InterviewRegisseur Julian Schnabel: «Ach, Kritiker... die können mich mal»
Lukas Rüttimann
21.4.2019
«At Eternity's Gate» von Schnabel
Der Amerikaner Julian Schnabel (rechts) drehte den Film für sich – kein Publikum und keine Preise. Als Hauptdarsteller hat er seinen guten Freund und Charakterkopf Willem Dafoe besetzt.
Bild: ZVG
Willem Dafoe mimt den zerrütteten Maler Vincent van Gogh.
Bild: ZVG
Oscar Isaac spielt Paul Gauguin – selbst Maler und guter Freund van Goghs.
Bild: ZVG
Seine Psyche wurde ihm zu Verhängnis: Vincent van Gogh hat sich bekanntlich ein Ohr abgeschnitten.
Bild: ZVG
«At Eternity's Gate» von Schnabel
Der Amerikaner Julian Schnabel (rechts) drehte den Film für sich – kein Publikum und keine Preise. Als Hauptdarsteller hat er seinen guten Freund und Charakterkopf Willem Dafoe besetzt.
Bild: ZVG
Willem Dafoe mimt den zerrütteten Maler Vincent van Gogh.
Bild: ZVG
Oscar Isaac spielt Paul Gauguin – selbst Maler und guter Freund van Goghs.
Bild: ZVG
Seine Psyche wurde ihm zu Verhängnis: Vincent van Gogh hat sich bekanntlich ein Ohr abgeschnitten.
Bild: ZVG
Der New Yorker Maler Julian Schnabel hat mit «At Eternity’s Gate» einen aussergewöhnlichen Film über Vincent van Gogh gedreht. «Bluewin» hat ihn getroffen.
Der eigenwillige Amerikaner spricht über das Leiden für die Kunst, seine Ablehnung gegenüber den Mechanismen in der Filmindustrie – und warum er seiner Frau nicht widersprechen will. Willem Dafoe glänz in der Rolle des geplagten Jahrhundertmalers Vincent van Gogh.
Julian Schnabel, «At Eternity’s Gate» ist ein origineller und toller Film, der seinem Publikum jedoch einiges abverlangt. Muss man für gute Kunst leiden?
Leiden gehört zur Kunst sicherlich dazu. Ich fand es einfach wichtig, meinen Film so zu erzählen, wie ich ihn innerlich fühlte. Wenn man versucht, einem Publikum zu gefallen, endet das meist unbefriedigend, und zwar für beide Seiten. Ich weiss schliesslich nicht, wie Sie den Film gerne sehen würden. Wenn ich meine künstlerische Vision für eine Annahme aufgebe, habe ich nichts davon. Deshalb drehe ich den Film lieber so, wie ich es für richtig halte, auch wenn das für den Zuschauer nicht immer angenehm sein mag. Als Künstler mag ich keine Kompromisse. Und wenn ich es mir recht überlege – auch sonst nicht. (lacht)
Sie haben sehr lange an diesem Film gearbeitet. Wie sehr mussten Sie beim Dreh selber leiden?
Leiden heisst leben, das sagt ihnen jeder Buddhist. Aber während der Dreharbeiten haben wir vor allem ein grosses Vergnügen verspürt, denn das Projekt lag allen Beteiligten sehr am Herzen. Natürlich hat es mir geholfen, dass ich aus eigener Erfahrung weiss, wie man Leid oder Schmerz in Kunst übertragen kann. Diese Knöpfe drücken zu können, ist dem Film sicher nicht schlecht bekommen. Aber im Grossen und Ganzen hatten wir viel Spass. Es war toll zu erleben, wie leidenschaftlich alle an diesem Abenteuer mitgewirkt haben.
Es heisst, Sie hätten sich ursprünglich geweigert, diesen Film zu machen. Warum?
Das stimmt, die Filmidee wurde über Jahre immer wieder an mich heran getragen, und ich habe jedes Mal abgelehnt. Es gibt schon so viele Filme über Vincent van Gogh. Jeder Regisseur meint, er könne etwas Neues zeigen. Ausserdem war das Drehbuch zu Beginn schrecklich. Erst als ich den Zugang fand, den Film so zu drehen, wie wenn man sich ein Gemälde ansieht, konnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden. «At Eternity’s Gate» funktioniert wohl am besten, wenn man keine Ahnung hat, wer Van Gogh war. Aber das ist unmöglich. Deshalb war es eigentlich auch unmöglich, einen Film über ihn zu drehen. Allerdings fand ich das wiederum einen ziemlich guten Grund, ihn trotzdem zu machen.
Mit Willem Dafoe verbindet sie eine jahrelange Freundschaft. War er von Anfang an Ihre erste Wahl als Hauptdarsteller?
Ja. Willem und ich vertrauen uns vollkommen, wir sprechen die gleiche Sprache. Nach «Basquiat» und «Miral» ist «At Eternity’s Gate» unser dritter gemeinsamer Film. Willem ist ein Schauspieler mit einer ungemein starken physischen Präsenz. Er konnte van Gogh sehr viel Tiefe verleihen. Ihn in diesem Film zu besetzen, lag für mich auf der Hand.
