ausserhalb Belfasts und wird mit Wellblech und Hecken vor den Blicken neugieriger Touristen auf der Hauptstrasse abgeschirmt.

Der Eiseffekt der Mauer wird mit Kunststoff, Gips, aufgespraytem Kerzenwachs und Seesalz erzeugt. «Das fängt das Licht optimal ein und gibt einen schönen Glitzereffekt», so Tom Martin. «Dazu zieht das Salz Feuchtigkeit aus der Luft. Über Nacht bilden sich kleine Tröpfchen, was nicht nur kalt aussieht, sondern sich für die Schauspieler und Stuntleute auch so anfühlt, wenn sie schliesslich mit richtigen Eispickeln daran hochklettern.»

Für Kit Harington hat dieser Ort eine besondere Bedeutung: Hier ist Jon Schnee schon mal gestorben, und hier ist alles richtig gebaut, nichts ist CGI: «Ich hoffe, die machen daraus ein Hotel, damit die Leute in der schwarzen Festung übernachten können.» Das wäre zumindest ein kleiner Trost, wenn «Game of Thrones» schon bald der Vergangenheit angehören wird.

Die bisherigen sieben Staffeln von «Game of Thrones» sind auf Teleclub on Demand abrufbar.

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