«Wetten, dass..?»-Comeback Retro-TV jenseits des Netflix-Grabens

Von Lukas Rüttimann

7.11.2021

Flashback in die 80er Jahre: Das «Wetten, dass..?»-Comeback drehte die Uhren zurück und blieb sich erstaunlich treu. Altersbedingte Aussetzer parierte Thomas Gottschalk mit der Nonchalance eines altehrwürdigen Show-Dinosauriers.

Von Lukas Rüttimann

Wer wissen wollte, wie das mit Spannung erwartete Comeback von «Wetten, dass..?» verlaufen würde, musste sich gestern eigentlich nur die erste Viertelstunde anschauen. Denn nach einer minutenlangen Standing Ovation des Nürnberger Saalpublikums setzte Moderator Thomas Gottschalk zum ersten seiner vielen Monologe an diesem Abend an und beendete ihn mit dem Fazit: «Wir geniessen das hier heute. Wir lassen uns Zeit.»

Genüsslich Zeit liess sich der in ein barockes Jackett gekleidete Moderator in der Folge reichlich. Bei Moderationen oft an der Grenze zur Selbstverliebtheit, bei altersbedingt eher zähen Verschiebung zwischen Schauplätzen, bei Reflektionen über die Veränderungen TV-Landschaft – das «Wetten, dass..?»-Comeback wurde zur grossen Gottschalk-Show, der sich hier offensichtlich wohler fühlte als zuletzt in modernen TV-Formaten auf anderen Sendern.

Ist auch klar: «Wetten, dass..?», das ist sein Wohnzimmer – und in diesem herrschte «Thommy» gestern so schlagfertig und souverän wie in besten Zeiten.

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Baggerwetten, Abba und Frank Elstner

Er selbst – und viele Zuschauer*innen – seien in einem Alter, «in welchem einem viele Dinge egal sind», sinnierte er hinsichtlich negativer Reaktionen. Diese Nonchalance zog sich durch die ganze Show. «Wetten, dass..?» versuchte gar nicht erst, sich neu zu erfinden. Alles war wie früher. Alles war wie immer. Und das war irgendwie gut so.

So landete Gottschalk einen flapsigen Spruch nach dem anderen. Es gab Gäste, die Filme oder Platten promoteten, ansonsten aber nicht viel zu sagen hatten (hallo, Helene). Es gab Michelle Hunziker, die den ganzen Abend lang fleissig strahlte, sonst Mühe aber hatte, bei Gottschalks Redefluss zu Wort zu kommen.

Es gab coole Kids, smarte Hunde, schräge Schwestern, eine Wasser-Nummer, eine Baggerwette und sogar einen Auftritt von «Wetten, dass..?»-Erfinder Frank Elstner. Wer da kein Flashback in die 80er Jahre hatte, kann diese Ära weder erlebt noch geliebt haben.



Selbst die Stargäste des Abends schienen wie aus der Zeit gefallen. Die Abba-Männer Björn und Benny kamen ohne die Frauen in ihrer Band, dafür mit einer neuen Platte. Und wie mit dem Album «Voyage» ist es letztlich auch mit «Wetten, dass..?»: Geboten wird, was das Publikum will. Doch der Zahn der Zeit kann bloss ignoriert, nicht aber weggezaubert werden.

Bei «Wetten, dass..?» zeigte sich das mit Gottschalks Blackout, als er mitten in der Moderation den Namen von Schauspielerin Svenja Jung vergass. Doch die Offenheit und Ironie, mit der der 71-Jährige diesen Lapsus parierte, kann man sich erlauben, wenn man von Klaas Heufer-Umlauf zuvor als «grösster Moderator Deutschlands» bezeichnet wurde.

Ein letztes Hurra – oder doch mehr?

Was nach fast vier Stunden Nostalgie-TV bleibt? Zum einen die Gewissheit, dass ein bewährtes Konzept und ein Moderator in Gala-Laune immer noch für gute Samstagabend-Unterhaltung sorgen. Auch wenn das aus der Generation Netflix niemanden interessieren wird.

Muss es deswegen aber gleich zu einer jährlichen Wiederholung kommen, wie es Frank Elstner in der Show forderte? Eher nicht. Bei Abba greift man nach ein paar Durchläufen von «Voyage» schliesslich auch lieber wieder zu «Super Trouper».