Kolumne am Mittag Fasten mit Joe Biden

Von Tobias Bühlmann

21.1.2021

Nun sitzt mit Joe Biden ein neuer Mann im Weissen Hauses – mit ihm dürften die News-Kost wieder etwas magerer werden.
Nun sitzt mit Joe Biden ein neuer Mann im Weissen Hauses – mit ihm dürften die News-Kost wieder etwas magerer werden.
Archivbild: Keystone/EPA/Etienne Laurent

Bei der US-Präsidentschaftswahl ging es weniger darum, einen Joe Biden zu wählen, als vielmehr Donald Trump abzuwählen. Mit der Amtsübergabe wird es nun langweiliger – aber auch gesünder.

Eigentlich beginnt die Fastenzeit erst am 17. Februar. Doch für die Redaktionen bricht sie schon vier Wochen früher an: Nach vier fetten Jahren ist die Zeit der saftigen Schlagzeilen aus den USA erst mal vorbei. Stattdessen steht nun wieder nahrhafte, aber eher langweilige News-Kost auf dem Menü.

Auch wenn wir alle wissen, dass das auf die Dauer gesünder ist – schmecken wird das vielen nur bedingt. Seit Donald Trump auf der politischen Bildfläche aufgetaucht ist, waren die Emotionen auf einer Skala von Null bis Zehn stets auf der Zwölf. Sei es Entsetzen, Verehrung oder einfach nur Erstaunen: Der nun abgewählte Präsident verblüffte immer wieder.

Trump, der Quoten-Garant

Auch wenn sich die Redaktionen die Finger wundschrieben wegen der überschrittenen Grenzen und verletzten Normen, auch wenn sich das Publikum aufregte über den Mangel an Staatsmännischem: Viele liebten die ständigen Grenzüberschreitungen – auch wenn sie das nie so offen gesagt hätten. Denn endlich kam wieder Feuer in die sonst oft behäbige Politberichterstattung, auf einmal gehörten Artikel aus diesem Ressort zu den bestgelesenen. Trump war für Schweizer Auslandredaktionen, was Roger Federer für die Sportberichterstattung ist.

Der nun abgetretene Präsident lieferte fette News-Kost – die aber für die Gesellschaft schlimme Folgen hatte, wie sich am 6. Januar in Washington zeigte: Angestachelt von Trumps genau so oft wiederholtem wie haltlosem Vorwurf des Wahlbetrugs, den die Medien weitertrugen, wäre es an dem Tag fast zum Demokratie-Infarkt gekommen. Tausende von Unterstützern des Präsidenten stürmten den Kongress, um den demokratisch beschlossenen Machtwechsel doch noch zu verhindern.

Doch die Zeiten der haarsträubenden Nachrichten sind nun vorbei: Die Demokraten kontrollieren Senat und Repräsentantenhaus, und die Blicke ruhen auf dem neuen starken Mann in Washington: Joe Biden. Und «ruhen» passt hier bestens, denn mit dem 78-Jährigen im Weissen Haus wird sich der Nachrichtenfluss aus Washington verlangsamen, und zwar deutlich.

Mit Biden kehrt die Vernunft ins Weisse Haus zurück

Joe Biden wurde weniger wegen seiner herausragenden Visionen für die Zukunft der USA oder seinem mitreissenden Naturell gewählt, sondern vor allem, weil er nicht Trump ist. Weil er weniger Drama und mehr Greifbares zu liefern versprach. Sicher, der abtretende Präsident wird weiter wüten. Doch seit seiner Verbannung von Twitter, Facebook, Instagram und nun auch aus dem Medienkonferenz-Saal des Weissen Hauses er hat nicht mehr dieselben Plattformen, und auch seine Republikaner haben mit dem US-Senat ihre letzte Bastion verloren.

Joe Biden wird von seinen Gegnern und auch von vielen Medienleuten als Tattergreis und Witzfigur verlacht. Schon als Vizepräsident unter Barack Obama war er für seine rhetorischen Fehltritte berüchtigt. Doch einen Ersatz für den Trump’schen Dauerausnahmezustand wird er nicht liefern. Denn Joe wird auf seinen Stab hören und nicht morgens um 2 Uhr wirre Nachrichten auf Twitter absetzen.

Damit wird es für alle Beteiligten erst mal langweiliger. Daran werden wir uns alle erst wieder gewöhnen müssen. Doch für die Demokratie und das Vertrauen in die Institutionen ist das sicher besser.

Um beim Bild vom Eingang zu bleiben: Die letzten vier Jahre gab es jeden Tag Pizza und Burger mit viel Fett, Salz und Zucker. Doch bald steht öfter wieder gedämpftes Gemüse auf dem Speiseplan, oder eine klare Suppe. Nicht dasselbe Geschmacksfeuerwerk, aber dafür droht uns allen keine akute Diabetes.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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