Malende Computer «Maschinen können nichts wirklich Innovatives schaffen» 

Von Manuel Kellerhals

9.2.2023

KI-Bilderstellungsprogramme wie «Midjourney» oder «Dall-E-2» sind zur Zeit der Renner im Internet. Müssen sich etablierte Künstler deswegen Sorgen um ihre Zukunft machen?

Von Manuel Kellerhals

Wie würde es ausschauen, wenn die beliebte Cartoon-Serie «Family Guy» stattdessen eine Sitcom aus den 80er-Jahren wäre?

Die Antwort darauf liefert ein YouTube-Video, das in den letzten Wochen viral ging. Fast fünf Millionen Mal in zwei Wochen wollten Zuschauer wissen, wie die Hauptfiguren Peter oder Stewie als reale Menschen ausschauen würden.

Das Besondere daran: Die Bilder in «Family Guy as an '80s live action family sitcom» erstellte kein/e menschliche/r Künstler*in. Stattdessen steckt das KI-Programm «Midjourney» dahinter.

Und das «Family Guy»-Video ist kein Einzelfall. Derzeit flutet sogenannte «AI-Art», also KI-Kunst, das Internet. Das «KI» steht dabei für künstliche Intelligenz (Englisch: Artificial Intelligence). 

Aber wie kann es überhaupt sein, dass ein Computerprogramm Bilder erstellt, die auf den ersten Blick ein gewisses Mass an Kreativität erfordern?

«Bei einer solchen AI wird ein Algorithmus mit einem grossen Datensatz trainiert», erklärt Kunsthistorikerin Yvonne Schweizer. «Sprich: Es wird eine sehr grosse Menge von Bildern genommen, mit welchen das Programm gefüttert wird und aus denen es sich bedient. Wenn man dann einen sprachlichen Input eingibt, erstellt die Maschine aus Bildern, die darauf basieren, ein eigenes Werk.»

KI-Programme sind vergleichbar mit Photoshop

KI soll man dabei aber nicht als Künstler sehen, sondern eher als Werkzeug, erklärt ihre Kollegin Sonja Gasser, Expertin auf dem Gebiet der digitalen Kunst: «Man kann das etwa mit Programmen wie Photoshop vergleichen. Auch damit kann man kreativ sein. Dabei muss man aber wissen, wie Photoshop genau funktioniert. Bei diesen KI-Programmen ist das sehr ähnlich.» 

Um Resultate wie das oben angesprochene Video zu «Family Guy» zu erhalten, müsse man genau wissen, welche Inputs man der Maschine gebe.

Doch obwohl die Maschine dann eigenständig etwas aus den Eingaben erschafft, könne man das laut Schweizer nicht als Kreativität bezeichnen. Schweizer: «Maschinen können nicht erschaffen, sondern lediglich kombinieren. Ich glaube nicht daran, dass der Computer allein irgendwann fähig dazu sein wird, etwas wirklich Innovatives zu schaffen.»

Dennoch regt sich in der Kunstwelt Widerstand gegen die neuen Programme. So gab der polnische Künstler Greg Rutkowski, dessen Stil bei KI-Programmen besonders beliebt ist, in einem Interview an, dass er die Beliebtheit der Tools als «besorgniserregend» empfindet: «Es gibt sie erst seit ein paar Monaten. Wie wird es in einem Jahr sein? Wahrscheinlich wird es unmöglich, meine Bilder zu finden, weil es so viel ähnliche KI-Bilder gibt.» 

Sonja Gasser glaubt aber nicht, dass sich Künstler*innen, die sich traditionelleren Künsten wie etwa der Illustration verschrieben haben, Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

«Wenn man beispielsweise an den Text-Bot ChatGPT eine Anfrage stellt, die zu wenig konkret ist, antwortet einem die künstliche Intelligenz gleich selbst damit, dass sie keine eigentliche Kreativität hat», so Gasser. «Das kann man auf die gängigen Bilder-KIs ausbreiten. Sie können nicht völlig autonom tätig werden.»

Ist es wirklich Kunst? 

Bleibt die Frage, ob die Werke aus Midjourney und Dall-E-2 schlussendlich als Kunst bezeichnet werden können. Für Gasser und Schweizer sei diese Diskussion noch nicht abgeschlossen.

«Entscheidend ist der künstlerische Anspruch», so Gasser. Professionelle Künstler können KIs in ihren künstlerischen Schaffensprozess einbinden.  Solche Werke könnten dann auch in einer Galerie oder einem Museum zu finden sein – und so für Gasser zu Kunst werden. «Wenn aber alle mit einem KI-Generator erzeugten Bilder generell als Kunst bezeichnet werden, wird der Begriff aus meiner Sicht viel zu breit verwendet.»

Für Yvonne Schweizer könnte sich dieser «Aushandlungsprozess» für die neue Kunstart sogar ganz im Netz abspielen. «Kunst wird dann zu Kunst, wenn sie gesucht wird», so die Kunsthistorikerin. Normalerweise bestimmen etablierte Kunstsysteme wie eben Galerien als eine Art Pförtner, was als Kunst gelte. Da die KI-Werke aber vor allem im Netz gehandelt werden, wäre es möglich, dass dieser Schritt übersprungen wird: «Das wird sich zeigen.» 

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