Kolumne am Mittag Der Weg von Kamala Harris ins Weisse Haus ist noch lang

Von Lukas Meyer

10.5.2021

US-Präsident Joe Biden spricht im Kongress, hinter ihm Kamala Harris (l.) und Nancy Pelosi (r.).
US-Präsident Joe Biden spricht im Kongress, hinter ihm Kamala Harris (l.) und Nancy Pelosi (r.).
KEYSTONE

Kamala Harris will für Joe Biden sein, was dieser für Barack Obama war. Sie hat unter anderem das undankbare Migrations-Dossier übernommen – mindert das ihre Chancen, Biden dereinst zu beerben?

Von Lukas Meyer

Bei der ersten Ansprache von Joe Biden im Kongress war es augenfällig: Die Nummern zwei und drei in der US-Politik, die hinter ihm sassen, sind Frauen. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wäre die zweite, die nachrückt – hinter Vizepräsidentin Kamala Harris. Als Pionierin sorgte die Tochter einer Inderin und eines Jamaikaners nach ihrer Wahl für Schlagzeilen: erste Frau, erste Schwarze, erste Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln im Amt des «VP».

Doch was macht sie eigentlich genau? Über Bidens erste 100 Tage im Amt wurde viel geschrieben, Harris ging dabei ein wenig unter.

Dabei ist die 56-Jährige oft an der Seite des Präsidenten zu sehen, und Joe Biden hat ihr viele wichtige – und undankbare – Aufgaben gegeben. Sie leitet das 2 Billionen Dollar schwere Infrastrukturprogramm, das etwa Strassen verbessern und Breitband-Internet ins ganze Land bringen soll. Sie ist für das Impfprogramm verantwortlich, das möglichst viele Amerikaner erreichen soll. Sie koordiniert Hilfsmassnahmen für den Wiedereinstieg von Frauen in die Arbeitswelt und für Geschäfte von Schwarzen und Latinos und leitet eine Taskforce zur Stärkung der Gewerkschaften.

Zuletzt wurde sie zur Vorsitzenden des National Space Council ernannt, der für die militärischen und wirtschaftlichen Interessen der USA im Weltraum zuständig ist. Dabei spielen auch Themenfelder wie Klimawandel, Ausbildung in den Naturwissenschaften und Diversität der Angestellten eine Rolle, so das US-Magazin «Politico».

Kamala Harris hat einige undankbare Aufgabe in ihrem Portfolio.
Kamala Harris hat einige undankbare Aufgabe in ihrem Portfolio.
Bild: KEYSTONE

Harris ist auch für das Thema Migration verantwortlich und soll in Zusammenarbeit mit Regierungen aus Mittelamerika dafür sorgen, dass möglichst wenig Flüchtlinge von dort in die USA kommen. Momentan sind die Zahlen so hoch wie noch nie in den vergangenen 20 Jahren. Damit ist sie zur Zielscheibe der Rechten geworden, und Beobachter sehen schon ihre Chancen schwinden, dass sie Biden dereinst beerben könnte.

Ihre erste Auslandsreise als Vizepräsidentin wird Harris Anfang Juni nach Mexiko und Guatemala führen. Bereits am Wochenende sprach sie mit Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador. Man müsse die politische und wirtschaftliche Stabilität in den betroffenen Ländern verbessern, sagt Harris. Es sei im Interesse aller, das Migrationsproblem in den Griff zu bekommen. Für die Situation an den Grenzen sei sie nicht zuständig, sondern dafür, das Problem an den Wurzeln zu packen.

Bevor Joe Biden sie zu seiner «running mate» machte, wollte Harris selber Präsidentschaftskandidatin werden, zog sich aber vor Beginn der Vorwahlen zurück. Momentan stelle sie sich ganz in den Dienst Bidens, heisst es gemäss «Politico» aus eingeweihten Kreisen. Weil wegen der Pandemie immer noch weniger gereist werde, sähen sich die beiden oft und hätten eine enge Beziehung entwickelt. Biden frage Harris stets um ihren Rat und ihre Meinung. Sie habe grossen Einfluss auf ihn, etwa in seiner Haltung zum Prozess um den Tod von George Floyd.

Dabei bemühe sie sich fast zu sehr darum, sein Vertrauen nicht zu verlieren. Harris habe nur eine Priorität: Joe Biden den Rücken freizuhalten. Sie wolle für Joe Biden sein, was dieser als Vizepräsident für Barack Obama war. Dieser Weg kann offensichtlich zur Präsidentschaft führen.

Eine Aufgabe der Vizepräsidentin: Die Abnahme des Amtseids bei neuen Mitgliedern der Administration, hier Samantha Power, die neue Leiterin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID).
Eine Aufgabe der Vizepräsidentin: Die Abnahme des Amtseids bei neuen Mitgliedern der Administration, hier Samantha Power, die neue Leiterin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID).
Bild: Keystone

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Sowieso will Biden 2024 nochmals antreten, wie er vor einem Monat an einer Pressekonferenz angekündigt hat – er wäre dann 82 und die Vizepräsidentin als Nummer zwei nochmals ein Stück wichtiger. Harris muss sich wohl gedulden, bis ihre Chance kommt, aber bis dahin wird sie genug Gelegenheiten haben, sich zu beweisen.

Vor ein paar Tagen gab es übrigens eine weitere Pionierleistung für Harris zu vermelden: Als erste Person im Amt des US-Vizepräsidiums wird bei Madame Tussauds in New York eine Wachsfigur von ihr ausgestellt.


Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.