Kolumne am Mittag Europas neuer Brillenkönig hatte grosse Angst – dann wurde er aktiv

Von Bruno Bötschi

26.1.2021

«Glauben Sie mir, ich bin der Nervöseste von allen»: Marc Fielmann.
«Glauben Sie mir, ich bin der Nervöseste von allen»: Marc Fielmann.
Bild: Frank Siemers

Marc Fielmann beerbte Ende 2019 seinen Vater an der Spitze des  gleichnamigen Brillenkonzerns. Der Junior wollte die Firma in neue Höhen führen – dann kam die Corona-Krise.

Sein Vater sei nicht so der Typ Mensch, der loslassen könne. «Jedes Papier, jeder Brief, jedes Wort» habe von ihm freigegeben müssen, erzählt Marc Fielmann in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit». Einen Text zu einem Kontaktlinsenbehälter musste der Sohnemann sage und schreibe 100-mal neu schreiben.

Eine unangenehme Situation. Er habe so gelernt, was Perfektionismus bedeute, sagt Fielmann junior. «Als Teenager und auch später im Unternehmen hatte ich Angst, dass irgendjemand sagt, ich würde mich nur ins gemachte Nest setzen.»

Und noch schlimmer: Nie darüber hinauswachse. Seit drei, vier Jahren sei ihm das egal.

«Ich bin der Nervöseste von allen»

Aller Anfang ist schwer, lautet ein geflügeltes Wort. Marc Fielmann beerbte im November 2019 seinen Vater Günter Fielmann, 81, an der Spitze des gleichnamigen Brillenkonzerns. Mit 31 ist der Junior damit einer der jüngsten Konzernchefs Europas.

Kaum hatte er den Job angetreten, drohte Ungemach: die Corona-Krise.

Es kam zu einem Déjà-vu. Wie schon während der Ausbildungszeit schauten alle auf ihn. Kam er damals in eine Filiale, seien alle nervös gewesen. Er sagte dann jeweils: «Glauben Sie mir, ich bin der Nervöseste von allen.»

Zu Beginn der Corona-Pandemie habe sich das wiederholt. Diesmal sei er hingestanden und habe gesagt: «Wir kriegen das hin.» Er hat seine Angst vor der Krise für sich behalten? «Mein enges Umfeld hat schon mitbekommen, dass ich mir Sorgen gemacht habe.»

«Unter maximaler Unsicherheit riesige Entscheide treffen»

Aller Anfang ist schwer. Entscheidend sei, so Fielmann in der «Zeit», wie man sich während «der schlimmsten Krise gegenüber den Mitarbeiter*innen verhalte».

Gegen 10'000 Mitarbeiter*Innen musste er in Kurzarbeit schicken. Im Gegenzug hätten Verwaltungsrat und Chefs dafür auf 20 Prozent ihrer Bezüge verzichtet. Damit seien 163 Millionen Euro im Unternehmen geblieben. Gleichzeitig beschloss man, die Gehälter der Kurzarbeiter*innen auf 100 Prozent aufzustocken und keine Stellen abzubauen.



Wie erwähnt: Der 31-Jährige war gerade mal vier Monate alleiniger Chef, als die Corona-Pandemie ausbrach. Nach dem ersten Schock habe sich seine Gefühlslage wieder beruhigt, heute gehe es ihm «eigentlich ziemlich gut». Wohl auch darum, weil er sich bewusst wurde, dass dies «die Stunde des Unternehmers» sei. «Sie müssen unter maximaler Unsicherheit in kürzester Zeit riesige Entscheide treffen.»

«Mein Vater ist manches impulsiver angegangen»

Anfänglich fühlte er sich getrieben durch die Situation. Doch ihm wurde schnell klar; Unsicherheit ist das Schlimmste, also nur dazusitzen und alles auf sich einprasseln zu lassen. «Sobald man handelt, fühlt es sich schon deutlich besser an.»

Sind Sie auch so impulsiv wie Ihr Vater, der mal einen Stuhl durchs Büro geworfen hat? «Wenn ich auf meine Eltern schaue», so Fielmann junior in der «Zeit», «bin ich eher planend wie meine Mutter. Mein Vater hat ein Unternehmen von null zu einem Milliardenunternehmen aufgebaut, da war es sicher sinnvoll, dass er manches auch impulsiver angegangen hat.» Aber er habe sich in seinem Leben auch wahnsinnig weiterentwickelt.

Aller Anfang ist schwer, aber nicht nur. Durch sein beherztes Eingreifen spürte Marc Fielmann rasch Rückhalt in der Firma. Sein ehemaliger Lehrmeister meinte gar, Corona sei ein Riesenglück für ihn persönlich, sonst hätte es «noch einige Jahre gebraucht, bis die Alteingesessenen Sie vollends als Chef respektiert hätten».

Dank Corona tun sie es jetzt schon.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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