«Rise of Skywalker» Warum sich «Star Wars» im Krieg mit den eigenen Fans befindet

Von Lukas Rüttimann

26.12.2019

Kaum eine andere Filmreihe hat derart leidenschaftliche Fans wie «Star Wars». Im Internet jedoch hat sich eine Fankultur gebildet, die die Science-Fiction-Saga erbittert bekämpft – mit weitreichenden Folgen.

Weihnachtszeit ist «Star Wars»-Zeit. In diesen Tagen strömen die Massen erneut in die Kinosäle, um zu sehen, wie Regisseur J. J. Abrams die dritte Trilogie der Sci-Fi-Saga zum Abschluss gebracht hat. «The Rise of Skywalker» mag nicht das perfekte Finale sein, und auch die Einspielergebnisse bewegen sich leicht unter den Zahlen der Vorgänger, doch machen wir uns nichts vor: Auch dieser «Star Wars»-Film wird die Kassen klingeln lassen. Und er ist besser, als er von vielen gemacht wird.

Schaut man sich jedoch im Internet um, gewinnt man den Eindruck, die vielzitierte Macht sei der Serie völlig abhandengekommen. «The Rise of Skywalker» sei ein «totales Desaster», liest man da; ein «immenser Flop, der Disney viel Geld kosten wird» oder schlicht «eine Abscheulichkeit, die George Lucas nicht verdient hat».

Urheber dieser harschen Urteile sind nicht etwa pikierte Kulturkritiker, sondern Betreiber von Fankanälen auf Youtube – jenen Leuten also, für die der Film eigentlich ein Fest sein sollte.

Seit «The Last Jedi» toben die Fans

Tatsächlich befindet sich «Star Wars» im Krieg mit den eigenen Fans, respektive die Fans mit den Filmemachern. Auslöser dafür war der zweite Film der neuesten Trilogie, «The Last Jedi». Nachdem J. J. Abrams mit «The Force Awakens» die für viele enttäuschende zweite Trilogie von «Star Wars»-Schöpfer George Lucas (zwischen 1999 und 2005) vergessen gemacht und die Filmreihe wieder auf Kurs gebracht hatte, produzierte Regisseur Ryan Johnson («Looper») vor zwei Jahren eine Art Super-GAU im Sternenkrieg.

«The Last Jedi» war zwar kein schlechter Film, aber ein sehr schlechter «Star Wars»-Teil. Tonalität, Humor, der respektlose Umgang mit von den Fans geliebten Figuren (allen voran Luke Skywalker) sowie inhaltliche Sakrilege brachten die Fan-Seele zum Kochen. Das zeigte sich unter anderem darin, dass der Film bei Kritikern fast durchwegs gut besprochen wurde, beim Publikum aber komplett durchfiel. Die amerikanische Kritikerseite Rottentomatoes.com etwa hat 91 Prozent positive Reviews zusammengetragen, wogegen über 215’000 Zuschauer – also Fans – den Film mehrheitlich negativ sahen.



Seither tobt ein Krieg, bei dem die Rollen klar verteilt sind. Die Guten sind die Fans und die Bösen, das sind Ryan Johnson und vor allem der Disney mit Produzentin Kathleen Kennedy. Ihr wird vorgeworfen, aus der beliebten Sci-Fi-Saga eine möglichst rentable Milchkuh für den Micky-Maus-Konzern machen zu wollen.

Gänzlich aus der Luft gegriffen ist das nicht. Denn Disney plante ursprünglich, aus «Star Wars» ein Filmuniversum à la Marvel zu entwickeln, mit Spin-Offs, Prequels und Sequels fast im Monatstakt. Dass das nicht funktioniert, merkte man letztes Jahr mit «Solo». Denn «Star Wars»-Filme müssen ein rares Gut bleiben – werden sie zur Regel, verlieren sie ihre Magie. Und ohne den Support der Fans hatte nicht mal das beliebte Schlitzohr Han Solo am Box Office eine Chance.

Fanservice als Friedensangebot

Ob es wirklich die Boykottaufrufe der Fans im Netz waren, die «Solo» so viele leere Kinositze bescherten, sei dahingestellt. Fest steht: Der Internetkrieg hat Auswirkungen auf die Macher und damit die Filme. Die aktuell auf dem neuen Streaming-Service Disney+ gestartete Show «The Mandalorian» etwa bietet Fanservice pur. Denn seien wir ehrlich: Ein stoischer Auftragskiller hinter einer eisernen Maske ist nicht unbedingt das, was ein Studio als Held einer sündhaft teuren TV-Serie durchwinken würde.

