Kolumne am MittagModel mit Schweizer Wurzeln sprengt das enge Korsett der Fashion-Szene
Von Bruno Bötschi
16.2.2021
Paloma Elsesser trägt Grösse 44 und ist eines der erfolgreichsten Models der Stunde: Die 28-Jährige wirft viele ungeschriebene Gesetze der Fashion-Welt über den Haufen. Gerade deshalb ist sie so erfolgreich.
Ihr Erfolg hänge stark damit zusammen, dass bei Models heute Persönlichkeit gefragt sei. «Wir haben viel Macht», sagt Paloma Elsesser in einem Interview mit dem «Zeit Magazin». «Wir sind nicht nur da, Kleider gut aussehen zu lassen.»
Elsesser ist ein weltweit erfolgreiches Model. Die 28-Jährige wurde in London als zweites von vier Kindern geboren, ihr Vater hat Schweizer Wurzeln und stammt aus Chile, ihre Mutter ist Afroamerikanerin.
Elsesser bricht mit vielen Gesetzen der Modebranche. Sie trägt Kleidergrösse 44. Sie läuft in Couture-Kleidern und Ledermänteln von Alexander McQueen und Fendi über die Laufstege. Sie zeigt Mode von Dior und Nike und wird regelmässig in Zeitschriften porträtiert.
«Die Leute wollen mich sehen»
Dank der sozialen Medien, so Elsesser, würden heute Menschen, die unterschiedlich aussehen, stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen. «Ich glaube, dass sich die Modewelt dahingehend angepasst hat.»
Sie sieht ihren Erfolg aber auch kritisch: «Es ist doch schlimm, dass es als so radikal angesehen wird, dass ich in dieser Welt Erfolg habe.»
Sie habe zwar einen dickeren Körper als andere, aber was ihre Gesichtszüge, ihre Hautfarbe und Haartextur betreffe, gelte sie als klassisch schöne Frau. «Gleichzeitig beweist mein Erfolg, dass die Leute jemanden wie mich sehen wolle.»
Das Model ist überzeugt davon, dass dies der Anfang eines gesellschaftlichen Wandels sei. Ende 2020 brachte die US-«Vogue» ihr Januar-Heft heraus, auf dem Cover: Elsesser. Es war das allererste Mal, dass ein schwarzes Model jenseits der üblichen Parademasse auf dem Titelbild eines weltweit bekannten Modemagazins zu sehen war.
Mit ihrem Körper Positives bewirken
Nach wie vor sind die anderen Models bei den meisten Modeschauen, für die Elsesser gebucht wird, aber viel dünner als sie. «Man fühlt sich schon ein bisschen isoliert», sagt sie im «Zeit Magazin». Trotzdem fühle sie sich wohl, weil sie unter den «normalen Models» viele Freundinnen habe.
«Aber es gibt diese subtilen Dinge.» Ihre Anproben würden viel länger dauern. Es gebe zudem immer wieder kleine Anfeindungen, etwa wenn der Sicherheitsmann am Eingang des Backstage-Bereiches denkt, «ich bin eine Haarstylistin, kein Model.» Am Ende sei jedoch das Ziel, dass durch ihr Auftreten auch andere Leute ein Gefühl von Wertschätzung erfahren.
Elsesser hat ihre Modelkarriere später als viele ihrer Kolleginnen begonnen, nämlich mit 22. Sie habe dann sehr schnell gemerkt, dass sie keine Lust verspüre, ihre Zwanziger grösstenteils in Flugkabinen zu verbringen und mit ihrem Körper Handel zu betreiben, «ohne damit auch für andere etwas Positives zu bewirken». Deshalb involviere sie sich auch ganz explizit bei der Frage, wie ihr Körper dargestellt wird. «Es ist wichtig, dass Laufsteg-Mode auch an dicken Frauen gezeigt wird.»
Diversität ist heute zudem ein grosses Schlagwort, immer mehr Firmen möchten divers sein. Immer wieder wird aber gerade Modelabels vorgeworfen, sich mit dem einen oder anderen dicken oder schwarzen Model, das engagiert wird, nur ein Alibi zu verschaffen.
Elsesser glaubt trotzdem an eine längerfristige Veränderung, sieht das Alibi also durchaus positiv, weil es letztlich dafür sorgen werde, «dass Menschen mit unterschiedlichen Körpergrössen oder unterschiedlicher Hautfarbe sichtbarer werden.» Eine Entwicklung, die nicht einfach wieder zurückgedreht werden könne.
Und das ist gut so.
Regelmässig gibt es werktags um 11.30 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.