Kolumne am Mittag Jean-Michel Jarre und die Freude an einer guten Scheibe

Von Bruno Bötschi

20.4.2021

Seine Musik wirke wie LSD, heisst es. Dabei hat der Synthesizer-Pionier ein Trauma von der Droge. Ob und wie viel Jarre in seinem Leben konsumiert hat, hängt davon ab, ob man seinen früheren oder heutigen Aussagen Glauben schenkt.

Von Bruno Bötschi

Es wird immer wieder behauptet: Musik entfaltete ihre ganze Wirkung erst, wenn man sie im gleichen Zustand höre, wie sie einst produziert wurde. Kurz: Die Zuhörerin oder der Zuhörer sollten im gleichen Zustand sein wie die Komponistin oder der Komponist.

Es wird immer wieder behauptet, die Musik von Jean-Michel Jarre wirke wie LSD. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn der Musiker selber antwortete vor 21 Jahren in einem Interview mit der «Schweizer Illustrierten» auf die Frage: Welche legalen oder illegalen Drogen konsumieren Sie?

«Früher allerlei illegale, heute nur noch die legalen Drogen. Alkohol und Tabak halt.»

Möglicherweise hat der heute 72-jährige Musiker damals nicht die ganze Wahrheit gesagt. Zumindest, wenn man seinen neuesten Aussagen zum Thema «bewusstseinserweiternde Substanzen» Glauben schenken will.

«Ohne unser Wissen LSD abbekommen»

Drogen hätten beim kreativen Prozess niemals eine Rolle gespielt. «Leider hat das einen tragischen Grund», erzählt Jarre im Interview mit der «Süddeutschen Zeitung». «In meiner Teenagerzeit habe ich einmal mit einem sehr guten Freund eine Party besucht. Dort haben wir ohne unser Wissen eine grosse Dosis LSD abbekommen.» Sein Freund sei damals auf dem Trip hängen geblieben und nie mehr zurückgekommen. «Das hat bei mir ein Trauma ausgelöst.»

Das schreckliche Erlebnis hinderte Jarre zum Glück nicht daran, zu einem weltweit erfolgreichen Musiker zu werden. Auf der ganzen Welt berühmt machte ihn 1976 das bis heute als wegweisend geltende Synthesizer-Album «Oxygène».

«In meiner Teenagerzeit habe ich einmal mit einem sehr guten Freund eine Party besucht. Dort haben wir ohne unser Wissen eine grosse Dosis LSD abbekommen»: Jean Michel Jarre.
«In meiner Teenagerzeit habe ich einmal mit einem sehr guten Freund eine Party besucht. Dort haben wir ohne unser Wissen eine grosse Dosis LSD abbekommen»: Jean Michel Jarre.
Bild: Keystone

Die Platte erschien zu einer Zeit, als elektronische Musik in Discos und Clubs nur selten gespielt wurde. Die Musik von Jarre klang jedoch derart eingängig, dass die Radiostationen nicht darum herumkamen, sie rauf- und runterzuspielen.

In den Jahrzehnten danach zündete der französische Musiker dank diverser grossartiger Projekte, kühner Events und eigens erfundener Technologien regelmässig weitere Karrierestufen. Seine Open-Air-Show, die er 1997 in Moskau organisierte, ist mit 3,5 Millionen zuhörenden Menschen bis heute das weltweit bestbesuchte Konzert.

«Dem Drogenhandel schöne Zuwachsraten gebracht»

Jarre selber behauptet im Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» zudem, dass seine «Platten dem internationalen Drogenhandel schöne Zuwachsraten gebracht haben». Das vermuten Sie oder wissen Sie es? «Ich hatte entsprechende Erlebnisse.»

Eines dieser Aha-Erlebnisse fand Ende der 1970er in San Francisco während einer Autogrammstunde in einer Tower-Records-Filiale statt: Vor dem Musiker stand eine Schlange von Menschen und bald jeder Zweite soll gesagt haben: «Danke für Ihre Musik, Mister Jarre, ich hab ein Geschenk für Sie dabei.»

Die Fans übergaben dem Musiker kleine Beutel mit Cannabis. «Das waren so an die 300 Leute, am Ende hatten sich hinter mir zwei riesige Haufen Gras angesammelt. ‹Das können wir nicht verkommen lassen›, meinte der Typ von der Plattenfirma», so Jarre im Interview.

Anstatt es wegzuwerfen, wurde das Cannabis also in den Kofferraum gepackt. Der Deckel sei kaum zugegangen. «An dem Nachmittag war ich der beliebteste Mensch im Hauptquartier.»

Ob Jarre selber ein Tütchen geraucht hat an dem Tag? Das wissen die Götter – und vielleicht er selber.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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