Kolumne am Mittag Eine haarige, schwule Band bringt Youtube ins Schwitzen

Von Gil Bieler

18.3.2021

Freizügig: Man on Man im Videoclip zu «Daddy».

Youtube

Zwei untrainierte Männerkörper, die sich aneinander reiben: Das war Youtube zu schlüpfrig. Wären es sexy Frauenkörper, sähe das anders aus. Die Band Man on Man hat diese Doppelmoral unfreiwillig entblösst.

Von Gil Bieler

Man on Man ist weder die bekannteste noch die beste Band; ja nicht einmal die attraktivste. Doch genau aufgrund dieser optischen Komponente hat das US-amerikanische Duo schon einige Wellen geschlagen in der Online-Welt.

Man on Man, das sind Roddy Bottum – bekannt als Keyboarder der Rockband Faith No More – und sein Lebenspartner Joey Holman. Die beiden haben vor Kurzem ihr gemeinsames Debütalbum angekündigt, das im Mai erscheinen wird.

Freizügig, aber ohne Sixpack

Der Videoclip zum vorab veröffentlichten Song «Daddy» war Youtube aber zu freizügig. Zwei Herren jenseits der Fünfzig, obendrein noch ohne Sixpacks, die vor der Kamera miteinander herummachen? Ein No-Go.

Das Video wurde flugs gesperrt. Angeblich ging es um Verstösse gegen die Vorgaben zu sexuellen Inhalten, wie Bottum auf Twitter  wissen liess.

Wer den Clip gesehen hat, wird stutzig: Denn obwohl darin auch nackte Haut gezeigt wird, sind es nicht die heiklen Körperteile. Da ist nichts, was im Popzirkus nicht längst Usus wäre. Schliesslich sind Clips, in denen Männer und Frauen miteinander herummachen, so alt wie das Musikfernsehen – Sie wissen schon, der Vorgänger von Youtube.

Und auch weibliche Popstars, die sich leicht bekleidet aneinanderschmiegen, sind gern gesehen, wenn die Namen bekannt sind und die körperästhetischen Standards eingehalten werden. Anschauungsbeispiel: Jennifer Lopez und Iggy Azalea im Clip zu «Booty». 

Freizügig: Jennifer Lopez und Iggy Azalea im Videoclip zu «Booty».

Youtube

Ob der Zensurfilter von Youtube Schwulen gegenüber besonders kritisch eingestellt ist, kann nicht gesagt werden. Der Videogigant machte die Sperre aber wieder rückgängig und entschuldigte sich bei Bottum und Holman. Bei der schieren Zahl an Videos, die täglich hochgeladen würden, könne es zu solchen Fehlern kommen.

Mangelnde Diversität

Man on Man wollen daran nicht so recht glauben: «Es ist klar, dass es Techkonzernen an Diversität mangelt und sie daher diskriminierend sind, was Hautfarbe, Alter, Geschlecht und Sexualität angeht», hält die Band fest. «Und sogar wenn Youtube einmal Diversität predigt, spielt die Industrie in Wahrheit nach den Regeln heterosexueller Männer.»

Wäre damit alles gesagt? Noch nicht ganz.

Man on Man haben nicht nur mit den Silicon-Valley-Programmierern ein Hühnchen zu rupfen: «In der Gay-Community sind junge, haarlose, schöne Männer genügend vertreten. Es fühlt sich gut an, einen Teil unserer Kultur zu repräsentieren, der nicht blitzblank und manikürt ist», teilt die Band auch noch mit.

Da dürften also noch mehr nackte Tatsachen zu erwarten sein.

Rockstar: Roddy Bottum während eines Konzerts mit seiner Hauptband Faith No More.
Rockstar: Roddy Bottum während eines Konzerts mit seiner Hauptband Faith No More.
Bild: Getty

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.