Doch mit dem Fanliebling als Titelfigur, dem knuddeligen Baby-Yoda und vielen liebevoll eingesetzten Details aus dem «Star Wars»-Universum liefert die Show genau das, was die Fans sehen wollen. Und prompt stimmen die Zuschauerzahlen wieder.

Auch bei «The Rise of Skywalker» ist deutlich spürbar, dass es als Friedensangebot an die Fans gedacht ist. J. J. Abrams versucht mit Hängen und Würgen, die inhaltlichen Verfehlungen von «The Last Jedi» auszumerzen. Mit der Folge, dass die ersten 45 Minuten einer konfusen Aneinanderreihungen von länglichen Erklärungen, merkwürdig abgehackt wirkenden Einspielern und mühsamen Aufgleisungen von neuen Story-Strängen gleicht.

Danach aber findet sein Film in die Spur, und «The Rise of Skywalker» entwickelt sich zu einem packenden und würdigen Ende der Filmreihe. Das zeigt sich auch in 86 Prozent positiven Zuschauer-Bewertungen auf Rottentomatoes.com, während diesmal die Kritiker eher negativ gestimmt sind (57 Prozent positive Reviews). Neben den erwähnten Schwächen dürfte das damit zu tun haben, dass viele Kritiker bei «The Last Jedi» erstaunt waren, wie schlecht der von ihnen gelobte Film ankam – und sich nun zurückhaltender zeigen.

Jedem sein «Star Wars»

Sagen wir, wie es ist: «Star Wars» ist 2019 in vielerlei Hinsicht ein ziemliches Durcheinander. Am besten, man geht selbst ins Kino und bildet sich eine Meinung. Eine Frage indes bleibt – warum dieser Hass auf eine einst so universell geliebte Filmreihe?



Um das beantworten zu können, muss man sich mit den Hintergründen befassen. Zum einen hilft es zu wissen, dass «Star Wars» vor allem in den USA nahezu Ersatzreligion ist. Man muss sich nur im Internet umschauen und sehen, mit wie viel Hingabe die Saga begleitet wird. Doch weil sich diese inzwischen über 42 Jahre, neun Filme, zwei Spin-Offs, diverse Serien und – nicht zu vergessen – ein spektakulär mieses Weihnachtsspecial erstreckt, hat jeder Fan eine eigene Geschichte mit «Star Wars».

Die Wut auf die neuen Filme hat deshalb auch mit dem Frust zu tun, dass selbst ein noch so guter neuer Film nie mit der eigenen Nostalgie konkurrieren kann. J. J. Abrams hat das erkannt und mit «The Force Awakens» quasi ein Remake von «Episode IV: A New Hope» gedreht – und wurde dafür von der Fanbasis bezeichnenderweise bejubelt.

Profit dank «bad news»

Der Krieg im Netz hat jedoch auch einen ganz nüchternen Hintergrund. Viele Vlogger betreiben ihre Kanäle als Geschäft, und dort gilt wie in jedem anderen Medium: Schlechte Nachrichten ziehen. Wenn also «Star Wars»-Kanäle wie Geek & Gamers, Fandom Menace oder Nerdrotic Videonews posten, dass enttäuschte Fans beim Vorab-Screening von «The Rise of Skywalker» aus dem Saal liefen, werden diese besser geklickt als positive Berichte. Wen kümmert es schon, dass sie vermutlich falsch sind?

«Star Wars: The Rise of Skywalker» habe deshalb auf Youtube gar nie eine faire Chance gehabt, sagt der bekannte «Star Wars»-Fan und Vlogger Matt Jarbo auf seinem Kanal «3 Buck Theater». Denn Fanprügel im Internet ist letztlich einfach zu gut für das Geschäft. Dass das ausgerechnet jener Kinoreihe passiert, die Spielfilme einst dank cleverem Merchandising und streng kontrollierten Lizenzeinnahmen endgültig zur Geldmaschinerie machte? Ja, das entbehrt tatsächlich nicht einer gewissen Ironie.

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