Es war einmal eine Königin ... die auch 70 Jahre später einfach ihren Job macht
Nur noch wenige Britinnen und Briten kennen ihr Land ohne jene Frau, die auf dem Thron sitzt. 70 Jahre ist es nun her, dass Elizabeth II. ihn bestieg. Krisen kommen und gehen – die Monarchin bleibt.
04.02.2022
Nur noch wenige Britinnen und Briten kennen ihr Land ohne jene Frau, die auf dem Thron sitzt. 70 Jahre ist es nun her, dass Elizabeth II. ihn bestieg. Krisen kommen und gehen – die Monarchin bleibt.
Wenige Stunden vor Beginn ihrer Regentschaft filmt die Queen – damals noch Prinzessin – Elefanten an einem Wasserloch. Gefesselt vom Ausblick aus dem Treetops Hotel, eingelassen in die Baumkrone eines gigantischen Feigenbaums im kenianischen Aberdare National Park, besteht sie sogar darauf, auf der Terrasse zu essen, um bloss keine Minute des Naturspektakels zu verpassen.
Heute ist das Treetops Hotel, in dem die damals 25-Jährige zu Queen Elizabeth II. wurde, geschlossen. Jahrzehntelang ein beliebtes Ziel für hochrangige Gäste aus aller Welt, musste es sich der «Daily Mail» zufolge der Last der Pandemie geschlagen geben. Die Queen dagegen hat sich von keinem Rückschlag kleinkriegen lassen, sondern bereitet sich auf die grosse Feier zu ihrem Platin-Jubiläum vor. Nur wenige Monarch*innen durften wie sie bisher 70 Jahre auf dem Thron erleben.
Vom «jungen Mädchen» zur Königin über Nacht
«Das erste Mal in der Geschichte der Welt ist ein junges Mädchen als Prinzessin auf einen Baum geklettert und als Königin wieder hinunter», schreibt der Reiseführer und Begleiter der Queen, Jim Corbett, nach dem denkwürdigen Aufenthalt in Kenia in das Gästebuch des Hotels.
Denn als Prinzessin Elizabeth sich in der Nacht zum 6. Februar 1952 in ihr Schlafgemach in den Baumwipfeln zurückgezogen hat, geschieht im Osten von England auf dem royalen Landsitz Sandringham das, was ihr Leben für immer verändern sollte: Ihr Vater, George VI., schliesst im Kampf gegen seine Krankheit für immer die Augen. Mehr als 4000 Meilen entfernt von der Hauptstadt ihres Reiches wird Elizabeth Königin. Eine neue Ära beginnt.
70 Jahre und etliche Krisen später steht die Monarchie im Vereinigten Königreich noch immer erstaunlich gut da. In Umfragen zeigt sich, dass eine klare Mehrheit der Briten daran festhalten will – je älter, desto grösser die Zustimmung. «Wir unterscheiden gar nicht wirklich zwischen der Monarchie und der Queen», sagt Verfassungsexperte Craig Prescott von der Bangor University im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Verständlicherweise. Denn man muss schon älter als 80 Jahre sein, um bewusst ein anderes Staatsoberhaupt als die Queen erlebt zu haben.»
«Es ist einfach etwas Nettes»
Trotzdem habe sich die Rolle des Königshauses stark verändert, meint Prescott. Früher habe das Volk seinen Monarchen wie selbstverständlich Ehrerbietung entgegengebracht. «Heute muss sich die Monarchie viel stärker für ihre Existenz rechtfertigen.»
Neben den konstitutionellen Aufgaben besteht eine der Hauptaufgaben der Royals heute darin, hübsche Bilder, bestärkende Worte und das eine oder andere Gerücht für die oft allzu ernsten Nachrichten zu liefern. «Es ist einfach etwas Nettes, das niemanden angreift», sagt Prescott.
Er wisse selbst von einer Brasilianerin, die sich in ihrer Heimat regelmässig ein Magazin besorge, das ausschliesslich den britischen Royals gewidmet sei. Weit über ihr Königreich hinaus reicht die Strahlkraft der Windsors, auch in Deutschland fahren ihre Hochzeiten oder Beerdigungen beträchtliche Quoten ein.
Doch der royale Wohlfühl-Zauber hat in den vergangenen Jahren heftig gelitten. Die Rassismusvorwürfe von Meghan und Prinz Harry, die sich von der Insel verabschiedet haben, haben am Image gekratzt. Noch schwerer wiegen die gerade wieder hochgekochten Anschuldigungen gegenüber Prinz Andrew, der in einen Missbrauchsskandal verwickelt ist und sich in den USA wohl vor Gericht verantworten muss.
Zwar distanzierte sich der Buckingham-Palast so weit wie möglich und erklärte, Andrew werde den Fall als «privater Bürger» bestreiten. Trotzdem hängt der Skandal über den königlichen Palästen wie eine dunkle Gewitterwolke, die sich jederzeit entladen kann.
So könnte es der Queen in diesen Tagen entgegenkommen, nicht direkt im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Noch immer ist der Tag, an dem sie Königin wurde, Insidern zufolge für sie persönlich eng mit dem Tod ihres geliebten Vaters verbunden. Sie verbringt das Jubiläum ihrer Thronbesteigung, den 6. Februar, üblicherweise ohne öffentliche Termine, in Ruhe auf ihrem ostenglischen Landsitz in Sandringham – nicht nur in Zeiten von Corona. Ihr Platin-Jubiläum ist gleichzeitig der erste Jahrestag, den sie ohne ihren im vergangenen Jahr gestorbenen Ehemann Prinz Philip bestreiten muss.
Einen Tag frei zum Jubeltag
Gross gefeiert werden soll trotzdem, aber erst Anfang Juni. Über mehrere Tage sind Konzerte, Shows, Paraden und Strassenfeste im ganzen Land geplant, die Briten bekommen dafür sogar extra einen Tag frei. Geht es nach den Windsors, soll es ein Jahr werden, in dem nach langer Zeit die Monarchie wieder einmal ausgiebig bejubelt wird.
Die grösste Herausforderung für das Königshaus sieht Experte Prescott, wenn der Tag gekommen ist, an dem Charles König wird. Es sei durchaus denkbar, dass die hohe Zustimmung dann rapide abnehme.
In Umfragen schneidet Charles längst nicht so gut ab wie seine Mutter. Der Tod der Queen werde ein «massiver Moment in all unseren Leben sein», sagte kürzlich auch der langjährige BBC-Moderator Andrew Marr in einem Interview mit der «Daily Mail». «Das wird das ganze Land auf eine Weise aufrütteln, die man sich kaum vorstellen kann, bis wir es erlebt haben.»