Tipps vom Psychologen So gehst du mit der News-Flut richtig um

Von Manuel Kellerhals

8.3.2022

Viele Menschen verfolgen die Lage in der Ukraine quasi in Echtzeit. Laut Medienpsychologe Daniel Süss kann es aber hilfreich sein, sich beim Medienkonsum klare Grenzen zu setzen. 

Von Manuel Kellerhals

Zerbombte Gebäude, flüchtende Menschen, weinende Kinder – die Bilder aus der Ukraine sind voller Tragik und gehen einem nahe. Im Minutentakt erreichen uns Nachrichten über neue Entwicklungen, es gibt Liveticker, Push-Nachrichten, Tiktok-Videos – noch selten war ein Krieg so zeitnah auf dem Smartphone-Screen zu verfolgen. Viele Menschen haben zwar einen hohen Informationsdrang, aber auch Mühe, mit der Flut an Nachrichten umzugehen. Medienpsychologe Daniel Süss gibt Tipps, was man gegen das Gefühl der Überforderung tun kann.

Herr Süss, wie geht man als Medienkonsument*in am besten mit der derzeitigen Situation um?  

Medien haben mehrere Funktionen. Man will vor Gefahren gewarnt werden, man will seine Meinung bilden, man will Entscheidungsgrundlagen haben. Das ist sehr wichtig und kann auch beruhigend sein, weil es einem das Gefühl geben kann, dass man einen Überblick über die Lage hat. Aber wenn es eine Situation gibt, die ständig eskaliert und man dadurch von Nachrichten überflutet wird, kann das auch einen Dauerstress auslösen. Dann ist die ständige Suche nach News-Updates nicht mehr hilfreich.

Wie kann man diesen Dauerstress vermeiden?  

Man sollte sich bewusst entscheiden, was für einen verlässliche Quellen sind und zu welchen Zeiten man sie nutzen will. Klare Selbstbegrenzung kann sehr hilfreich sein.  

Wie geht man am besten mit der Nachrichtenflut um? Ein Soldat dokumentiert mit seinem Handy Zerstörungen in Kiew. 
Wie geht man am besten mit der Nachrichtenflut um? Ein Soldat dokumentiert mit seinem Handy Zerstörungen in Kiew. 
Getty Images

Wie sieht ein gesundes Gleichgewicht beim Nachrichtenlesen aus?  

Da gibt es leider keine objektive Empfehlung. Jede Person muss ihre Grenze selbst finden. Es hängt auch davon ab, ob man persönlich involviert ist, etwa, indem man Bekannte in der Ukraine hat. Grundsätzlich kann man sagen, dass es bestimmt nicht falsch ist, einmal am Tag eine Qualitätszeitung zu lesen oder sich eine verlässliche Nachrichtensendung anzusehen oder anzuhören.

Zur Person: Daniel Süss
Prof. Dr. Daniel Süss
Bild: zVg

Daniel Süss ist Professor für Medienpsychologie an der ZHAW und Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich.

Was für psychische Folgen kann der Dauerkonsum von Kriegsnews haben? 

Bei Menschen, die sehr intensiv Nachrichten konsumieren, kann das einen sogenannten Scary-World-Effekt auslösen. Das bedeutet, dass immer mehr der Eindruck entsteht, dass die Welt nur noch aus Gefahren besteht. Man fühlt sich unmittelbar bedroht. Gleichzeitig kann dadurch ein Gefühl von Hilflosigkeit entstehen.

Was kann man gegen dieses Gefühl tun?

Wichtig ist, dass man sich mit seinem Umfeld darüber austauscht, was da passiert. Ausserdem hilft es, sich darüber zu informieren, wie man selbst aktiv werden kann. Man kann etwa Hilfsgüter oder Geld spenden oder an Demonstrationen teilnehmen. Die Teilnahme an solchen Kundgebungen kann einem das Gefühl geben, dass man dem Unfassbaren nicht hilflos gegenübersteht. Auch wenn es rein symbolische Handlungen sind, sind es Aktionen, die medial Aufmerksamkeit generieren, Einfluss auf die Politik haben können und den direkt Betroffenen zeigen, dass sie Unterstützung und Solidarität finden.

Die Bilder und Videos aus der Ukraine sind auch auf den sozialen Medien nicht zu umgehen. Welchen Einfluss haben diese auf unsere Wahrnehmung?

In Kriegssituationen wird schon seit jeher versucht, Propaganda zu vermitteln. Gerüchte entstehen, Fake News werden verbreitet. Publizistische Medien können da ein Stück weit entgegenwirken, indem sie Informationen prüfen und darauf hinweisen, wenn es Unklarheiten gibt. In den sozialen Medien gibt es diese Massnahmen nicht. Das ist eine grosse Herausforderung.

Wie filtert man Informationen im Netz am besten?

Man sollte sich primär an der publizistischen Berichterstattung orientieren. Also an Beiträgen, die redaktionell verantwortet sind, und nicht einfach Bildern und Videos aus dem Netz, die auch gefälscht sein können. Wichtig ist es auch, dass man Einordnungshilfen wahrnimmt. Bei Kindern und Jugendlichen ist es besonders wichtig, dass Nachrichten für sie in einen auf sie zugeschnittenen Kontext gestellt werden. Aber auch für Erwachsene kann eine solche Einordnung hilfreich sein.