Schatten der KolonialherrschaftSchwieriges Erbe – König Charles reist nach Kenia
dpa/tcar
30.10.2023 - 21:26
König Charles reist zum Staatsbesuch nach Kenia, einer ehemaligen britischen Kolonie. Deshalb sehen die Menschen dort dem Besuch von Charles mit gemischten Gefühlen entgegen.
30.10.2023, 21:26
30.10.2023, 21:46
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Der britische König Charles III. reist zum Staatsbesuch nach Kenia.
Die Menschen sehen diesen Besuch mit gemischten Gefühlen, denn Kenia war früher eine britische Kolonie.
Viele Kenianer hoffen, dass Charles während seines Besuchs klare Worte findet. Eine Entschuldigung für britische Kolonialverbrechen wäre angemessen.
Für König Charles III. wird es eine Begegnung mit den Geistern der Vergangenheit. Der 74-Jährige reist mit seiner Frau Camilla zu einem Staatsbesuch nach Kenia. Der britische Monarch besucht von diesem Dienstag an das Land, in dem seine Mutter einen historischen Moment erlebte – im Februar 1952 erfuhr Elizabeth dort, dass ihr Vater gestorben war und sie nun übernehmen würde. Ihre Regentschaft begann also in einer Lodge in einem Nationalpark.
Charles war selbst mehrmals in Kenia. Und sein Sohn William verlobte sich dort einst mit Kate. In den Fotoalben der Royals dürften sich also manche Bilder aus dem ostafrikanischen Staat finden. Kenia ist aber auch ein Land, das unter britischer Kolonialherrschaft stand.
Wie viel Feingefühl haben die Royals?
Dass das Königshaus bei solchen Besuchen besonders beobachtet wird, zeigte sich im vergangenen Jahr. Als William und Kate in der Karibik bei einer Militärparade unterwegs waren, gab es Kritik. William stand in weisser Uniform auf einem Jeep, Kate neben ihm – manche erinnerte das an Bilder früherer Kolonialherren. «Das war einfach so blamabel», findet die Historikerin Caroline Elkins von der Harvard University, die mit ihrem Buch «Imperial Reckoning: The Untold Story of Britain's Gulag in Kenya» einen Pulitzer-Preis gewonnen hat.
Dass Charles nach Kenia reist und es dort auch um die schwierigeren Kapitel der Geschichte gehen soll, findet sie grundsätzlich ein positives Signal. Sie sieht darin eine Geste, «die vielleicht einen Wandel andeutet, wie die Monarchie über das Empire nachdenkt».
Bei älteren Menschen sind die Wunden tief
In Kenia stehen heute noch zahlreiche historische Gebäude aus der Kolonialzeit, die teilweise zu Wahrzeichen oder Ausflugszielen geworden sind. Dazu gehört das Lord Egerton Castle, ein prachtvolles Landgut mit üppigem Garten. Auch die Eisenbahn im Land erinnert noch an die englische Kolonialmacht. Und Autos fahren auf der linken Strassenseite.
Menschen in Kenia sehen dem Besuch von Charles mit gemischten Gefühlen entgegen. Während die junge Generation nur wenig Interesse an der Kolonialzeit und dem britischen Königshaus zeigt, sitzen bei vielen Kenianern der älteren Generation die Wunden tief.
Ein Grund dafür ist die Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstandes. Aufständische hatten in den 1950ern ihr Land von den Kolonialherren zurückgefordert, Siedler angegriffen und einen Aufstand begonnen. Sie gehörten vor allem dem Volk der Kikuyu an, das von Enteignungen zugunsten britischer Siedler besonders betroffen war. Die Verwaltung ging brutal gegen den Aufstand vor. Der Konflikt gilt als einer der blutigsten des britischen Empires.
Hoffnung auf klare Worte von König Charles
Nach Angaben der kenianischen Regierung und kenianischer Menschenrechtsorganisationen wurden während des Konflikts Tausende Menschen getötet, die Kolonialherren hielten Zehntausende in Internierungslagern gefangen. Obwohl Grossbritannien in dem Konflikt die Oberhand gewann, wurde Kenia im Dezember 1963 unabhängig.
Mit dem Staatsbesuch sollen die heutigen Beziehungen der beiden Länder gefeiert werden. Der Besuch erfolge auf Einladung von Präsident William Ruto und finde zu einer Zeit statt, in der Kenia die Feierlichkeiten zu 60 Jahren Unabhängigkeit vorbereite, hiess es in der Ankündigung aus London. Charles und Camilla sollen Nairobi, Mombasa und die Umgebung besuchen.
Viele Kenianer hoffen, dass Charles während seines Besuchs klare Worte findet. Eine Entschuldigung für britische Kolonialverbrechen wäre angemessen, meinte etwa die Tochter eines damaligen Anführers des Aufstands nach Bekanntwerden der Reisepläne.
Was die Historikerin Charles rät
Historikerin Elkins würde es überraschen, wenn Charles sich tatsächlich entschuldigen würde, weil das weitreichendere Folgen haben könnte. Schliesslich habe das britische Empire mal ein Viertel der Landmasse der Erde und Hunderte Millionen Menschen umfasst. Charles' Möglichkeiten in solchen Fragen seien letztlich begrenzt.
Opfer aus Kenia hatten vor einigen Jahren einen Sieg errungen. Nach einem langwierigen Prozess sagte die britische Regierung rund 5000 Menschen Entschädigungszahlungen von 19,9 Millionen Pfund (etwa 22,9 Mio Euro) zu. Nach Meinung von Elkins wäre es bei Charles' Besuch nicht damit getan, einfach nur bei einem Staatsbankett an die schwierige Vergangenheit zu erinnern.
Charles sollte weder darauf verweisen, dass auf beiden Seiten Gräueltaten begangen worden seien, noch sagen: «Okay, lasst uns nach vorne schauen.» «So funktioniert das nicht», sagt Elkins. Charles könne sich etwa für einen angemessenen Geschichtsunterricht in seinem Land einsetzen.
«Es gibt nichts Besseres als zuzuhören»
Wenn man Elkins fragt, wie sie die Reise von Charles gestalten würde, muss sie lachen. «Wenn ich seine Reiseleiterin wäre? Da würde mir viel einfallen.» Charles solle abseits eines sorgfältig choreographierten Staatsbanketts und des Anschauens von Bäumen mit den Menschen sprechen, ihnen zuhören und ihren Schmerz fühlen, vielleicht die Reste eines Lagers besuchen.
«Es gibt einen wunderbaren Mann namens Gitu wa Kahengeri», sagt Elkins, er leite einen Veteranenverband. «Gehen Sie in das Dorf, sprechen Sie mit ihm, hören Sie es direkt von ihm», sagt Elkins. «Es gibt nichts Besseres als zuzuhören und so anzuerkennen.»
Charles solle den Menschen versichern, dass er zu Hause sein Bestes tun werde, um sicherzustellen, dass ihre Geschichten bekannt würden. Dass die Geschichte der Dekolonialisierung komplizierter sei und keine Erfolgsstory. «Und ich glaube, das ist etwas, was er machen kann. Und das würde nicht nur in Kenia, sondern auch für die Briten zuhause nachhaltige Wirkung haben.»
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