Scharfseher In Langstrassen-Doku: «Die Meute war asi und mega-betrunken»

Von Lukas Rüttimann

26.4.2019

Im zweiten Teil der SRF-Reportage «Schöne neue Stadt – die Langstrasse im Wandel» wurde das Nachtleben im «Chreis Cheib» thematisiert. Wer nackte Tatsachen erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Die wohl berühmteste Strasse der Schweiz im Spannungsfeld zwischen Gentrifizierung und Nostalgie: Der Ansatz, den das Schweizer Fernsehen für die zweiteilige Reportage «Schöne neue Stadt – die Langstrasse im Wandel» wählte, hatte sich zum Auftakt vor Wochenfrist bewährt. Tatsächlich führte dieser erste Teil einen bunten Mix aus Szenen-Originalen und Opinion Leaders in Sachen Zürcher Langstrasse ein, und die daraus entstandene Diskussion liess den Zunder nicht vermissen.



Ein bisschen zu kurz kam indes jener Aspekt, den wohl die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Langstrasse verbinden. Siff, Suff und Sex. Doch wer erwartet hatte, dass der zweite Teil mit seinem Setting in den Abend- und Nachtstunden nackte Haut und jede Menge nächtliche Milieu Action nachliefern würde, sah sich getäuscht. Auch gestern blieb die Dokumentation ihrer nüchternen Tonalität treu.

Herrliche SRF-Archivaufnahmen

So startete die Sendung mit einer Wohnungsbesichtigung mit Architektin Vera Gloor und dem etwas traurigen Besuch bei Martin Furrer. Dessen Perücken-Shop gehörte über Jahre fix zur Langstrasse. Doch nachdem er seinen Laden räumen musste und ein wenig weiter weg einen Neustart versuchte, blieb die Kundschaft aus. «Wer heute nicht online ist, hat keine Chance», brachte es «Head Shop»-Chef Werner Bösch auf den Punkt. Der quirlige Bösch verbreitete später typisches Langstrassen-Feeling, indem er mit einem Joint im Mund über das «längst fällige Revival« von Marihuana als Heilpflanze referierte.

Überhaupt: Das bisschen Milieu-Nostalgie tat der Sendung gut, auch wenn vieles aus der Kiste stammte. Philosophierenden Betrunkenen in den frühen Morgenstunden, Szenen-Originale mit den schlechten Zähnen, halbnackte Stripperinnen, Spaghetti mampfenden Gastarbeiter und Halbstarken im Zwist mit lärmgeplagten Anwohnern – bei den Archivaufnahmen konnte die Macher aus dem Vollen schöpfen.

«Olé Olé»-Bar als Brückenbauer

In der gentrifizierten Gegenwart ging es dagegen geradezu gesittet zu und her. Beim Ausgang mit Szenenkenner Alex Flach etwa wurde zuerst gekocht, dann gabs TV-Fussball und selbst die paar Shots in der Bar wirkten eher harmlos. «Die Vernunft sagt das eine, die Leber etwas anderes», fasste es der Journalist treffend zusammen.

Mehr Action gabs erwartungsgemäss in der «Olé Olé»-Bar von Elena Nierlich. Der wiederbelebte Szenentreff vor, respektive nach der Langstrassenunterführung hat sich als Panoptikum der modernen Langstrasse etabliert. Deshalb konnte Nierlich in der Talkrunde denn auch reichlich entspannt anmerken, man solle doch das Alte und Neue am besten zusammen geniessen. Und mit den Einträgen aus dem Tagebuch ihrer «Olé Olé»-Angestellten lieferte sie gleich den Beweis dafür, dass das keine schlechte Idee ist. «Die Meute war ein wenig asi und mega-betrunken» – eine solche Beobachtung dürfte jedenfalls zur Langstrasse aus jeder Ära passen.

«Schöne neue Stadt – Die Langstrasse im Wandel» lief am Donnerstag, 25. April, um 21.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Und hier noch die Bilder des Tages
Zurück zur Startseite