Interview Markus Gilli: «Dumme Sprüche? Wir geben Gegensteuer!»

Von Carlotta Henggeler

2.4.2020

2008: Chefredaktor von TeleZüri, Tele M1, TeleBärn Markus Gilli im Studio.
2008: Chefredaktor von TeleZüri, Tele M1, TeleBärn Markus Gilli im Studio.
Keystone/Martin Ruetschi

Markus Gilli, Chefredaktor von TeleZüri, Tele M1, TeleBärn, hat sein Team in Corona-Zeiten gut ausgerüstet. Doch er steckt im Dilemma: Die Quoten steigen, die Einnahmen aber rasseln in den Keller. Gilli fordert Staatshilfe.

Ungewöhnliche Zeiten erfordern spezielle Massnahmen und Fantasie. Das hat sich auch Markus Gilli gesagt. Seine Crew schneidet und vertont die Beiträge zu Hause. Das laufe sehr gut. Aber: Die Werbeeinnahmen sind drastisch zurückgegangen – Markus Gilli hofft jetzt auf Staatshilfe.

Wie arbeiten bei Ihnen die Newsjournalisten momentan? Gibt es ein Homeoffice-System, um zu viel Nähe in Grossraumbüros zu vermeiden?

Wir haben das gesamte System umgestellt. Newsjournalistinnen und Newsjournalisten arbeiten – wenn immer möglich – im Homeoffice-System. Sie schneiden und vertonen die Beiträge in den eigenen vier Wänden. Wir haben in einer umfassenden Aktion die entsprechenden technischen Einrichtungen geschaffen. Der Dreh muss natürlich weiterhin vor Ort erfolgen. Wann immer möglich zeichnen wir Interviews/Quotes per Skype auf.




Reporter müssen zwei Meter Abstand zum Interview-Partner halten. Wie wird das gewährt?

Alle Quotes/Interviews vor Ort werden mit einer Perche produziert. Dieser verlängerte Arm, wie eine Art Angelrute, garantiert einen Abstand von mindestens zwei Metern.

Alle Mikrofone tragen einen Schutz. Werden diese nach jedem Interview ausgewechselt?

Das gesamte technische Material wird ständig desinfiziert. Alle technischen Geräte wie Mikrofone, Ohrhörer und so weiter werden nach jedem Gebrauch desinfiziert.

Was ist aus Ihrer Sicht die grösste Umstellung für Newsjournalisten in Corona-Zeiten?

Völlig neue Wege der Kommunikation. Die Koordination erfolgt in Videokonferenzen und im «Teams»-System. Ich bin enorm positiv überrascht, wie gut das klappt. Auch wenn die sozialen Kontakte zwischen den Mitarbeitenden fehlen – die Sendungen sind aktuell, professionell und auf höchstem Niveau.

Und die grösste Herausforderung?

Aus der Flut an Informationen und Widersprüchen verständliche und nachvollziehbare Beiträge und Talks umzusetzen. Es zählen Fakten, Fakten, Fakten – nur so kämpft man erfolgreich gegen die Flut an Falschinformationen und Fake News.

Darf man in Corona-Zeiten unterhaltsam sein? 

Aber natürlich. Es herrscht nicht Staatstrauer. Wir sehen, dass auch Unterhaltungssendungen eine hohe Zuwachsrate bei den Ratings verzeichnen. Aber – in den News und Talksendungen braucht es die Genauigkeit der Fakten, die Interpretation durch ausgewiesene Fachleute, nachvollziehbare Ratschläge und Ernsthaftigkeit. Die dummen Sprüche und das Negieren der weltumspannenden Krise in den Kommentarspalten von Zeitungen, Onlineportalen und auf Social Media sind ein absolutes Ärgernis. Wir geben Gegensteuer!

Für die Medien ist diese Krise auch eine Chance, oder? Ein bisschen Fluch und Segen zugleich …

Ja. Die Einnahmen rasseln in den Keller – die Ratings in den Himmel. Die Situation für die Medien ist – wie auch für die meisten anderen Branchen – enorm angespannt bis katastrophal. Wir erfüllen in dieser Krise eine sehr wichtige Funktion – informieren die Menschen und sind ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den Behörden in der Krisenkommunikation und den Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb hoffen wir auch auf eine Unterstützung durch den Staat.

«Fakten, Fakten, Fakten – nur so kämpft man erfolgreich gegen Fake News.»


Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden sich in Quarantäne?

Wir klopfen auf Holz: Null! Unsere internen Sicherheitsmassnahmen und die Anforderungen an die Hygiene sind enorm streng. Alle leisten hier einen sehr grossen Beitrag. Möge es so bleiben!


Gibt es ein Notfall-Szenario, sollte wegen Corona ein normaler Betrieb nicht mehr möglich sein?

Ja, alle Szenarien liegen vor. Wir sind auf alles vorbereitet. Der Sendebetrieb soll auch bei einer weiteren Zuspitzung der Krise unter allen Umständen weitergeführt werden. Ich habe nur einen grossen Wunsch: Mögen unsere Mitarbeitenden gesund bleiben. Ihr Einsatz in der Krise ist grossartig!

«ZüriNews» läuft am Donnerstag, 2. April, um 18 Uhr auf TeleZüri. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Die Coronakrise: Eine Chronologie.

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