TV-Kritik «Deville»: Ein Rehkitz ist böser

Von Gion Mathias Cavelty

28.9.2020

Dominic Deville – ein Typ für den Friedensnobelpreis, aber nicht für eine Late-Night-Show, findet Gion Mathias Cavelty.

«Deville» ist seit gestern Abend wieder da. Was ist das Hauptproblem der Sendung? Um es offen zu sagen: Es ist das Herz des Moderators. Dominic Deville hat das Herz eines Rehkitzes. Doch ein guter Satiriker/Late-Night-Show-Host braucht das Herz eines eiskalten Profikillers. Denn Satire darf nicht alles, nein: Satire MUSS alles. Für eine gute Pointe muss man über Leichen gehen wollen und können.

Harald Schmidt hat das Herz eines Profikillers. Jan Böhmermann hat so ein Herz. Sacha Baron Cohen und die Typen von «Little Britain» haben so ein Herz. Sie kennen nichts! Keine Scheu, keinen Respekt, keine Grenzen! Show no mercy! Denn sonst kann ein Satiriker (frei nach Robert Gernhardt) gleich Heiligenbildchen malen.

Dominic Deville ist einfach zu lieb. Er ist im Herzen der Kindergärtner geblieben, der er ja tatsächlich mal war.

Was die Sache noch schlimmer macht: SRF muss sparen, sparen, sparen! Das hat zum Abgang des grossen Patrick «Karpi» Karpiczenko geführt. Und das ist fatal. Denn Karpi kennt tief in seinem Innern auch nichts; er weiss genau: Für eine gute Pointe muss man -> siehe oben.

Die gestrige erste Folge der zehnten Staffel hat auf meinem Lachometer trotz allem 3,28 (von möglichen 10,00 Punkten) erreicht. Details können Sie der Auflistung unten entnehmen, wenn Sie wollen. Aber ich würde Ihnen von einem vertieften Studium abraten, denn wie gesagt: Wahnsinnig lustig ist das Ganze nicht.

Einen extrafröhlichen Gruss aus dem schönen Schwamendingen an die getreue Leserschaft!

Die detaillierten Lachometer-Resultate

1. Eröffnungsmonolog von Deville, zum Teil Dialoge mit Produzentin Marike; behandelt werden aktuelle Themen, etwa die gescheiterte Abwahl von SVP-Bundesrichter Yves Donzallaz durch seine eigene Partei (Deville: «Am liebschte hetti d SVP gar kei Richter, sondern eifach es schöns Volkstribunal, aaschliessendi Enthauptig und dänn direkt in Puurezmorge – es schöns klassischs ‹Schweizer schlitzen Kosovaren auf›-Event»); die Dick Pics (Deville: «Chiletürmli», «Glockespiel») eines katholischen Priesters aus der Zentralschweiz; Pascal Couchepins angebliche Schuld an der Lockdown-Schwangerschaft einer FDP-Ständerätin; abschliessend folgt ein doofer Einspieler zum Thema «Machen Sie ein Kind!» mit Fotos von kopulierenden Affen und so. – Ausschlag auf meinem Lachometer: 0.

2. Deville deutet die Besetzung des Bundesplatzes der sogenannten klimabewegten Schweizer Jugend zur «Freiluftvorführung des Musikmärchens ‹Peter und der Wolf›» von Sergej Prokofjew um. Es folgt die zähe, komplett unlustige Einlage «Klimapeter und der Wolf», in der Alec von Graffenried virtuell die Rolle des Grossvaters übernimmt, Jacqueline Badran die der «schnatternden» Ente, Reto Nause die des Jägers und Andreas Glarner die des bösen Wolfs (Deville: «Eher blöde Wolf; was erwarted me anders vom AndreARSCH Glarner, oder?»). – Ausschlag auf meinem Lachometer: 5 (wegen dem AndreARSCH).

3. Einspieler: Aussen-Reporterin Michelle Kalt (Deville: «Üsi TV-Anwältin») wagt sich unter die Demonstrierenden auf dem Turbinenplatz in Zürich, die dort am 19. September gegen die Corona-Massnahmen demonstriert haben. Zuvor stärkt sie sich mit ordentlich Echinaforce. Sie ist forsch und schlagfertig («Wänn händ Sie sich denn aagsteckt? Also mit Verschwörigstheorie, meini?»). Bester Gag: «A de Corona-Demo halted nid mal d Toi-Toi-Hüsli de Mindeschtabstand ii». – Tipptopp so! Ausschlag auf meinem Lachometer: 6.

4. Live-Auftritt des deutschen Komikers David Kebekus, von Deville angekündigt als «Jesus der deutschen Stand-up-Comedy»; er ist langhaarig und hat einen Bart und meint: «So auszusehen wie Jesus ist jetzt nicht wirklich schwer. Als Kerl musst du einfach nur warten. Warte ein bisschen, dann sieht man so aus.» Er möge es, wenn er sehe, wie ein dicker Mann hinfalle. – Ha ha ha, dicke Männer, die auf die Schnauze fliegen, mag ich auch! Bis jetzt eindeutig der Höhepunkt der Show! Lachometer: 7.

5. Deville kommt auf das Thema 5G zu sprechen. «5G für alli isch immer no Zuekunftsmusig», konstatiert er nach ein bisschen Marco-Rima- und Roger-Federer-Bashing; auch nach einem Treffen der «fünf grossen Telekom-Anbieter» (darunter auch Bill Gates – «de Bill Gates hät ja überall sini Finger im Spiel, neuerdings») mit Simonetta Sommaruga im Bundeshaus; dabei sei nicht viel herausgekommen, ausser dass Sommaruga jetzt drei neue überteuerte Handy-Abos habe. – Lustig ist das nicht. Lachometer: 0.

6. Live-Auftritt von Gabriel Vetter als Bauer Wolfgang Imholz-Nussbaum aus dem Thurgau. Vetter bietet ordentliches Kabarett. «Lieber 5G als 1 GC», ist sein bester Spruch. Bei ihm laufe jetzt alles mit 5G, sogar das Epiliergerät seiner Frau Marlies («D Marlies hät Bei, ich säg eu!»). Sein Kollege lasse von Montag bis Freitag Pestizide raus «wie ne More» und am Samstag kämen Kinder von der Stiftung Wunderlampe «go Pony riite». Das würde er nie machen, denn bei Tierchen höre der Spass auf. – Old school, kann man machen. Lachometer: 4.

7. Ein eingespielter Clip mit vier Typen in Teletubbies-Kostümen, die im Teletubbies-Land herumhüpfen und auf einen riesigen 5G-Mast stossen. Dieser macht die Teletubbies ganz verrückt. Aufwendig produziert mit vielen Special-Effects, aber nicht wahnsinnig lustig. Wenn man sich schon den ganzen Abend über den zurückgebliebenen Marco Rima lustig macht, muss man nicht ausgerechnet mit den Teletubbies aus dem letzten Jahrhundert kommen. – Lachometer: 1.

Zurück zur Startseite