«At Eternity’s Gate» wirkt stellenweise wie ein filmgewordener Galeriebesuch. Welches Publikum hatten Sie im Sinn, als Sie diesen Film drehten?
Gar keines. Es ist ein bisschen wie bei Van Gogh: Das Publikum für diesen Film ist noch gar nicht geboren. Dieser Film wird in den nächsten 50 Jahren immer wieder von Menschen geschaut werden, die etwas ganz Persönliches für sich herausnehmen werden. So sehe ich das zumindest. Auf jeden Fall entzieht er sich den üblichen Mechanismen eines Kinoreleases oder dem Zeitrahmen, um ihn bei den Golden Globes oder einem bestimmten Festival ins Rennen zu schicken. Deswegen haben wir den Film nicht gemacht. Mir ist es egal, was diese Leute denken.
Aber wenn die Kritiker Ihren Film über den grünen Klee loben, haben Sie sicher auch nichts dagegen, oder?
Ach Kritiker... die können mich mal. Einer schrieb, mein Film wäre das Grösste seit der Erfindung des geschnittenen Brots. Ein anderer meinte, er sei das Schlimmste seit Michelangelo Antonionis «The Passenger». Mit beidem kann ich gut leben. Mir waren auch die Oscars egal, denn unser Film passte da nicht rein. Haben wir, beziehungsweise Willem, der als bester Hauptdarsteller nominiert war, am Ende gewonnen? Natürlich nicht, denn uns fehlte das Geld, um eine Kampagne bei den entscheidenden Leuten zu fahren. Hätte er es verdient gehabt? Ja. Willem hat meiner Meinung nach die beste Leistung des Jahres geliefert.
Warum mögen Sie die Oscars nicht?
Dieser Event erinnert mich immer an den Spruch von Groucho Marx: Ich will in keinem Club Mitglied sein, der mich als Mitglied aufnimmt. Wir sassen also da in unseren Fracks und schauten dem Ganzen irgendwie belustigt zu. Natürlich wusste ich, dass weder ich noch Willem irgend etwas gewinnen würden. Doch viel wichtiger war: Ich wusste, dass wir es eigentlich verdient gehabt hätten. Für mich sind Auszeichnungen oder Lob nicht entscheidend. Wichtiger ist, dass ich das Gefühl habe, dass ich meine Arbeit gut erledigt habe.
Fühlen Sie sich missverstanden?
Ganz und gar nicht. Die richtigen Leute wie sehen mich genau richtig. Ich denke aber, dass man meine Filme anders beurteilen muss als einen Hollywood-Blockbuster. Ich habe «At Eternity’s Gate» wahrscheinlich hundert Mal gesehen und immer wieder Neues entdeckt. Das können Sie von einer Comic-Verfilmung kaum sagen. Am liebsten schaue ich meine Filme übrigens zusammen mit einem Publikum in einem gut gefüllten Kinosaal. Vielleicht bis auf dieses eine Mal an einem Festival, bei dem die Dame neben mir die ganze Zeit auf ihrem Handy herumtippte. Aber das war zum Glück nicht hier in der Schweiz.
Sie sind öfters hier im Land. Wie beurteilen Sie die Schweizer Kunstszene?
Die Schweiz hat eine grossartige Kunstszene, auf die sie zu recht stolz sein kann. Ich pflege nach wie vor einen guten Kontakt zu vielen Freunden. Ausserdem gefällt es meiner Partnerin hier ausgezeichnet. Und ich werde mich hüten, ihr in irgendeiner Weise zu widersprechen.
«At Eternity’s Gate» läuft derzeit in unseren Kinos.
Leer und ausgebrannt: In «Destroyer» liefert Nicole Kidman eine beeindruckende One-Woman-Show ab.
Bild: Concorde Filmverleih GmbH
Detective Erin Bell (Nicole Kidman) will sich an jenem Mann rächen, der einst ihr Leben zerstört hat.
Bild: Concorde Filmverleih GmbH
Erin und Chris (Sebastian Stan) werden in einen Undercover-Einsatz geschickt. Doch der Auftrag geht furchtbar schief.
Bild: Concorde Filmverleih GmbH
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Bild: 2019 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC
Der 14-jährige Billy Batson (Asher Angel) bekommt von einem Zauberer magische Kräfte verliehen.
Bild: 2019 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC
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Bild: 2019 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC
Nicht nach unten schauen! «Free Solo» zeigt Freikletterer Alex Honnold bei seiner Besteigung von «El Capitan».
Bild: Capelight Pictures
Da hinten will er hoch: Alex Honnold am Fusse des El Capitan.
Bild: Capelight Pictures
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Bild: Capelight Pictures
«At Eternity's Gate» erzählt, wie Vincent van Gogh zu einem der wichtigsten Künstler aller Zeiten wurde – und was es mit dem abgeschnittenen Ohr auf sich hat.
Bild: DCM
In Frankreich entwickelt Vincent van Gogh (Willem Dafoe) seinen Stil.
Bild: DCM
In Paris lernt Vincent van Gogh den Maler Paul Gaugin (Oscar Isaac) kennen.
Bild: DCM
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Bild: MFA + Filmdistribution e.K.
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Bild: MFA + Filmdistribution e.K.
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Bild: Disney
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