23 Staffeln «South Park» – unreifer Mist oder eben doch geniale Sozialkritik?

Von Fabian Tschamper

4.10.2020

Das klassische Bild aus «South Park»: Stan, Kyle, Eric und Kenny stehen an der Bushaltestelle auf dem Weg zur Schule.
Das klassische Bild aus «South Park»: Stan, Kyle, Eric und Kenny stehen an der Bushaltestelle auf dem Weg zur Schule.
Comedy Central

Die Köpfe hinter der Animationsserie «South Park» haben ein einstündiges Special zur Pandemie erarbeitet. Jeder Fehltritt der USA, jede verspätete Reaktion wird wohl thematisiert. Und wie gewohnt, dürften die Grundschüler kein Blatt vor den Mund nehmen.

Meist gibt es zwei Meinungen zur Serie «South Park»: Die einen finden es kindisch, dämlich, ja sogar ekelhaft. Die anderen sehen darin sozialkritischen, derben Humor, einen Geniestreich. Nun, beide Seiten haben recht.

Doch nehmen wir uns die Zeit, an der Oberfläche von «South Park» zu kratzen.

South Park ist ein kleines Bergstädtchen in Colorado, USA. Protagonisten sind hauptsächlich die vier Primarschüler Eric Cartman, Kenny McCormick, Kyle Broflovski und Stan Marsh. Die Macher Trey Parker und Matt Stone, die übrigens die meisten Charaktere aus «South Park» selbst vertonen, haben zudem noch viele andere ikonische Bewohner erschaffen, die immer wieder den Weg der Hauptfiguren kreuzen. Oftmals sind die Charaktere mit Klischees behaftet, die überspitzt veranschaulicht werden.

Das Ortsschild vor dem Stadteingang: «South Park».
Das Ortsschild vor dem Stadteingang: «South Park».
Comedy Central

Die vier – mal mehr oder weniger guten – Freunde begegnen in ihrem täglichen Leben verschiedenen sozialen Konstrukten, denen sie einen Sinn zuzuweisen versuchen: Etwa ihre erste Begegnung mit Religion, gleichgeschlechtlicher Liebe oder auch Rassismus sind Dinge, die sie anfangs nicht verstehen.

Die daraus resultierenden Debatten, Streitereien, eventuell sogar Tötungen veranlassen die Kinder dann dazu, die zugrunde liegenden Probleme in einer Gesellschaft zu analysieren. Es finden sich nicht wenige Ermahnungen oder Lektionen in «South Park», die die echte Gesellschaft daran erinnern will, wie sinnlos so manche Auseinandersetzung sein kann.

In South Park leben und lernen

Parker und Stone verpacken die – zugegebenermassen – manchmal seichte Lebensschule in sehr derbem Humor. Sie nehmen niemals ein Blatt vor den Mund, so wie es höchstwahrscheinlich ein Grundschüler machen würde, der es nicht besser weiss. «South Park» ist beispielsweise dafür verantwortlich, dass im heutigen amerikanischen Fernsehen das Wort «shit» nicht zensiert werden muss. Ironischerweise wird es in der Serie durch eine TV-Show namens «Cop Drama» normalisiert, plötzlich sagen alle in der Stadt South Park das Wort, ohne mit der Wimper zu zucken.

Cartman (links) will aus dem momentanen «shit»-Hype Kapital schlagen – mit Fan-Artikeln. Stan traut der Sache nicht.
Cartman (links) will aus dem momentanen «shit»-Hype Kapital schlagen – mit Fan-Artikeln. Stan traut der Sache nicht.
Comedy Central

Gleiches tat «South Park» für die damalige Fernsehlandschaft. Mit ihrem 162-maligen «shit» während dieser Episode ebnete es vielen Serien den Weg, heute derbere Sprache gebrauchen zu können – und damit wohl näher an der Realität zu sein.

Jene für «South Park»-Massstäbe eher harmlose Folge war nur ein kleiner Schritt. Eric, Kenny, Stan und Kyle beschäftigten sich beispielsweise auch mit dem Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz. In dieser Episode lernen sie unter anderem von Nazis, was Toleranz heisst und realisieren, dass nur Akzeptanz der richtige Weg ist.

Endlose Kontroversen – und doch geht's weiter

Wie man sich vorstellen mag, kennt sich «South Park» inzwischen gut aus mit dem Wutbürgertum und Kontroversen. Für die obige Episode über das Schimpfwort «shit» hagelten über 5'000 Beschwerdemails auf Comedy Central, den ausstrahlenden Sender, ein.

In der elften Staffel gebrauchen die Bewohner von South Park zudem die unzensierte Version des N-Worts, überraschenderweise gab es da nur wenige negative Reaktionen. Die schwarze Community sowie die NAACP lobte «South Park» für ihren humoristischen Ansatz und die korrekte Darstellung, wie sich Schwarze fühlen würden, wenn sie so genannt werden.

Der Umgang mit Diskriminierung wird in «South Park» generell gepriesen: Die jüdische Gemeinschaft teilte Parker und Stone mit, dass sie den offenen Antisemitismus von Eric Cartman gegenüber seines Kollegen Kyle Broflovski als angemessene Repräsentation sehen. Über Staffeln hinweg diskriminiert Eric Kyle aufgrund seines Glaubens, es sei eine akkurate Situation, mit der sich viele jüdische Gläubige auch heute noch konfrontiert sehen.

Das Special zur Pandemie

In der ersten einstündigen Folge seit dem Entstehen von «South Park» widmen sich Parker und Stone der aktuellen Pandemie. Die Bewohner von South Park tragen Masken, sitzen in der Schule in ihren eigens angefertigten Plexiglas-Kisten und reagieren, wie die Gesellschaft beim Ausbruch reagiert hat – mit Misstrauen, Verschwörungstheorien.

Wie sich eine Pandemie in «South Park» abspielt, kann man ab 4. Oktober auf Comedy Central sehen oder ab 5. Oktober auf southpark.de, die offizielle Seite der Serie, wo alle Folgen gratis zur Verfügung gestellt werden.

«South Park» wirkt auf den ersten Blick hässlich und pubertär, wie TV-Abschaum. Doch wer tiefer zu blicken wagt und sich von den Protagonisten und Bewohnern nicht abschrecken lässt, der findet soziale Kritik auf einem hohen Niveau. Die heutigen kaputten Teile der Gesellschaft werden im kleinen Bergstädtchen so offen gelegt, wie sonst nirgends.

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